Wer in einem Testament als bloßer Vorerbe eingesetzt worden ist, der ist oftmals, jedenfalls dann, wenn diese Stellung nicht in Absprache mit dem Erblasser gewählt worden ist, bitter enttäuscht, weil er aufgrund seiner Stellung den Nachlass zwar nutzen, nicht aber über diesen verfügen kann und oft auch in vielerlei Hinsicht Einschränkungen und Verpflichtungen unterliegt. Es stellt sich daher schnell die Frage, unter welchen Umständen ein Vorerbe besser den Weg des Pflichtteils wählt anstelle der Annahme der Erbschaft. Diese Entscheidung kann weitreichende finanzielle und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und sollte daher wohlüberlegt sein. Der folgende Artikel soll einen Überblick über die relevanten gesetzlichen Regelungen geben, insbesondere im Kontext des § 2306 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), und beleuchtet die Voraussetzungen und Folgen der Wahl zwischen Vorerbschaft und Pflichtteil.
Was ist ein Vorerbe?
Bevor wir uns mit der spezifischen Regelung des § 2306 BGB beschäftigen, ist es wichtig zu verstehen, was unter einem Vorerben zu verstehen ist. Der Vorerbe ist eine Person, die vom Erblasser als Erbe eingesetzt wird, aber mit der Maßgabe, dass nach seinem Tod das Vermögen an einen weiteren, den Nacherben, übergehen soll. Diese Konstellation findet oft in Familien statt, wo beispielsweise der überlebende Ehepartner zunächst Vorerbe wird und die Kinder als Nacherben eingesetzt sind. Während dies meist planmäßig erfolgt, also der Ehegatte in die Überlegungen mit einbezogen wird, sind oft Kinder, denen lediglich die Stellung als Vorerbe zugedacht wird, wenn die Enkelkinder Nacherben sind, bitter enttäuscht.
Die Wahl zwischen Vorerbschaft und Pflichtteil
Nach § 2306 Abs. 1 BGB hat der Vorerbe das Recht, die Erbschaft auszuschlagen, wenn er nur unter Beschränkungen und Verpflichtungen als Erbe eingesetzt ist, die seine Stellung wesentlich beeinträchtigen. Diese Regelung ermöglicht es dem Vorerben, sich gegen eine möglicherweise belastende Erbschaft zu entscheiden und stattdessen den Pflichtteil zu beanspruchen, der ihm mindestens die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils sichert.
Voraussetzungen für die Ausschlagung
Die Ausschlagung muss innerhalb einer Frist von sechs Wochen erfolgen, nachdem der Erbe von der Anordnung der Testamentsvollstreckung Kenntnis erlangt hat (§ 1944 BGB). Diese Frist ist strikt zu beachten, und die Ausschlagung muss gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden. Ein einfaches Schreiben genügt nicht. Die Ausschlagung muss entweder direkt beim Nachlassgericht zu Protokoll des Rechtspflegers erklärt werden oder in notariell beglaubigter Abschrift beim Nachlassgericht eingehen.
Folgen der Ausschlagung
Schlägt der Vorerbe die Erbschaft aus, tritt er seine Position und alle damit verbundenen Rechte und Pflichten ab. Er erhält stattdessen seinen Pflichtteil, der die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils beträgt. Er ist also nicht mehr unmittelbar am Nachlass beteiligt, sondern hat nunmehr nur noch einen auf Geld gerichteten Anspruch gegen denjenigen oder diejenigen, die in Folge der Ausschlagung nun an seine Stelle zu Erben berufen sind.
Fazit
Die Regelung des § 2306 BGB stellt einen wichtigen Mechanismus dar, um die Interessen des Vorerben zu schützen, indem sie ihm erlaubt, eine potenziell belastende Erbschaft zu vermeiden. Für Erblasser und Erben ist es gleichermaßen wichtig, die rechtlichen Konsequenzen einer solchen Gestaltung des Nachlasses zu verstehen. Die Entscheidung, ob ein Vorerbe die Erbschaft ausschlagen sollte, erfordert eine sorgfältige Abwägung der persönlichen und finanziellen Umstände. Sie sollte wegen der weitreichenden Konsequenzen nicht vorschnell ohne qualifizierte juristische Beratung erfolgen.
Sind auch Sie zum Vorerben berufen und überlegen, ob Sie ausschlagen sollen, dann beraten und unterstützen wir Sie gerne, bundesweit. Aufgrund des kurzen Zeitfensters, das Ihnen für die Ausschlagung zur Verfügung steht, sollten Sie noch heute einen Beratungstermin vereinbaren.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.