Wer sich arbeitsunfähig krank meldet, obwohl er nicht krank ist, der riskiert – gleichgültig ob Arbeitnehmer oder Auszubildender – eine fristlose Kündigung. Es kommt dabei auch nicht maßgeblich darauf an, ob es sich bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung um eine Gefälligkeitsbescheinigung oder um eine erschlichene Bescheinigung gehandelt hat (Arbeitsgericht Siegen, Urteil vom 17. März 2022, 5 Ca 1849/21).
Krafttraining trotz Krankmeldung
Der Kläger war bei der Beklagten, die ein Fitnessstudio betreibt, als Auszubildender zum Sport- und Gesundheitstrainer beschäftigt. Nachdem er eine schulische Prüfung nicht bestanden hatte und ein Termin für die Nachprüfung auf den 5./06.10.2021 angesetzt war, erschien er am 06.10.2021 im Betrieb der Beklagten, und legte für die Zeit vom 05. – 07.2021 eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Danach begann er zu trainieren und absolvierte ein intensives Krafttraining. An der Prüfung der Berufsschule nahm er dagegen nicht Teil.
Noch am gleichen Tag kündigte die Beklagte das Ausbildungszeugnis fristlos. Dagegen wehrte er sich mit der Kündigungsschutzklage und behauptete am 06.10.2021 „spontan“ genesen zu sein.
Gericht glaubt nicht an spontane Genesung
Die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, obwohl keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, stelle eine ganz erhebliche Pflichtverletzung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dar, so die Richter. Der Kläger habe sich diese nur ausstellen lassen, um nicht an der Prüfung teilnehmen zu müssen. In Wahrheit sei er aber nie arbeitsunfähig krank gewesen. Dass er spontan am 06.10. 2021 genesen sei, vermochten die Richter nicht zu glauben. Dem Arbeitgeber sei eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar. Kein Arbeitgeber müsse es hinnehmen, dass ein Auszubildender falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorliegt, um sich anstehenden Prüfungen zu entziehen. Dies erst recht, wenn er sich so wie hier, um eine Nachholprüfung handle.
Anmerkung:
Einer AU-Bescheinigung kommt nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ein hoher Beweiswert zu, wenn diese ordnungsgemäß ausgestellt ist. Arbeitsgerichte haben da im Regelfall dem Beweis der Arbeitsunfähigkeit mit Vorlage der AU-Bescheinigung als erbracht anzusehen. Der Arbeitgeber kann allerdings den Beweiswert erschüttern und zwar:
- Ankündigung der Krankheit durch den Arbeitnehmer.
- Der Arbeitnehmer übt während der Arbeitsunfähigkeit eine mit der Krankheit nicht zu vereinbarende Nebentätigkeit oder sonstige Aktivitäten aus, z. B. Arbeit auf seinem landwirtschaftlichen Anwesen, Mithilfe beim Bau des eigenen Hauses, Besuch von Kirmesveranstaltungen.
- Mehrere gekündigte oder ermahnte Arbeitnehmer erkranken gleichzeitig.
- Der Arbeitnehmer erkrankt auffällig häufig oder auffällig häufig für kurze Dauer, oder aber der Beginn der Arbeitsunfähigkeit fällt häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche.
- Die Arbeitsunfähigkeit wird von einem Arzt festgestellt, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
- Der Arbeitnehmer hat angekündigt, in jedem Fall in einem bestimmten Zeitraum der Arbeit fernzubleiben.
Gelingt es dem Arbeitgeber den Beweiswert zu erschüttern, dann muss der Arbeitnehmer nunmehr seinerseits die Arbeitsunfähigkeit ausreichend darlegen und beweisen, indem er die Art der Krankheit offenbart, Ursachen angibt und andere Verhaltensweisen rechtfertigt. Gegebenenfalls muss auch der behandelnde Arzt von der Schweigepflicht entbunden werden.
Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber Glück und der Auszubildende Pech gehabt, weil er sich doch recht dümmlich verhalten hat, trotz Krankmeldung im Betrieb ein Krafttraining zu absolvieren. In der Praxis taucht die Problematik vielmehr oft dadurch auf, dass Auszubildende, aber auch Arbeitnehmer, sich krank melden, gleichwohl aber der Arbeitgeber oft den Eindruck hat, dass keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, weil dann solche Kandidaten oft über soziale Mediakanäle ihr ausschweifende Leben außerhalb des Berufs anschaulich dokumentieren. Gleichwohl reicht dies oft nicht aus, um eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit zu belegen, weil Arbeitnehmer auch bei Arbeitsunfähigkeit, wenn nicht gerade ein Fall der Bettlägerigkeit vorliegt, nicht gezwungen sind, zu Hause oder gar Bett zu bleiben. Von daher können schonende Arbeitnehmer meistens nur dann überführt werden, wenn der Arbeitgeber schwere Geschütze aufhört, und mittels Detektei den Arbeitnehmer überwachen lässt. Das Problem ist nicht unbekannt, aber systemimmanent, weil viele Ärzte gnadenlos auf Wunsch Krankschreibungen ausstellen. Dabei spielt unredlichen Arbeitnehmern auch in denn, dass dann, wenn es eine Arztpraxis ablehnt, sich sicherlich ohne großen Aufwand eine andere findet, die bedenkenlos die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.