Wer eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erhält, ist oft versucht, sich damit zu verteidigen, dass diese wegen Rechtsmissbrauch iSv § 8 Abs. 4 UWG unzulässig gewesen sei. Auch, wenn der Verdacht oft auf der Hand liegt, dass ein Gebührenerzielungsinteresse im Vordergrund steht, so ist dies in der Praxis meist nicht nachweisbar und findet daher bei Gericht nur selten Gehör.
Was aber ist, wenn zunächst der Abgemahnte die Abmahnung für zulässig erachtet hat und deshalb eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, nachträglich er aber Kenntnis erlangt, dass Rechtsmissbrauch vorgelegen hat? Greift der Grundsatz pacta sunt servanda (= Verträge sind einzuhalten) ein, ist also der Unterlassungsverpflichtungsvertrag trotzdem bindend, oder besteht die Möglichkeit nunmehr den Rechtsmissbrauch einer etwaig verwirkten Vertragsstrafe entgegenzuhalten oder gar dem Unterlassungsverpflichtungsvertrag zu kündigen?
Damit hat sich das KG Berlin in seinen Entscheidungen vom 09.12.2016 (5 U 163/15 und 5 W 27/16) befasst und sowohl ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB hinsichtlich des Unterlassungsverpflichtungsvertrags bejaht als auch entschieden, dass einer geltend gemachten Vertragsstrafe der Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB als Einwand entgegengehalten werden kann.
Kollusives Zusammenwirken zwischen Anspruchsteller und Rechtsanwälten macht Vertragsstrafeverlangen rechtsmissbräuchlich
Das Gericht hat den Rechtsmissbrauch iSv § 8 Abs. 4 UWG damit bejaht, dass der Anspruchsteller im maßgeblichen Zeitraum lediglich einen Gewinn vor Steuern von rund 80.000 € erzielt hatte, während aufgrund verschiedener Tätigkeiten alleine gegenüber seinen Rechtsvertretern, denen er sämtliche Zahlungsansprüche, auch solche auf Zahlung von Vertragsstrafe abgetreten hatte, Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 65.000 € angehäuft hat. Er hatte insoweit auch eingeräumt, dass er finanzielle Probleme habe. Das Gericht hat deshalb ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem Anspruchsteller und seinen Rechtsanwälten unterstellt.
Von einem kollusiven Zusammenwirken ist, so die Richter, nämlich nicht nur dann auszugehen, wenn der Rechtsanwalt den Mandanten von dem eingegangenen Kostenrisiko freistellt. Im Ergebnis trägt der Abmahner und Anspruchsteller auch dann kein Kostenrisiko, wenn seine wirtschaftlichen Verhältnisse so gestaltet sind oder werden, dass seine Gläubiger weder aktuell noch in Zukunft Aussicht haben, ihre Forderungen zu realisieren. Da das Risiko von Erfolg und Misserfolg des außergerichtlichen und gerichtlichen Vorgehens des überschuldeten Anspruchstellers vollständig dem Inanspruchgenommenen aufgebürdet wird, ergibt sich ein zusätzlicher und gewichtiger Aspekt, der den Vorwurf des Missbrauchs begründet.