Arbeitsrechtlich können verschiedene Gründe eine Kündigung rechtfertigen. Eine der komplexesten und oft rechtlich umstrittensten Arten ist die verhaltensbedingte Kündigung. Sie kommt in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer durch sein Verhalten den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ernsthaft in Frage stellt, wobei das Fehlverhalten im Einzelfall nicht ausreicht, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Aber nicht jedes Fehlverhalten berechtigt zur Kündigung. Was müssen Arbeitgeber beachten?
Es gibt keinen allgemeinen Prüfungsmaßstab für die verhaltensbedingte Kündigung. Jeder Fall muss individuell und ohne schematisches Vorgehen betrachtet werden. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 31.07.2014, 2 AZR 505/13) bietet jedoch eine hilfreiche Anleitung:
Kündigungsgrund
Es genügt nicht, wenn sich Arbeitgeber über einen Mitarbeiter geärgert haben. Deshalb ist die 1. Frage, die geklärt werden muss, ob ein triftiger Kündigungsgrund existiert. Beispiele für mögliche verhaltensbedingte Kündigungsgründe sind:
– Abwerbung von Kollegen
– Arbeitsverweigerung
– Arbeitszeitbetrug
– Beleidigung des Arbeitgebers
– Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
– Mobbing
– Nicht genehmigte Nebentätigkeit
– Verstöße gegen das Rauchverbot
… und viele mehr.
Wird durch den Kündigungsgrund das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer so stark erschüttert, dass dem kündigenden Arbeitgeber die Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist zur Beendigung nicht zugemutet werden kann, dann kommt auch eine außerordentliche, also fristlose Kündigung nach § 626 BGB in Betracht. Diese beendet mit Zugang beim Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis, während bei einer Verhaltenskündigung die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten ist.deshalb ist stets vorab zu klären, ob das, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vorwirft, nicht auch für eine fristlose Kündigung ausreicht und insbesondere die dafür erforderliche 2-wöchige Frist des § 626 Abs. 2 BGB noch nicht verstrichen ist.
Abmahnung
In den meisten Fällen ist eine Abmahnung erforderlich. Diese dient als „gelbe Karte“, mit der das Fehlverhalten aufgezeigt und die Chance gegeben wird, dieses zu korrigieren. Nur in Ausnahmefällen, bei besonders schweren Pflichtverstößen, kann auf eine Abmahnung verzichtet werden. Wird eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen, ohne dass eine Abmahnung vorliegt, dann ist diese meist bereits aus formellen Gründen unwirksam.
Interessenabwägung
Eine essentielle Rolle spielt die abschließende Interessenabwägung. Dabei muss das Interesse des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses schwerwiegender sein als das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand.
Prüfungskriterien im Fokus
Wenn Arbeitgeber über eine verhaltensbedingte Kündigung nachdenken, sollten sie folgende Fragen klären:
– Liegt tatsächlich ein Fehlverhalten vor?
– Gibt es einen echten Kündigungsgrund?
– War das Handeln vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig?
– Wurde der betroffene Mitarbeiter angehört?
– Kann erneutes Fehlverhalten erwartet werden?
– War eine Abmahnung entbehrlich oder erfolgte sie?
– Gibt es mildere Maßnahmen als die Kündigung?
– Fällt die Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers aus?
– Besteht kein Sonderkündigungsschutz?
Fazit:
Bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss sorgfältig geprüft und abgewogen werden. Eine voreilige Entscheidung ohne rechtliche Fundierung kann zu teuren Kündigungsschutzklagen führen. Es empfiehlt sich daher, bei Unsicherheiten rechtlichen Rat einzuholen und jeden Fall individuell zu betrachten. Denn auch die Arbeitsgerichte schauen genau hin.
Wenn Sie darüber nachdenken, einen Mitarbeiter verhaltensbedingte oder gar fristlos zu kündigen, dann beraten wir Sie hierzu gerne. Ebenso, wenn Sie als Arbeitnehmer eine verhaltensbedingte Kündigung oder fristlose Kündigung erhalten haben. Da die Anforderungen hoch sind, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass durch Einreichung einer Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht ihre Situation deutlich verbessert wird. Dies erst recht, wenn der Arbeitgeber einen „Schuss aus der Hüfte“ abgegeben hat, also die Kündigung ausgesprochen wurde, ohne diese entsprechend gut vorzubereiten.