Ehegatten regeln oft ihren Nachlass in einem gemeinschaftlichen Testament. Bei wechselbezüglichen Verfügungen tritt mit dem Ableben des Erstversterbenden eine Bindungswirkung für den überlebenden Ehegatten ein. Dieser kann dann nicht mehr anders durch Verfügung von Todes wegen (wirksam) testieren.
Da das deutsche Erbrecht grundsätzlich die Zuwendung von einzelnen Gegenständen nicht kennt, sondern dem Prinzip der so genannten Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge) folgt, werden in der Praxis in solchen Ehegattentestamenten nicht nur Regelungen über die Erbfolge getroffen, sondern einzelne Gegenstände Erben, aber auch Dritten, durch Vermächtnisse zugewandt. Im erstgenannten Fall spricht man auch von einem so genannten Vorausvermächtnisses. Der Vermächtnisnehmer erwirbt den Gegenstand nicht kraft Gesetzes, sondern erlangt nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Nachlass, den er nötigenfalls mit gerichtlicher Hilfe gegen den oder die (Mit-) Erben durchsetzen muss.
Was viele Erblasser nicht bedenken ist, dass der überlebende Ehegatte zwar daran gehindert ist, entgegen dem Wortlaut einer wechselbezüglichen Verfügung neu zu testieren, er aber einen Gegenstand, der nur durch Vermächtnis zugewendet wird, zu Lebzeiten noch durch Schenkung an einen anderen als den im Testament Bedachten übertragen kann. Das hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 09.01.2014 (10 U 10/13) entschieden.
Gerade dann, wenn es um Immobilien geht, kann dies fatale Folgen haben und der Wille des Erstversterbenden kann hierdurch ausgehebelt werden. In dem vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall hatte ein Ehepaar zwei Doppelhaushälften. Eine davon wurde einer Tochter noch zu Lebzeiten beider Eltern übertragen. Die 2. Hälfte, in der die Eltern wohnten, sollte diese nach dem Ableben des letzten Elternteils erhalten. Nachdem sich die Mutter mit der Tochter nach dem Tod des Vaters überworfen hatte, hat diese kurzerhand die Haushälfte noch zu Lebzeiten ihrem Enkel geschenkt. Eine Klage gegen den Enkel auf Herausgabe blieb erfolglos, weil das Gericht der Auffassung war, dass die Klägerin als bloßer Vermächtnisnehmerin ein solcher Herausgabeanspruch nicht zusteht.
Anmerkung:
Die Vermächtnisnehmerin hätte stattdessen zunächst gegen die aus ihr und ihrer Schwester bestehende Erbengemeinschaft wegen Vereitelung des Vermächtnisses auf Wertersatz klagen müssen.
Wer hier als Erblasser auf Nummer sichergehen möchte, dass die Immobilie auch dann, wenn er als erster verstirbt, an das Kind geht, an das ie gehen sollte, sollte besser noch zu Lebzeiten die Immobilie übertragen und die eigene Rechtsposition durch Eintragung eines dinglichen Wohnrechts oder Nießbrauchs absichern. Nur dann besteht Sicherheit, dass insoweit der letzte Wille auch tatsächlich erfüllt wird.
Rechtsanwalt Graf ist Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V.). Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig vom Amtsgericht Wolfratshausen als Nachlasspfleger bestellt.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.