Schlechte Zeiten für Volkswagen. Nun hat erstmalig ein Gericht in Deutschland, nämlich das Landgericht Hildesheim, in seinem Urteil vom 17.01.2017 (3 O 139/16) die Volkswagen AG dazu verurteilt dem Käufer eines Diesel-PKW, den dieser in einem Autohaus im Jahr 2013 erworben hatte, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzubezahlen. Das Gericht sah es dabei als erwiesen an, dass der Käufer durch den Einsatz der Schummelsoftware vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden ist. Das Landgericht München I hatte bereits zuvor mit Urteil vom 14.04.2016 (23 O 230033/15) ebenfalls der Klage eines Käufers stattgegeben, dabei aber die Verurteilung lediglich auf Mangelhaftigkeit der Kaufsache gestützt.
Kläger erwirbt im Jahr 2013 einen PKW Skoda Yeti 2.0 TDI Eleganz Plus Edition zum Neupreis von 26.499,99 €
Der Kläger hatte im Jahr 2013 von einem Autohaus in Gifhorn einen PKW Skoda Yeti 2.0 TDI Elegance Plus Edition zum Neupreis von 26.499,99 € erworben. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten Dieselmotor ausgestattet.
Gericht sieht im Einsatz der Schummelsoftware eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Käufers durch Volkswagen
Das Gericht hatte zunächst festgestellt, dass die Motorsteuerung des PKW so programmiert ist, dass der Wagen bei der Messung der Schadstoffemissionen auf einem Prüfstand dies erkennt und weniger Stickoxide abgibt als dies im Echtbetrieb auf der Straße der Fall ist. Dies sei, so das Gericht, eine gesetzeswidrige Manipulation der Motorsteuerung, die gegen europäische Vorgaben zur Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen verstößt. Der von Volkswagen vertretenen Auffassung, dass es nicht auf die Emissionswerte des Fahrzeugs im Straßenbetrieb, sondern allein auf die Emissionswerte unter Laborbedingungen im Prüfbetrieb ankomme, vermochte das Gericht nicht zu folgen. Ganz im Gegenteil. In einer ausschließlich auf den Testzyklus zugeschnitten Programmierung der Abgasbehandlung, könne nach Ansicht des Gerichts nur eine unzulässige Umgehung der einschlägigen Vorschriften gesehen werden.
Durch diese Manipulation habe die Beklagte dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Art und Weise, § 826 BGB, einen Schaden zugefügt und darüber hinaus den Tatbestand des Betruges verwirklicht: Kein verständiger Kunde würde ein Fahrzeug mit einer nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware erwerben – der Kläger habe nicht das bekommen, was ihm aus dem Kaufvertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug.
Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte müsse davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die Softwaremanipulation vorsätzlich vorgenommen habe. Die Beklagte habe im Prozess nicht dargelegt, wie es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen sei, wer dies entschieden oder zumindest davon gewusst habe. Der Vortrag „man kläre gerade die Umstände auf“, ohne dass bereits konkrete Ergebnisse vorliegen, sei schon in Anbetracht des Zeitablaufs seit Entdeckung der Manipulation unzureichend und im Übrigen auch unglaubhaft. Bei dem Einsatz der Motorsteuerungssoftware handele es sich um eine Entscheidung mit enormer wirtschaftlicher Reichweite, bei der kaum anzunehmen sei, dass sie von einem am unteren Ende der Betriebshierarchie angesiedelten Entwickler in eigener Verantwortung getroffen wurde.
Keinesfalls könne das Vorgehen der Beklagten als „Kavaliersdelikt“ oder als „lässliche Sünde“ angesehen werden. Es handele sich um eine Verbrauchertäuschung, die als ebenso verwerflich einzustufen sei, wie in der Vergangenheit etwa die Beimischung von Glykol in Wein oder von Pferdefleisch in Lasagne. Die Beklagte habe mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile erzielen wollen.
Der Kläger hat nach Auffassung der Richter Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises und nicht nur eines etwaigen Minderwertes. Die technischen Folgen der Softwaremanipulation und des dadurch erforderlich gewordenen Updates seien nicht abzuschätzen. Das Risiko eines erhöhten Wartungsaufwandes oder von vorzeitigen Motorschäden sei nicht auszuschließen. Gegenteilige Erklärungen habe die Beklagte nicht abgegeben. Daher müsse sie die wirtschaftlichen Folgen des Kaufes dadurch ungeschehen machen, dass sie den Kaufpreis gegen Rückgabe des Fahrzeuges erstatte.
Unser Kommentar
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, kann also von Volkswagen mit der Berufung angegriffen werden. Das in Anbetracht der Brisanz der Entscheidung Volkswagen das Urteil nicht akzeptieren wird und akzeptieren kann, denn, wenn die Entscheidung Bestand hat, wäre das wohl der Anfang vom Ende des Volkswagenkonzerns, liegt auf der Hand. Die Einlegung der Berufung wurde deshalb bereits in der Presse angekündigt.
Die Argumentation der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, die hier die Richter überzeugt hat, ist übrigens nicht neu. Sie wird teilweise auch in Schadensersatzklagen von amerikanischen Großkanzleien gegen Volkswagen, so oder in ähnlicher Weise, verwendet.
Ob die Entscheidung tatsächlich Bestand haben wird, bleibt abzuwarten, denn losgelöst davon, dass ein solches Urteil auch ein „Politikum“ ist, weil dann, wenn Volkswagen sämtliche Dieselfahrzeuge, die in den letzten Jahren verkauft worden sind, zurücknehmen und den Kaufpreis erstatten müsste, dies vermutlich der Konzern finanziell nicht stemmen könnte, so sind die Hürden, für einen Anspruch aus vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durchaus hoch. Wir selbst haben erst einen solchen Rechtsstreit beim Amtsgericht München gegen einen Münchner Rechtsanwalt, der Kostenerstattungsbetrug begangen hatte, geführt und überraschend, jedenfalls erstinstanzlich, verloren. Der Anwalt hatte im Rahmen eines Rechtsstreits gegenüber seiner Mandantschaft aufgrund einer Honorarvereinbarung lediglich rund 500 € an Honorar abgerechnet, aber gleichwohl im Kostenfestsetzungsverfahren gegen die unterlegene Partei rund 1.800 € zur Kostenfestsetzung angemeldet und diesen Betrag dann auch unverzüglich, unter Androhung der Zwangsvollstreckung, von der unterlegenen Partei erhalten. Den so erwirtschafteten „Überschuss“ hat er dazu verwendet, anderweitige offene Forderungen seiner Kanzlei gegen die eigene Mandantschaft zu tilgen. Obwohl im Zivilprozess Kostenerstattung bedeutet, dass nur diejenigen Kosten ersetzt werden, die der obsiegen Partei auch tatsächlich entstanden sind und kein Überschuss erwirtschaftet werden darf, so dass ein klarer Rechtsverstoß des Rechtsanwalts vorliegt, hat gleichwohl das Amtsgericht München die Klage zurückgewiesen. Begründet hat es seine Entscheidung damit, dass die Klagepartei nicht den Nachweis geführt habe, dass der Anwalt auch mit Vorsatz gehandelt habe. Dieser hatte sich in seiner Klageerwiderung zwar zunächst nur damit verteidigt, dass seine mit der eigenen Partei getroffene Honorarvereinbarung unwirksam sei und er deshalb nachträglich gegen die eigene Partei einen Anspruch auf Bezahlung von gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren habe, so wie diese im Kostenfestsetzungsverfahren von der Gegenseite verlangt worden sind. Dazu, dass er nicht vorsätzlich gehandelt habe, hat er überhaupt nichts vorgetragen. Da die Argumentation des Anwalts aber nicht stichhaltig war und zu einer Verurteilung hätte führen müssen, kam ihm das Gericht dann dahingehend „zur Hilfe“, dass es ihn zur Frage des Vorsatzes in der mündlichen Verhandlung eigeninitiativ angehört und ihm dann die (bestrittene) Einlassung entlockt hat, dass die Kostenfestsetzung nicht von ihm, sondern von seinem Sekretariat vorgenommen worden sei, und auch nicht er, sondern sein Sozius den Kostenfestsetzungsantrag unterschrieben habe und er zu dem Zeitpunkt, als er zur Durchsetzung der titulierten Forderung die Zwangsvollstreckung angedroht hatte, keine Erinnerung mehr daran gehabt habe, dass er aufgrund einer bestehenden Honorarvereinbarung gegenüber der eigenen Partei weniger abgerechnet hat als er vom Gegner verlangt. Dies hat dem Gericht dann ausgereicht, um die Klage abzuweisen, wie klägerseits der Vorsatz nicht nachgewiesen sei. Auch hier ist das Urteil nicht rechtskräftig. Es verdeutlicht aber, hier wie da, dass man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand ist, so dass für Volkswagen durchaus noch Hoffnung auf eine Abänderung der Entscheidung im Berufungsverfahren besteht.