In der Arbeitswelt herrscht vielfach die Problematik der Entgeltdiskriminierung zwischen Frauen und Männern auf gleicher Hierarchieebene. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 01.10.2024 erneut verdeutlicht. Im zugrundeliegenden Fall ging es um eine Managerin, die gegen ihren Arbeitgeber klagte, weil sie im Vergleich zu männlichen Kollegen auf derselben Führungsebene ein niedrigeres Gehalt erhielt. Das Gericht gab der Frau zumindest teilweise recht und sprach ihr eine Entgeltdifferenz zu, jedoch beschränkt auf den Medianunterschied der männlichen und weiblichen Vergleichsgruppen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.10.2024 – 2 Sa 14/24).
Sachverhalt: Entgeltdifferenz trotz gleicher Führungsebene
Die klagende Managerin war in der dritten Führungsebene eines Unternehmens tätig. Ihr Entgelt lag dabei sowohl unterhalb des Medianentgelts der weiblichen als auch unterhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe. Die Klägerin forderte die Differenz zu dem von ihr namentlich benannten männlichen Kollegen, der weltweit das höchste Gehalt auf dieser Führungsebene erhielt, hilfsweise verlangte sie eine Anpassung auf das Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe. Insgesamt belief sich ihre Forderung auf rund 420.000 Euro brutto für die vergangenen fünf Jahre.
Die Grundlage ihrer Klage waren das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) sowie der Gleichbehandlungsgrundsatz. Insbesondere § 3 Abs. 1 EntgTranspG verbietet die unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts in Bezug auf das Entgelt. Auch § 7 EntgTranspG stellt klar, dass für gleiche oder gleichwertige Arbeit keine geschlechtsbedingte Ungleichbehandlung beim Entgelt erfolgen darf. Diese Vorschriften basieren auf Art. 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der ebenfalls die Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Arbeitsleben fordert.
Entscheidung des LAG Baden-Württemberg: Anspruch auf Medianentgelt-Differenz
Das LAG Baden-Württemberg sprach der Managerin von den geforderten 420.000 Euro schließlich rund 130.000 Euro brutto zu. Dabei stellte das Gericht fest, dass lediglich die Differenz des Medianentgelts zwischen der männlichen und der weiblichen Vergleichsgruppe als hinreichendes Indiz für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung angesehen werden konnte. Ein genereller Anspruch auf das höchste denkbare Gehalt, das von einem männlichen Kollegen auf gleicher Führungsebene bezogen wurde, wurde abgelehnt.
Nach Ansicht des Gerichts ist für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung nicht irgendein Indiz im Sinne des § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ausreichend, um einen umfassenden Entgeltanspruch zu begründen. Vielmehr muss ein spezifisches Indiz bestehen, das eine Benachteiligung in einer bestimmten Höhe nachweist. Im vorliegenden Fall stand fest, dass die Vergütung des zum Vergleich herangezogenen männlichen Kollegen oberhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe lag und die Vergütung der Klägerin unterhalb des Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe. Eine Kausalitätsvermutung, dass die volle Differenz zu einem individuellen Gehalt auf einer geschlechtsbedingten Benachteiligung beruhte, sah das Gericht somit nicht als gegeben an.
Keine Anpassung „nach ganz oben“ möglich
Die Forderung der Klägerin, ihre Vergütung an das höchste Entgelt innerhalb der dritten Führungsebene anzupassen, wurde ebenfalls vom LAG abgelehnt. Eine solche Anpassung „nach ganz oben“ würde dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen, der bei Differenzierungen innerhalb einer begünstigten Gruppe auf den Durchschnittswert abstellt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz, so das LAG, sei insbesondere dann relevant, wenn es um die innerbetriebliche Differenzierung innerhalb einer Vergleichsgruppe gehe. Die verbleibende Ungleichbehandlung zwischen der Klägerin und den männlichen Kollegen konnte die Arbeitgeberin nicht durch Kriterien wie „Berufserfahrung“, „Betriebszugehörigkeit“ oder „Arbeitsqualität“ rechtfertigen.
Relevanz des Urteils und mögliche Auswirkungen
Das Urteil des LAG Baden-Württemberg verdeutlicht die Schwierigkeit, geschlechtsbezogene Entgeltdiskriminierungen in der Praxis gerichtlich geltend zu machen. Auch wenn die Klägerin hier eine Teilentschädigung zugesprochen bekam, blieb ihr der volle Erfolg verwehrt. Die Entscheidung hebt hervor, dass eine bloße Ungleichbehandlung nicht automatisch einen Anspruch auf die höchste denkbare Entgeltanpassung begründet. Vielmehr müssen detaillierte und spezifische Anhaltspunkte für eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung vorliegen, um die geforderte Differenz in voller Höhe zu rechtfertigen.
Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen, denn das Gericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen. Dies zeigt, dass das Thema Entgeltdiskriminierung nach wie vor von großer Relevanz ist und eine abschließende Klärung durch höchstrichterliche Entscheidung erforderlich sein könnte.
Fazit: Kleine Fortschritte im Kampf gegen Entgeltdiskriminierung
Das Urteil des LAG Baden-Württemberg zeigt, dass das Entgelttransparenzgesetz ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung geschlechtsbezogener Diskriminierung ist. Gleichzeitig verdeutlicht es aber auch die Grenzen der Durchsetzung solcher Ansprüche in der Praxis. Unternehmen sollten sich der Gefahr bewusst sein, dass Ungleichbehandlungen innerhalb der Entgeltstruktur zu Klagen führen können. Arbeitgeber sind gut beraten, ihre Vergütungsmodelle auf Transparenz und Gleichbehandlung zu prüfen, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Für Betroffene kann dieses Urteil ein Signal sein, ihre Rechte auf Entgeltgleichheit weiterhin einzufordern, dabei jedoch die rechtlichen Hürden im Blick zu behalten.
Gerade die Beseitigung historisch gewachsener Gehaltsunterschiede zwischen Männer und Frauen können für Unternehmen zur echten finanziellen Belastung werden. Der Unterschied kann nicht etwa dadurch verringert werden, dass den Männern etwas genommen und den Frauen dafür etwas gegeben werden kann, sodass die Personalkosten gleichbleiben, sondern Zuschläge bei dem beschäftigten Frauen treiben die Personalkosten. Gleichzeitig verringert sich der Spielraum der Männer einseitig Gehaltserhöhungen zu fordern, jedenfalls dann, wenn hierdurch Arbeitgeber befürchten müssen, Begehrlichkeiten der weiblichen Belegschaft zu wecken.