Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz „Wer stiehlt und schlägt der fliegt“. Dies bedeutet, dass Vermögensschädigungen des Arbeitgebers oder tätliche Angriffe regelmäßig eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Diese Erfahrung musste auch eine Kassiererin eines Supermarkts machen, die sich zum Nachteil des Arbeitgebers einen Pfandbon über 3,25 € ausgestellt und das Geld aus der Kasse entnommen hatte, ohne Leergut abgegeben zu haben. Die vom Arbeitgeber daraufhin ausgesprochene fristlose Kündigung ist vom LAG Düsseldorf (Urteil vom 07.12.2015 – 7 Sa 1078/14) bestätigt worden.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in Verbindung mit dem unstreitigen Sachverhalt und der eigenen Einlassung der Klägerin steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass die Klägerin am 18.12.2013 zu ihren Gunsten einen Pfandbon erstellt und sich 3,25 € aus der Kasse genommen hat, ohne zuvor Leergut in die dafür vorgesehene Leergutbox gelegt zu haben….Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung muss auch die Interessenabwägung zu Gunsten der Beklagten ausgehen. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts war daher abzuändern….
1. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist zunächst festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben.
Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche – ggf. strafbare – Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen, und zwar auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (vgl. BAG, Urteil vom 16.12.2010, 2 AZR 485/08, Rn. 18; Urteil vom 10.10.2010, 2 AZR 541/09, Rn. 26, jeweils zitiert nach juris). Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (vgl. BAG, Urteil vom 21.06.2012, 2 AZR 153/11, zitiert nach juris).
Gemessen an diesen Voraussetzungen ist der streitgegenständliche Kündigungsvorwurf an sich geeignet, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu rechtfertigen. Erstellt ein Arbeitnehmer einen falschen Pfandbon, um sich unter Verletzung des Vermögens seines Arbeitgebers das Pfandgeld rechtswidrig zuzueignen, verletzt er in besonders gravierender Weise seine vertraglichen Pflichten. Der mit einer derartigen Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch ist auch bei einem geringfügigen Schaden jedenfalls dann besonders gravierend, wenn der betreffende Arbeitnehmer gerade damit betraut ist, die Vermögensinteressen des Arbeitgebers zu wahren, wie dies bei einer Kassiererin der Fall ist. Die Erstellung eines falschen Pfandbons durch eine Kassiererin setzt ein aktives Verhalten des Arbeitnehmers zur Täuschung des Arbeitgebers unter Ausnutzung der übertragenen Vertrauensstellung im Hinblick auf die Vermögensinteressen des Arbeitgebers voraus, das ein besonderes Maß an krimineller Energie beinhaltet. Eine derartige Pflichtverletzung ist auch bei einem geringen Schaden ein schwerwiegender Vertrauensmissbrauch, der an sich geeignet ist, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu rechtfertigen.
2. Zur Überzeugung der Berufungskammer (§ 286 ZPO) steht fest, dass die Klägerin die ihr vorgeworfene Pflichtverletzung auch begangen hat. Die Überzeugung der Berufungskammer gründet auf dem unstreitigen Inhalt der Videosequenz und dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Aussage des Zeugen I. über den Inhalt der gelöschten Videosequenz, für die kein Beweisverwertungsverbot besteht.
…
6. Auch die in jedem Fall gebotene Interessenabwägung führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Zu Gunsten der Klägerin ist ihre lange, nach dem Akteninhalt unbeanstandete Tätigkeit für die Beklagte zu berücksichtigen. Auch ist der eingetretene Schaden denkbar gering. Allerdings ist der damit verbundene Vertrauensverlust immens. Die Klägerin hat nicht etwa nur – sozusagen bei Gelegenheit und durch ein „Augenblicksversagen“ – die Vermögensinteressen der Beklagten geschädigt, sondern durch eine gezielte und geplante Handlung. Sie hat die ihr eingeräumte Vertrauensposition in einem unbeobachteten Augenblick ausgenutzt, um sich einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil zu verschaffen. Dadurch ist auf Seiten der Beklagten ein irreparabler Vertrauensverlust eingetreten, der auch durch die Dauer der Beschäftigung der Klägerin nicht aufgewogen werden kann.
Danach ist die seitens der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet.“
Anmerkung:
Die Rechtsprechung ist bei Vermögensschädigungen des Arbeitgebers, wie der Fall zeigt, zwischenzeitlich gnadenlos, so dass auch Kleinbeträge selbst bei langjährigen Beschäftigungsverhältnissen eine fristlose Kündigung rechtfertigen können. Nur wer ehrlich ist riskiert nicht den Verlust seines Arbeitsplatzes.