Im Zivilprozessrecht gelten strenge Beweisgrundsätze. Diejenige Partei, die etwas für sich selbst Günstiges behauptet, muss regelmäßig nicht nur darlegen, sondern auch entsprechenden Beweis anbieten. Ein beliebtes Beweismittel ist dabei der Zeugenbeweis, indem also natürliche Personen zur Stützung des eigenen Sachvortrags vernommen werden sollen. Die Grenze, wann eine ein solcher Beweisantritt zulässig ist und wann es sich um einen sog. unzulässigen Ausforschungsbeweis handelt, ist fließend. Die Instanzgerichte machen dabei oft Fehler in der einen oder anderen Richtung, wobei nach unserer Erfahrung oftmals vom Gericht auch Zeugen gehört werden, die an sich, da es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handelt, nicht hätten gehört werden dürfen.
Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat nunmehr in seinem Beschluss vom 19.12.2013 (152/11) entschieden, dass dann, wenn ein Gericht ein Beweisangebot zu Unrecht abgelehnt, weil es von einem unzulässigen Ausforschungsbeweis ausgeht, darin ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu sehen ist und dazu ausgeführt:
„…Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 15 Abs. 1 VvB garantiert – inhaltsgleich mit Art. 103 Abs. 1 GG – den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zum Sachverhalt und zur Rechtslage vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Dem Recht der Parteien, sich im Verfahren mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten, entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (Beschluss vom 19. Juni 2013 – VerfGH 147/12 – Rn. 19; st. Rspr.). In diesem Sinne gebietet Art. 15 Abs. 1 VvB in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (Beschluss vom 23. Januar 2013 – VerfGH 11/12 – Rn. 15). Zwar ist das Gericht nicht gehindert, Vortrag der Beteiligten einschließlich ihrer Beweisanträge aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unbeachtet zu lassen. Das gilt namentlich dann, wenn das Gericht einen Vortrag nicht für ausreichend substantiiert oder sonst aus Rechtsgründen für unerheblich hält. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes ist jedoch dann mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör nicht mehr vereinbar, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (Beschlüsse vom 19. März 2013 – VerfGH 113/11 und 114/11 – jeweils Rn. 21, m. w. N.; st. Rspr.).Das ist unter anderem dann der Fall, wenn ein Gericht verkennt, dass die Ablehnung eines Beweises für eine erhebliche Tatsache nur zulässig ist, wenn diese so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie ins Blaue hinein aufgestellt worden ist (Beschlüsse vom 23. Januar 2013, a. a. O. und 19. März 2013, a. a. O.; vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2012 – 1 BvR 1819/10 -, juris Rn. 15 f.; vgl. auch BGH, NJW-RR 2009, 1236 und BGH, Beschluss vom 12. September 2013 – V ZR 291/12 -, juris Rn. 10 f.).
Diesen Maßstäben wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht.
2. Das Absehen von einer Vernehmung der zum Beweis der 23 Vertragsabschlüsse angebotenen Zeugen findet mit der vom Landgericht gegebenen Begründung keine Stütze im Prozessrecht. Weder diente die Benennung der Zeugen hier dazu, Tatsachen in Erfahrung zu bringen, die genaueres Vorbringen oder die Benennung weiterer Beweismittel erst ermöglichen (sog. Ausforschungsbeweis), noch waren die Angaben der Beschwerdeführerin zu unsubstantiiert oder pauschal, um die Beweiserheblichkeit ihres bestrittenen Vortrags beurteilen zu können. Nach der – bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 15 Abs. 1 VvB im Verfassungsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legenden – Rechtsansicht des Landgerichts war im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich, ob die 23 vorgelegten geschwärzten Verträge tatsächlich abgeschlossen wurden (Urteilsabdruck S. 9, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. März 2009 – I ZR 44/06 – Resellervertrag). Hierzu hätten die Zeugen nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin anhand der Vertragsnummern mit Hilfe der von ihnen unterhaltenen Datenbank bekunden sollen, ob dem jeweiligen Vertragsschluss eine Abmahnung vorangegangen war oder ob er unabhängig hiervon getätigt wurde. Die Identität der an den behaupteten Vertragsschlüssen beteiligten Gewerbetreibenden war für die behaupteten Vertragsabschlüsse allenfalls mittelbar von Belang, etwa zur Nachprüfung auftretender Zweifel an ihrer Existenz. Darüber hinaus mag die Vorlage geschwärzter Kopien einer Verwertung im Wege des Urkundenbeweises entgegengestanden haben (vgl. § 416 ZPO). Für die prozessuale Zulässigkeit des angetretenen Zeugenbeweises kam es hierauf indes nicht an. Insoweit kann auch offen bleiben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Landgericht von den Zeugen Angaben zu den jeweiligen Vertragspartnern verlangen kann (vgl. dazu BGH, Urteile vom 19. November 2008 – VIII ZR 138/07 -, juris Rn. 45 ff., und vom 20. Juli 2010 – EnZR 23/09 -, juris Rn. 35). Ebenso bedarf keiner weiteren Erörterung, wie der Hinweis des Landgerichts in seinem Schreiben vom 13. Juli 2010 zu beurteilen ist, dass der Nachweis „durch ein zur Verschwiegenheit verpflichtetes Wirtschaftsprüfungsinstitut, das seine gutachtlichen Feststellungen ohne Namensnennung zu erstatten hätte“, zu führen ist (zu einem derartigen sog. „Wirtschaftsprüfervorbehalt“ vgl. Prütting, in: Münchener Kommentar, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 285 Rn. 11). Auch die Frage, auf welche andere Weise im Zivilprozess der Konflikt zwischen der Wahrung berechtigter Interessen des Klägers oder Dritter an der Geheimhaltung schutzwürdiger Tatsachen oder Daten und der Gewährung effektiven Rechtsschutzes einerseits sowie des Prozessgegners an einer Offenlegung aller entscheidungserheblichen Tatsachen zur Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör andererseits gelöst werden kann, stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. November 2008, a. a. O. Rn. 47 unter Hinweis auf die prozessualen Möglichkeiten nach §§ 172 ff. GVG; zur Frage eines „in camera“-Verfahrens vgl. Bornkamm, in: Festschrift für Eike Ullmann, 2006, S. 893 ff. auch unter Bezugnahme auf BVerfGE 101, 106 <128 ff.> und Bahner, Geheimnisschutz im Zivilprozess, 2013; ein solches Geheimverfahren ablehnend Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 357 Rn. 4; Laumen, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 5. Aufl. 2013, § 285 Rn. 6 f).“
Anmerkung:
Wird also seitens eines Gerichts ein Beweismittel abgelehnt, dann sollte stets geprüft werden, ob dadurch nicht der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde. Dass im vorliegenden Fall der Weg zum Landesverfassungsgericht beschritten werden konnte, liegt daran, dass der Rechtsweg erschöpft worden war. Im Normalfall wird deshalb die Verletzung rechtlichen Gehörs entweder im Berufungsverfahren bzw. Revisionsverfahren gerügt. Kommt ein Rechtsmittel nicht Betracht, dann ist auch eine sog. Gehörsrüge denkbar.