Auf leisen Sohlen schleichen sie sich in das Leben Ihrer Angehörigen. Der nette Nachbar, eine Zufallsbekanntschaft beim Einkaufen oder in der Kirchengemeinde, die Pflegekraft oder gar der gesetzliche Betreuer und seine Ehefrau. Zunehmendes Alter und damit einhergehende Einsamkeit führen dazu, dass Menschen zunehmend in ihrem letzten Lebensabschnitt leichte Beute für skrupellose Erbschleicher werden. Da wir in letzter Zeit verstärkt in unserer Kanzlei mit unterschiedlichen Fällen von Erbschleicherei zu tun hatten, berichten wir hier exemplarisch von einigen Vorgehensweisen, wie Erbschleicher versuchen einsame und/oder senile Senioren um ihr Vermögen zu bringen, so dass Kinder oder nächste Angehörige das Nachsehen haben.
Im ersten Teil unserer 4-teiligen Serie geht es um einen gesetzlichen Betreuer, der seine Ehefrau als Alleinerbin in ein notarielles Testament zum Nachteil von Nichten und Neffen gebracht hat.
Alleinstehende Erblasserin setzt Ehefrau ihres rechtlichen Betreuers als Alleinerbin und den Betreuer zum Ersatzerben ein
Einsamkeit und/oder schwindende geistige Kräfte machen alte Menschen anfällig für Schmeicheleien und Drittbeeinflussung. Erbschleicher verstehen es nämlich meist sehr gut subtil ein Abhängigkeitsverhältnis zu erzeugen und Kontakt zu Verwandten madig zu machen oder gar ganz zu unterbinden. Im ersten Fall unserer Serie war die Erblasserin kinderlos 2016 verstorben. Ihr Ehemann war bereits vorverstorben. Da auch ihre Geschwister bereits vorverstorben waren, waren die nächsten Verwandten zahlreiche Neffen und Nichten, die kaum oder keinen Kontakt zur Großtante hatten. Gleichwohl staunten diese nicht schlecht, als nach dem Tod der Großtante ein notarielles Testament aufgetaucht ist, in dem eine ihnen bis dahin unbekannte Frau zur Alleinerbin eingesetzt worden war und die Dame die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist, beantragt hat. Diese war nämlich die Ehefrau des gesetzlichen Betreuers der Erblasserin. Den Betreuer selbst hatte sie zum Ersatzerben eingesetzt.
Gesetzliche Erben widersetzen sich der Erteilung des Erbscheins
Da den übergangenen gesetzlichen Erben das ganze suspekt erschien, haben sie sich (teilweise) am Verfahren beteiligt und unter Verweis auf mangelnde Testierfähigkeit und Sittenwidrigkeit die Abweisung des Antrags beantragt.
Testierfähigkeit zweifelhaft
Im Rahmen seiner Anhörung hat dann der testierende Notar ausgesagt, dass ihm zunächst die Sache suspekt erschienen war, weil der Betreuer den Termin bei ihm vereinbart hatte und dann gemeinsam mit der Erblasserin erschienen war und sich zum Alleinerben einsetzen lassen wollte. Als er darüber aufgeklärt habe, dass dies aufgrund eines Interessenskonflikts rechtlich problematisch sein könnte, hatte der Betreuer dann ins Gespräch gebracht, dass stattdessen doch seine Ehefrau zur Erbin bestimmt werden könnte. Die Erblasserin erklärte sich auch damit einverstanden.
Obwohl der Notar weiter Bedenken hinsichtlich der Testierfähigkeit hatte und ihm, um diese Bedenken auszuräumen, eine beantragte Einsicht in die Betreuungsakte seitens des Betreuers verweigert worden war und dieser stattdessen eine „ärztliche Bescheinigung“ beigebracht hatte, die dem Notar als „sehr dünn“ erschienen war, hat er gleichwohl das Testament ausgefertigt und nicht etwa, wie man meinen könnte, die Beurkundung verweigert. Letzteres liegt in der Natur der Sache, weil in den meisten Bundesländern auch der Notar wirtschaftlich selbstständiger Unternehmer ist, und genau weiß, dass selbst dann, wenn er die Beurkundung ablehnt, sich gegebenenfalls irgendwo ein anderer Notarskollege finden wird, der weniger Bedenken hat….. Gleichwohl hatte er (wenigstens) in dem Testament vermerkt, dass letzte Zweifel an der Testierfähigkeit nicht hätten ausgeräumt werden können und diese folgendermaßen umschrieben:
„Der amtierende Notar hat sich durch Fragen mit näherem und ferneren zeitlichen Bezug überzeugt, dass die Erschienene hinsichtlich der heutigen Testamentserrichtung auch nach seiner Einschätzung uneingeschränkt geschäfts- und testierfähig sein dürfte. Eine abschließende Beurteilung anhand des Inhalts der Betreuungsakte konnte der amtierende Notar jedoch nicht vornehmen, da eine Einsichtnahme nicht gewünscht ist, letzte Zweifel verbleiben also.“
Der Rechtsstreit um die Erteilung des Erbscheins geht nun ins 3. Jahr, wobei augenblicklich noch völlig offen ist, welche Vermögensverfügungen der Betreuer bereits lebzeitig zulasten der Erbmasse getroffen hat, um sich am Vermögen seiner betreuten zu bereichern … Ein Einsichtsrecht in die Betreuungsakte erhalten die hier übergangenen Verwandten nämlich erst dann, wenn verbindlich feststeht, dass sie Erben kraft Gesetzes geworden sind.
Testament könnte auch wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sein
Sobald das Gericht die Frage der Testierfähigkeit geklärt hat, ist das Verfahren, sollte das Gericht die Frage der Testierfähigkeit bejahen aber noch nicht zu Ende. Dann müsste nämlich in einem nächsten Schritt geklärt werden, ob sich die Erbeinsetzung der Ehefrau des Betreuers als sittenwidrig darstellt und das Testament deshalb aus diesem Grund unwirksam ist.
Während es für Heimmitarbeiter und -träger in § 14 HeimG ein Verbot gibt, sich als Erben einsetzen zu lassen, also eine solche Erbeinsetzung bereits nach § 134 BGB unwirksam wäre, gibt es ein solches gesetzliches Verbot für Betreuer grundsätzlich nicht. Der Gesetzgeber hat eine solche Regelung mit der Begründung abgelehnt, dass viele Betreute ohnehin testierunfähig seien, so dass es einer solchen Regelung nicht bedarf. Im Übrigen seien Betreuer meist nicht so in den Lebensraum des Betreuten eingebunden, dass eine Näheverhältnis wie bei Heimmitarbeitern entstehen könne.
Gleichwohl haben Gerichte immer wieder (vereinzelt) gegen Betreuer geurteilt. So hat beispielsweise das OLG Braunschweig in seinem Beschluss v. 04.11.1999 (2 U 29/99) eine solche Sittenwidrigkeit angenommen, wenn der Betreuer seinen Einfluss auf die Betreute dazu benutzt hat, dass diese ohne reifliche Überlegung über erhebliches Vermögen zu Gunsten des Betreuers oder zu Gunsten von Angehörigen des Betreuers verfügt. In einem anderen Fall hat das OLG Celle in seinem Beschluss vom 13.02.2013 (1 WS 54/13) einen Betreuer wegen Untreue verurteilt, der einen Testierunfähigen veranlasst hatte, durch Testament sich selbst bzw. einen Familienangehörigen einzusetzen. Auch wenn natürlich keine dieser Entscheidungen allgemeinverbindliche Wirkung hat, so sollten Sie jedenfalls als Angehörige hellhörig werden, wenn Sie durch ein Testament von der Erbfolge ausgeschlossen werden, in dem ein Betreuer oder dessen Ehefrau oder Kind(er) stattdessen zu Erben eingesetzt worden sind.
Sind auch Sie Opfer von Erbschleicherei geworden? Wir beraten und vertreten Sie gerne bundesweit.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.