In der Praxis kommt es häufig zu Streitigkeiten zwischen Energieversorgern und Kunden über die Höhe des in Rechnung gestellten Stromverbrauchs. Ein zentrales Thema dabei ist die Frage, wer die Darlegungs- und Beweislast für den tatsächlichen Verbrauch trägt. Aktuelle Rechtsprechungen, insbesondere ein Urteil des Landgerichts Lübeck (Urt. v. 17.10.2024 – 5 O 125/23), beleuchten diese Problematik und geben Aufschluss über die Pflichten der Vertragsparteien.
Der Fall vor dem Landgericht Lübeck
Im Oktober 2024 entschied das Landgericht Lübeck über einen Fall, in dem ein Mieter für seine Mitarbeiter eine Wohnung in einem Gebäude mit mehreren Gewerbeeinheiten angemietet hatte. Nach Beendigung des Mietverhältnisses erhielt er vom Stromanbieter eine Rechnung über 17.948,11 € für den Zeitraum von Juli bis Oktober. Der Mieter verweigerte die Zahlung mit der Begründung, dass seine Mitarbeiter die Wohnung bereits Ende Juni geräumt hätten und der Stromverbrauch nicht in seiner Verantwortung liege. Zudem wies er darauf hin, dass im Gebäude vier Verbrauchsstellen, aber nur zwei Stromzähler existierten, was die Zuordnung des Verbrauchs erschwerte.
Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht Lübeck wies die Klage des Stromanbieters ab und stellte klar, dass dieser die Darlegungs- und Beweislast für den tatsächlichen Stromverbrauch des Kunden trägt. Das Gericht betonte, dass die bloße Vorlage eines Übergabeprotokolls mit Zählerständen nicht ausreicht, um den Verbrauch eindeutig dem Kunden zuzuordnen, insbesondere wenn Unklarheiten bezüglich der Zuordnung der Zähler zu den Verbrauchsstellen bestehen. Zudem hatte der Beklagte das Protokoll aufgrund von Sprachproblemen im Vertrauen auf den Vermieter unterschrieben, was seine Beweiskraft weiter minderte.
Rechtliche Grundlagen
Die Entscheidung stützt sich auf § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV). Demnach können Stromkunden die Zahlung verweigern, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers in der Abrechnung besteht. In solchen Fällen obliegt es dem Energieversorger, den tatsächlichen Verbrauch nachzuweisen.
Weitere Rechtsprechung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 7. Februar 2018 (Az. VIII ZR 148/17) ebenfalls klargestellt, dass bei ungewöhnlich hohem Stromverbrauch die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht und der Kunde in solchen Fällen die Zahlung verweigern kann. Auch hier liegt die Beweislast für die Richtigkeit der Abrechnung beim Energieversorger.
Fazit
Die aktuelle Rechtsprechung verdeutlicht, dass Energieversorger verpflichtet sind, den tatsächlichen Stromverbrauch ihrer Kunden nachvollziehbar darzulegen und zu beweisen. Insbesondere in Fällen, in denen Unklarheiten bezüglich der Zuordnung von Zählerständen bestehen oder der abgerechnete Verbrauch erheblich von vorherigen Abrechnungszeiträumen abweicht, müssen Versorger detaillierte Nachweise erbringen. Kunden sollten ihre Rechnungen sorgfältig prüfen und bei Unstimmigkeiten Einwände erheben, da sie unter bestimmten Voraussetzungen zur Zahlungsverweigerung berechtigt sind. Die Gerichte stellen hohe Anforderungen an die Beweispflicht der Versorger, um die Rechte der Verbraucher zu schützen. Von daher sollten in transparente, überhöhte Rechnungen nicht ohne weiteres bezahlt werden.