Beim Geld hört sich bekanntlich die Freundschaft auf. Deswegen sehen manche Vermieter auch rot, wenn der Mieter plötzlich keine Miete mehr bezahlt. Am liebsten würden sie eigenhändig den Mieter rausschmeißen und das Schloss austauschen. Da allerdings das Gewaltmonopol in Deutschland beim Staat liegt, ist verbotene Eigenmacht, wie ein solches Verhalten im Juristendeutsch genannt wird, aus Vermietersicht, auch wenn bei manchen Mietern die Versuchung noch so groß sein mag, keine gute Idee, wie ein Urteil des Amtsgerichts München vom 13.06.2017 (461 C 9942/17) verdeutlicht. Dort hatte der Vermieter nicht nur den Mieter ausgesperrt, sondern auch eigenhändig die Wohnung zwangsweise geräumt und wurde nachträglich wieder dazu verurteilt den Mieter in die Wohnung zu lassen und den vormaligen Zustand wiederherzustellen, also die Räumung rückgängig zu machen.
Streit um Wirksamkeit der Befristung
Der Kläger hatte in München am 05.12.2016 ein möbliertes 1-Zimmer-Apartment gemietet. Das Mietverhältnis war befristet bis zum 01.03.2017, wobei bereits Zweifel an der Wirksamkeit der Befristung bestehen, was vorliegend aber keine Rolle spielt. Die Miete war bislang vom Sozialamt bezahlt worden. Im Mai 2017 hatte der Vermieter dem Kläger am Telefon gedroht, dass er ihn rausschmeißen werde, weil das Amt keine Miete mehr bezahlen würde.
Vermieter räumt die Wohnung eigenmächtig – verbotene Eigenmacht
Als der Mieter einige Tage später am späteren Nachmittag nach Hause kam, musste er feststellen, dass der Vermieter das Türschloss ausgetauscht hatte. Am Abend fand unter Vermittlung der Polizei ein Treffen zwischen Vermieter und Mieter statt, bei dem sich der Vermieter aber uneinsichtig zeigte und dem Mieter nicht den Zutritt gewährte. Auch nicht vorübergehend, um sich einige Dinge aus der Wohnung zu holen.
Mieter bricht in eigene Wohnung ein
Nachts ist dann der Mieter in seine eigene Wohnung eingebrochen. Als am folgenden Tag Angestellte des Vermieters die Wohnung räumen wollten und den Kläger in der Wohnung vorfanden, holten sie die Polizei. Die Polizeibeamten verwiesen darauf, dass sie für eine Räumung nicht zuständig seien, weil es sich um eine zivilrechtliche Frage handeln würde. Deshalb räumten die Angestellten des Vermieters die Wohnung kurzerhand selbst. Zutritt hatten sie dadurch erhalten, dass der Mieter der Polizei die Tür geöffnet hatte. Sie wurden an der Räumung weder durch den Mieter noch durch die Polizei gehindert.
Mieter erwirkt einstweilige Verfügung gegen Vermieter wegen verbotener Eigenmacht
Da es sich bei der eigenmächtigen Räumung durch den Vermieter um verbotene Eigenmacht iSv § 858 BGB und damit um eine Besitzstörung handelt, erwirkte der Mieter zunächst vor dem Amtsgericht München im Beschlussweg eine einstweilige Verfügung, in der das Gericht dem Vermieter aufgab, dem Mieter wieder Besitz an der Wohnung einzuräumen und die Möbel zurück in die Wohnung zu schaffen.
Vermieter spricht fristlose Kündigung aus
Der Vermieter reagierte nun so, dass er gegen den Mieter eine Strafanzeige wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Schriften erstattete. Seine Mitarbeiter hatten nämlich in den geräumten Unterlagen des Mieters comicartige Zeichnungen gefunden, die nach Auffassung des Vermieters einen solchen Verdacht rechtfertigen könnten. Zusätzlich hat der Vermieter eine Woche nach der Räumung noch eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ausgesprochen.
So „aufmunitioniert“ dachte der Vermieter, er hätte gute Karten und legte deshalb gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch ein.
Amtsgericht München weist Widerspruch zurück und bestätigt einstweilige Verfügung wegen verbotener Eigenmacht des Vermieters
Den zuständigen Richter am Amtsgericht München konnte dies allerdings nicht beeindrucken, sondern er bestätigte nun durch Urteil seine bereits im Mai 2017 im Beschlussweg erlassene einstweilige Verfügung.
Der Mieter als Besitzer dürfe, so das Gericht, wenn ihm der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen worden sei, sofort nach der Entziehung sich des Besitzes durch Entsetzung des Täters wieder bemächtigen.
Der Kläger musste sich um 19 Uhr, als die Mitarbeiter des Vermieters die Wohnung zwangsweise geräumt werden, auch nicht auf eine körperliche Auseinandersetzung mit diesen einlassen, sondern durfte noch ein paar Stunden warten, um sich in der Nacht wieder in den Besitz seiner Wohnung zu bringen.
Ansprüche der Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Wohnung stehen auch nicht rechtskräftig fest. Der Vermieter kann den Mieterschutz der §§ 573 ff. BGB nämlich nicht dadurch aushebeln, dass er den Mieter mit Gewalt aus der Wohnung wirft. Aus den auch erst nach der unzulässigen Räumung aufgefundenen Zeichnungen, die der Kläger für seinen Bruder aufbewahrt haben will, ergäbe sich, so das Gericht, keine konkrete Gefahr für Leib oder Leben Dritter.
Gerade auf einem Wohnungsmarkt, der wie der in München derart angespannt ist, kann ein Verhalten wie das der Beklagten nicht geduldet werden. Dies hat das Gericht ausdrücklich klargestellt.
Da der Vermieter uneinsichtig blieb und dies nicht glauben wollte, zog er vor das Landgericht München I und legte Berufung ein. Diese wurde mit Urteil vom 10.11.2017 zurückgewiesen, so dass das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.
Verbotene Eigenmacht gegen den Mieter kann zugleich als Hausfriedensbruch strafbar sein
Der Vermieter hat also nicht nur vor Gericht den Kürzeren gezogen und damit Ansehen gegenüber dem Mieter verloren und jede Menge Kosten produziert, die nun von ihm zusätzlich zu tragen sind, sondern derjenige, der so wie hier der Vermieter agiert, riskiert auch noch ein Strafverfahren. Da nämlich mit Abschluss des Mietvertrags der Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG nicht mehr dem Vermieter, sondern dem Mieter zusteht, begeht der Vermieter, der ohne Zustimmung des Mieters die Wohnung betritt, einen Hausfriedensbruch und macht sich nach § 123 StGB strafbar.