Bei Geld hört sich bekanntlich die Freundschaft auf. Deshalb wird oft, gerade wenn es um den Streit ums Erbe geht, noch vor dem Ableben des Erblassers mit harten Bandagen gekämpft. Immer öfters spielt dabei die Frage eine Rolle, ob ein dementer Erblasser noch in der Lage war in einem „lichten Moment“ (sog. luzide Intervalle) bisher bestehende Testamente über den Haufen zu werfen und so eine andere Person zum Erben zu bestimmen. In der Praxis kommt es dabei nicht nur vor, dass ärztliche Expertisen vorgelegt werden, die die Geschäftsfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestätigen sollen, obwohl diese Ärzte, manchmal völlig fachfremd, gar nicht die erforderliche Kompetenz besitzen oder noch schlimmer, den Patienten nie selbst zu Gesicht bekommen haben, sondern auch Notare sollen manchmal herhalten ein Gericht davon zu überzeugen, dass der Erblasser trotz seiner Demenzerkrankung, einen lichten Moment hatte, umso seinen „letzten Willen“ neu zu manifestieren.
Das OLG München (Beschluss vom 1. 7. 2013 – 31 Wx 266/12) hat nun einen Rechtsstreit zwischen einer gemeinnützigen Organisation, die zunächst durch Testament berufen worden war und einem Sohn der Erblasserin, die nach Demenzerkrankung das Testament widerrufen und stattdessen notariell ihren Sohn zum Erben bestimmt hat, zu Gunsten der gemeinnützigen Organisation entschieden.
Die Testierfähigkeit nach § 2229 Absatz IV BGB setzt unter anderem voraus, dass der Testierende auch im Stande sein muss, den Inhalt des Testaments von sich aus zu bestimmen und sich aus eigener Überlegung ein klares Urteil über die Tragweite seiner Anordnungen bilden zu können. Die Erblasserin litt an der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung mit progredienter Demenz nebst vielfältigen neurologischen Symptomen. Gerichtlich eingeholte Gutachten stellten fest, dass die Erblasserin zu Ort, Zeit und Situation nicht orientiert war und einfache Handlungen nicht durchführen konnte. Der Gutachter trat dem Argument des Sohnes, dass die Erblasserin in einem „lichten Moment” testiert habe, entgegen. Bei chronisch-progredienten Störungen wie demenziellen Syndromen sind luzide Intervalle mit Wiedererlangung der Urteilsfähigkeit praktisch ausgeschlossen, so das Gericht. Dass die Erblasserin gegenüber Dritten „normal” kommunizierte, steht diesem Urteil ebenso wenig entgegen wie die Tatsache, dass der Notar bei Aufnahme des öffentlichen Testaments sie als „testierfähig” einschätzte. Allein dass die Erblasserin den Wunsch äußerte, den Sohn zum Alleinerben einzusetzen, ist nicht gleichzusetzen mit der für die Testierfähigkeit maßgeblichen Frage, ob sie den Inhalt des Testaments von sich aus bestimmen und sich aus eigener Überlegung hierzu ein klares Urteil bilden konnte. Die Äußerung des Willens, jemanden zum Erben einzusetzen, ist nicht mit der Fähigkeit zur entsprechenden Willensbildung gleichzusetzen. Bei einer länger andauernden chronisch-progredienten Demenz ist diese Willensbildung praktisch unmöglich, auch „lichte Momente” sind bei solchen Erkrankungen ausgeschlossen.
Rechtsanwalt Graf ist Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V.). Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig vom Amtsgericht Wolfratshausen als Nachlasspfleger bestellt.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
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