So mancher Erblasser würde sich im Grab umdrehen, wenn er wissen würde, dass das, was er als Testament zu Papier gebracht hat, nicht das war, was er eigentlich regeln wollte. Dies deshalb, weil zwar einerseits jederzeit der letzte Wille niedergeschrieben werden kann, andererseits aber der Laie oft gar nicht genau weiß, was das, was er schreibt, rechtlich tatsächlich bedeutet und welche Auswirkungen damit verbunden sind. So hatte ein Ehepaar immer wieder privatschriftlich modifizierte Ehegattentestamenten errichtet, in denen stets geregelt war, dass auch die wechselbezüglichen Verfügungen vom überlebenden Ehegatten einseitig geändert werden können, andererseits aber gleichzeitig diese von der Zustimmung eines Dritten, nämlich des Testamentsvollstreckers (sog. Änderungsvorbehalt) abhängig gemacht. Nachdem die Ehefrau verstorben war, hatte der Erblasser dann von seiner Befugnis zur Änderung des Testaments Gebrauch gemacht, ohne dem Änderungsvorbehalt zu sprechen. Dies hat im Ergebnis dazu geführt, dass seine Änderung unwirksam war (OLG Bremen, Beschluss vom 30.08.2017 (5 W 27/16).
Ehegatten errichten gemeinschaftliches Testament mit Änderungsvorbehalt
In einem ersten gemeinschaftlichen Ehegattentestament aus dem Jahr 1995 haben sich die Eheleute zu alleinigen Erben eingesetzt und den Überlebenden von allen Beschränkungen befreit. Erben des Letztversterbenden sollten die Kinder ihre Töchter, also die Enkel sein, wobei bestimmt wurde, dass die Vermögenswerte in einer Stiftung zusammengefasst werden sollten. Es wurde Testamentsvollstreckung angeordnet. Im Schlussteil des Testaments fand sich eine Regelung, dass das Testament mit Einverständnis des Testamentsvollstrecker das geändert werden könne.
Bereits wenige Monate später 1996 errichteten die Eheleute ein neues gemeinschaftliches Testament. Die Enkelkinder blieben dort zwar Schlusserben. Gleichzeitig wurde aber geregelt, dass die Töchter diverse Gegenstände sowie ebenfalls Erträge aus der Verwaltung des gesamten Nachlasses erhalten sollten. Abschließend fand sich im Testament folgende Formulierung:
„Der Überlebende von uns kann dieses Testament in allen Punkten ändern und neu anderweitig letztwillig verfügen, jedoch nur in Übereinstimmung mit dem Testamentsvollstrecker.“
Im Jahr 2000 richteten die Leute dann ein drittes eigenhändiges Ehegattentestament. Es verblieb bei der wechselseitigen Erbeinsetzung. Schlusserben waren nun die beiden Töchter zu je 40 % und die Enkel zu 20 %. Auch in diesem Testament heißt es:
„Der Überlebende von uns kann dieses Testament in allen Punkten ändern und anderweitig letztwillig verfügen, jedoch nur in Übereinstimmung mit dem Testamentsvollstrecker.“
Für das Amt des Testamentsvollstreckers wurden zudem zwei Personen bestimmt bzw. eine Ersatzperson.
Ehemann ändert Testament nach Eintritt des ersten Erbfalls zugunsten der Töchter
Die Ehefrau war 2007 vorverstorben. 2011 errichtete der Ehemann dann ein notarielles Einzeltestament in der er seine beiden Töchter als alleinige Erben einsetzte wobei er für die eine Tochter (Beteiligte zu 1 nach Erbschaft nach der anderen Tochter (Beteiligte zu 2) anordnete und die Beteiligte zu 2 zugleich zu Testamentsvollstreckerin bestimmte. In einer Präambel erklärte der Erblasser zudem, dass die ursprüngliche Formulierung, der Überlebende dürfe „nur in Übereinstimmung mit dem Testamentsvollstrecker“ verfügen, lediglich die Erwartung der Eheleute zum Ausdruck bringen solle, ein Einvernehmen mit den Testamentsvollstreckern herzustellen, ohne sich aber „deren Diktat“ zu unterwerfen.
Eine Abstimmung mit den als im Testament vom Jahr 2000 als Testamentsvollstrecker bestimmten Personen ist nicht erfolgt.
Nach dem Tod des Ehemanns hat dann die Beteiligte zu 2 einen Erbschein als Vorerbin sowie die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses beantragt. Die Beteiligte zu 1 hat zunächst zugestimmt, so das der Erbschein 2014 erteilt wurde. 2016 hat sie dann allerdings über ihren Verfahrensbevollmächtigten die Einziehung des Erbscheins beantragen lassen. Da dies das Nachlassgericht abgelehnt hat, wurde dagegen Beschwerde eingelegt.
Erbschein muss eingezogen werden
Das OLG hat der Beschwerde stattgegeben und angeordnet, dass der Erbschein vom Nachlassgericht einzuziehen ist. Dies deshalb, weil das virtuelle Einzeltestament des Ehemanns, auf dessen Grundlage der Erbschein erteilt worden ist, nach § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam ist.
Änderungsvorbehalt ermächtigt grundsätzlich dazu auch wechselbezüglichen Verfügungen zu ändern
Zwar ermächtigt ein sog. Änderungsvorbehalt abweichend von getroffenen Anordnungen zu verfügen und auch wechselbezügliche Verfügungen abzuändern. Dieses Recht zur Abänderung kann von den Ehegatten mit beliebigen Einschränkungen erteilt werden. Daher konnte der überlebende Erblasser am 27.12.2011 nur dann wirksam anders verfügen, wenn ihm dieses Recht durch einen Änderungsvorbehalt eingeräumt worden war. Einen solchen Änderungsvorbehalt enthält das gemeinschaftliche Testament der Eheleute vom 10.07.2000.
Änderungsvorbehalt kann aber mit Einschränkungen versehen werden
Der Änderungsvorbehalt kann aber mit beliebigen Einschränkungen versehen werden. Das lässt sich damit begründen, dass das Gesetz im Grundsatz von der Bindungswirkung der in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen ausgeht. Der – vereinbarte – Änderungsvorbehalt stellt sich im Verhältnis dazu als eine Ausnahme von der gesetzlichen Regelung dar, die wegen der Testierfreiheit der Erblasser zu akzeptieren ist. Wenn aber die Testierenden dem Überlebenden schon die volle Freiheit einräumen können, die im gemeinschaftlichen Testament enthaltenen wechselbezüglichen Verfügungen zu beseitigen, dann können sie erst recht diese Freiheit auch wieder einschränken, denn dabei handelt es sich um ein Minus im Verhältnis zur vollen Verfügungsfreiheit. Die Bindung der Änderungsbefugnis an die Zustimmung eines Dritten erweist sich daher nicht als Fall des Verstoßes gegen das Gebot der Höchstpersönlichkeit bei der Abfassung von letztwilligen Verfügungen (§ 2065 Abs. 1 BGB), sondern als Einschränkung einer Rechtsposition, auf die der Betreffende von Gesetzes wegen ohnehin keinen Anspruch hat. Damit war es den Testierenden grundsätzlich möglich, die Änderungen von wech-selbezüglichen Verfügungen – hier: Die Einsetzung ihrer Kinder und Erben zu bestimmten Quoten – von der Zustimmung eines Dritten abhängig zu machen.
Entgegen der Annahme der Beteiligten zu 2) kann die Beschränkung des Änderungsvorbehalts auch nicht als bloßes Mitteilungs- und Beratungserfordernis ausgelegt werden. So lässt sich aus dem Wechsel der Wortwahl von „Einverständnis“ (1995) zu „Übereinstimmung“ (1996 bzw. 2000) kein Anhaltspunkt für einen Wechsel in der Willensrichtung der Testierenden hin zu einem bloßen Beratungs- und Mitteilungserfordernis gewinnen. Vielmehr bilden die Begriffe „Übereinstimmung“ und „Einverständnis“ Synonyme für eine gleichgerichtete Willensbildung und lassen daher eine unterschiedliche Qualität der Inhalte vermissen.
Schließlich vermag auch die Erklärung des Erblassers in der Präambel seines Einzeltestaments vom 27.12.2011, der Wille der Eheleute sei nicht dahin gegangen, sich dem Diktat der Testamentsvollstrecker zu unterwerfen, das hier gefundene Auslegungsergebnis nicht zu erschüttern. Bei der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments kommt es auf die Ermittlung des gemeinsamen Willens beider Testierender an. Spätere Erklärungen eines von beiden Eheleuten können zwar ein wichtiges Indiz für die Ermittlung der Vorstellungen der Testierenden sein, müssen aber mit der gebotenen Vorsicht gewürdigt werden, weil die Vermutung naheliegt, dass damit der Wunsch nach Durchsetzung der aktuellen Interessen des überlebenden Ehegatten verbunden sein kann.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.