Die Elternzeit ist eine besondere Phase im Leben eines Arbeitnehmers, die mit einer Vielzahl rechtlicher Regelungen und Fragestellungen einhergeht. Ein häufig diskutiertes Thema sind dabei die Urlaubsansprüche, die während der Elternzeit entstehen oder bestehen bleiben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem aktuellen Urteil vom 16. April 2024 (Az. 9 AZR 165/23) zentrale Grundsätze zur Berechnung und Abgeltung von Urlaubsansprüchen nach der Elternzeit aufgestellt. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Aspekte dieses Urteils und erklärt, was Arbeitnehmer und Arbeitgeber beachten müssen.
Rechtslage: Urlaubsansprüche während der Elternzeit
Die Elternzeit wird durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) geregelt. Gemäß § 17 Abs. 1 BEEG hat der Arbeitgeber das Recht, den Urlaub des Arbeitnehmers für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Allerdings bedarf es einer klaren Kürzungserklärung, die innerhalb des laufenden Arbeitsverhältnisses abgegeben werden muss.
Während der Mutterschutzfristen und Elternzeit entstehen Urlaubsansprüche grundsätzlich weiterhin. Für die Mutterschutzfristen regelt § 24 MuSchG, dass diese Zeiten als Beschäftigungszeiten für den Urlaubsanspruch zählen. Für die Elternzeit selbst sieht § 17 Abs. 1 BEEG vor, dass der Urlaubsanspruch zunächst ungekürzt entsteht, jedoch unter bestimmten Voraussetzungen gekürzt werden kann.
Kernaussagen des Urteils des BAG: 9 AZR 165/23
Das BAG hat im Fall einer Therapeutin entschieden, die während aufeinanderfolgender Mutterschutzfristen und Elternzeiten keine Arbeitspflichten hatte, dass Urlaubsansprüche auch während dieser Phasen entstehen. Allerdings können Arbeitgeber von ihrem Recht zur Kürzung Gebrauch machen. Entscheidend ist, dass diese Kürzungserklärung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses abgegeben wird. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann das Kürzungsrecht nicht mehr ausgeübt werden.
1. Entstehung von Urlaubsansprüchen:
Urlaubsansprüche entstehen auch während der Elternzeit, bleiben jedoch unter dem Vorbehalt einer Kürzung durch den Arbeitgeber (§ 17 Abs. 1 BEEG).
2. Kürzung nur während des Arbeitsverhältnisses möglich:
Das BAG stellte klar, dass eine Kürzung des Urlaubsanspruchs nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfolgen kann. Das Kürzungsrecht endet mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
3. Keine Verjährung während der Elternzeit:
Die Verjährung von Urlaubsansprüchen ist während der Elternzeit ausgesetzt, da während der suspendierten Arbeitspflicht keine Möglichkeit besteht, den Urlaub zu nehmen. Dies ergibt sich aus einer unionsrechtskonformen Auslegung der §§ 7 Abs. 3 BUrlG und 17 Abs. 2 BEEG.
4. Urlaubsabgeltung:
Nach § 7 Abs. 4 BUrlG besteht ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung, wenn das Arbeitsverhältnis endet und der Urlaub nicht mehr genommen werden kann. Die Höhe richtet sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst in den letzten 13 Wochen vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 11 BUrlG).
Praktische Hinweise für Arbeitgeber
Arbeitgeber sollten proaktiv über bestehende Urlaubsansprüche ihrer Mitarbeiter während der Elternzeit informiert sein. Es ist ratsam, frühzeitig über eine mögliche Kürzung nachzudenken und diese rechtzeitig zu erklären. Fehlt eine solche Erklärung, können Arbeitnehmer auch nach Ende der Elternzeit und Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ansprüche auf Urlaubsabgeltung geltend machen.
Wichtig ist zudem, dass die Kürzungserklärung klar und nachweisbar im laufenden Arbeitsverhältnis erfolgen muss. Ohne eine ordnungsgemäße Kürzungserklärung sind Arbeitgeber verpflichtet, die entstandenen Urlaubsansprüche finanziell abzugelten.
Praktische Hinweise für Arbeitnehmer
Arbeitnehmer sollten ihre Urlaubsansprüche nach der Elternzeit genau im Blick behalten. Es ist hilfreich, eine Übersicht über die während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche zu führen und gegebenenfalls auf die rechtzeitige Gewährung zu bestehen. Sollte das Arbeitsverhältnis enden, können Ansprüche auf Urlaubsabgeltung geltend gemacht werden. Wichtig ist, diese Ansprüche rechtzeitig schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber anzumelden.
Fazit
Das Urteil des BAG vom 16. April 2024 stärkt die Rechte von Arbeitnehmern, ihre Urlaubsansprüche auch nach Elternzeiten geltend zu machen. Arbeitgeber müssen sich ihrer Pflichten bewusst sein und rechtzeitig eine Kürzungserklärung abgeben, um finanzielle Belastungen durch nachträgliche Urlaubsabgeltungsansprüche zu vermeiden.
Für beide Seiten empfiehlt es sich, bei Unklarheiten frühzeitig juristischen Rat einzuholen, um Streitigkeiten zu vermeiden. Die rechtlichen Regelungen rund um die Elternzeit sind komplex, bieten jedoch eine klare Struktur, die bei korrekter Anwendung Rechtssicherheit schaffen kann.