Vor Gericht herrscht manchmal ein recht rauer Ton. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil Prozessbeteiligte für im Rahmen eines Rechtsstreits getätigte Äußerungen sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich kaum angreifbar sind. Sind die Fronten verhärtet, was gerade oft bei Streitigkeiten um die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses der Fall ist, dann hat so mancher Arbeitnehmer einen inneren Reichsparteitag, wenn sein Anwalt kein Blatt vor den Mund nimmt und dem Arbeitgeber mal so richtig den Marsch bläst. Das, was auf den ersten Blick dem Arbeitnehmer innere Befriedigung verschafft, kann allerdings für den Prozessausgang durchaus schädlich sein, weil nämlich selbst dann, wenn die Kündigung unwirksam war und deshalb der Kündigungsrechtsstreit an sich gewonnen werden würde, dem Arbeitgeber hier die Möglichkeit eingeräumt wird, den Arbeitnehmer doch loszuwerden, indem er hilfsweise beantragt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Ein solcher Antrag ist immer dann möglich, wenn zu erwarten ist, dass zwischen den Parteien keine weitere den Betriebszwecken dienende Zusammenarbeit möglich ist. Dazu zählt auch aggressives Prozessverhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers, dass sich der Arbeitnehmer jedenfalls dann zurechnen lassen muss, wenn er sich nicht sofort davon distanziert.
Das LAG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 17.03.2016 (5 Sa 313/15) aus den vorgenannten Gründen ein Arbeitsverhältnis, bei dem die Kündigung unwirksam gewesen war, trotzdem auf Antrag des Arbeitgebers gegen Zahlung einer Abfindung beendet. Dies deshalb, weil der Prozessbevollmächtigte außergerichtlich die Vorstände der Konzernmutter angeschrieben und mit Strafanzeige und Einschaltung der Presse gedroht hatte, wenn keine innerbetriebliche Einigung erzielt wird.
Dem Rechtsstreit vorausgegangen waren massive Schikanen des Arbeitnehmers. Dieser war als Fertigungsleiter beschäftigt. Nachdem er sich dreimal geweigert hatte einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen wies der Arbeitgeber ihm, um ihn „weich zu kochen“ einen Konferenzraum im Verwaltungsgebäude als Büro zu. Die Jalousien waren geschlossen, das Licht ausgeschaltet, ein Computer nicht vorhanden und das Telefon wurde entfernt. Auch wurde ihm untersagt den Fertigungsbereich zu betreten. Dies führte dazu, dass es dem Arbeitnehmer gesundheitlich so schlecht ging, dass er arbeitsunfähig erkrankte. Das Unternehmen hörte daraufhin den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung an und warf dem Arbeitnehmer als Fertigungsleiter gravierende Mängel in seinen Sozial- und Methodenkompetenzen vor, die zu einer Beeinträchtigung des Betriebsablaufs sowie einem schweren Bruch des Vertrauensverhältnisses gegenüber dem technischen Geschäftsführer geführt hätten. Nachdem das Arbeitsverhältnis gekündigt worden war wandte sich noch vor Klageerhebung der Rechtsanwalt des Arbeitnehmers schriftlich an die 3 Vorstände der Konzernobergesellschaft. Dabei kündigte er nicht nur an das Arbeitsgericht anzurufen, sondern auch Strafanzeige zu erstatten und die Presse einzuschalten, sofern die Angelegenheit nicht Konzern intern geklärt werden kann. Einige Tage später erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage und machte Weiterbeschäftigung sowie die Zahlung von mindestens 2.000 € Schmerzensgeld geltend. Erstinstanzlich hatte das Arbeitsgericht Koblenz mit Urteil vom 30.04.2015 (5 Ca 2268/14) nicht nur die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt, sondern den Arbeitgeber auch zur Weiterbeschäftigung und Zahlung von 1.000 € Schmerzensgeld verurteilt. Im Berufungsverfahren hat der Arbeitgeber dann zusätzlich hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG beantragt und war hiermit erfolgreich.
Wie bereits zuvor das Arbeitsgericht war das LAG dabei schnell zu dem Ergebnis gelangt, dass Gründe, die eine Kündigung rechtfertigen könnten, nicht vorlägen, weil Kündigungen, die auf einer Schlechtleistung beruhen, stets eine vorherige Abmahnung verlangen, die nicht vorgelegen hatte. Auch würde der Vorwurf der mangelnden Sozial- und Methodenkompetenz nicht ausreichend erkennen lassen, welche konkreten Leistungsmängel der Arbeitgeber beanstandet hat. Auch der pauschale Vorhalt der Unzufriedenheit mit der erbrachten Arbeitsleistung reicht für eine Abmahnung nicht aus; der Vorwurf des Vertrauensbruchs beruhe auf einer reinen Spekulation.
Gleichwohl hat das Gericht dann das Arbeitsverhältnis nach den §§ 9,10 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 28.430 € brutto aufgelöst. Zwar kommt eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach der Konzeption des Gesetzes nur ausnahmsweise in Betracht. Jedoch können auch während eines Kündigungsprozesses auftretende Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen und zwar auch dann, wenn sich solches aus dem Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers ergibt und der Arbeitnehmer sich nicht nachträglich von von ihm nicht veranlassten Erklärungen distanziert.
Nach Auffassung des Gerichts hat die Drohung gegenüber der Konzernmutter mit Unannehmlichkeiten in der Öffentlichkeit, insbesondere durch die Information der Presse, die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit der Parteien entfallen lassen. Es bestand nämlich kein legitimes Interesse sich an die Konzernmutter zu wenden, um damit den beklagten Arbeitgeber in Bezug auf den Arbeitsvertrag des Klägers zum Einlenken zu bewegen.
Da aber auch das LAG zur Auffassung gelangt war, dass hier seitens des Arbeitgebers eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers stattgefunden hatte, war dies zu seinen Gunsten bei der Bemessung der Höhe der Abfindung mit berücksichtigt worden.
Anmerkung:
Mag dem Arbeitnehmer auf den ersten Blick sein Anwalt als „toller Hecht“ erschienen sein, der sich gleich an den Vorstand wendet und diesem mit dem Weg zur Presse droht, so hat er doch auf den zweiten Blick seine Mandanten einen Bärendienst erwiesen, der im Ergebnis zum Verlust des Arbeitsplatzes geführt hat. Fällt es dem Arbeitnehmer nunmehr schwer am Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen, so können jedoch für den Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche gegen seinen vormaligen Rechtsanwalt entstehen. Auch, wenn das, was der Arbeitgeber hier mit dem Arbeitnehmer angestellt hat, auf den ersten Blick grob rechtswidrig gewesen ist, so dass es menschlich durchaus verständlich ist, wenn hier das Bedürfnis besteht sich „Luft“ zu machen, so ist es nach unserem Verständnis doch Aufgabe des besonnenen Rechtsvertreters nicht ungefiltert Emotionen zu übernehmen und aufzubauen, sondern stets vorausschauend zu überlegen, welche Konsequenzen dies haben könnte. Dass gerade im Kündigungsschutzrechtsstreit manche Arbeitgeber, deren Kündigung eher wacklig ist, gerade darauf spekulieren den unliebsamen Arbeitnehmer durch einen Auflösungsantrag loszuwerden, ist deshalb zwingend von unbedachten Handlungen oder Äußerungen abzuraten, weil diese, wie der Fall zeigt, im Ergebnis zum Verlust des Arbeitsplatzes führen können.