Auf leisen Sohlen schleichen sie sich in das Leben Ihrer Angehörigen. Der nette Nachbar, eine Zufallsbekanntschaft beim Einkaufen oder in der Kirchengemeinde, die Pflegekraft oder gar der gesetzliche Betreuer und seine Ehefrau. Zunehmendes Alter und damit einhergehende Einsamkeit führen dazu, dass Menschen zunehmend in ihrem letzten Lebensabschnitt leichte Beute für skrupellose Erbschleicher werden. Da wir in letzter Zeit verstärkt in unserer Kanzlei mit unterschiedlichen Fällen von Erbschleicherei zu tun hatten, berichten wir hier exemplarisch von einigen Vorgehensweisen, wie Erbschleicher versuchen einsame und/oder senile Senioren um ihr Vermögen zu bringen, so dass Kinder oder nächste Angehörige das Nachsehen haben.
Im zweiten Teil unserer 4-teiligen Serie geht es um zunächst um einen Fall, in dem einem Neffen zugunsten einer Putzhilfe die Vorsorgevollmacht entzogen worden ist und der nun befürchtet, dass lebzeitig, weil das Ehegattentestament von seiner Tante nicht mehr einseitig geändert werden kann, das Vermögen sukzessive auf die Putzhilfe übergeht. Im zweiten Fall berichten wir dann davon, dass eine erteilte Vorsorgevollmacht bereits lebzeitig dazu verwendet worden ist, an das Vermögen der potentiellen Erblasserin zu gelangen und das auch noch ohne jedes schlechte Gewissen, weil es die Bevollmächtigte auch noch geschafft hatte, sich zur Alleinerbin einsetzen zu lassen, sie also quasi vorgezogen sich ohnehin nur an dem bedient, was ihr später ohnehin zufällt.
Tante entzieht Neffen die Vorsorgevollmacht und erteilt diese stattdessen ihrer Putzhilfe
Im ersten Fall unseres heutigen Beitrags wird exemplarisch besonders deutlich, wie leicht beeinflussbar alte, einsame Menschen sind und wie offensichtlich Gelegenheit nicht nur Diebe, sondern auch Erbschleicher macht.
Opfer ist diesmal eine alte Dame, die noch lebt. Durch sparsame Lebensführung haben sie und ihr bereits vorverstorbener Ehemann es nicht nur zu einem hübschen Einfamilienhaus, sondern auch zu beachtlichem Geldvermögen gebracht. Die Eheleute, die keine eigenen Kinder hatten, haben in einem Ehegattentestament drei Neffen und Nichten, die alle in einem anderen Teil von Deutschland leben, zu Erben eingesetzt. Eine Abänderungsbefugnis für den überlebenden Ehegatten ist im Testament nicht vorgesehen.
Vorsorgevollmacht zugunsten Putzhilfe erteilt
Einem dieser drei Neffen hatte die Dame auch eine Vorsorgevollmacht erteilt. Argwöhnisch wurde dieser zunächst, als ihm seine Tante mitgeteilt hat, dass sie ihm die bereits vor längerem erteilte Vorsorgevollmacht entziehen möchte und er ihr deshalb die Urkunde übersenden solle. Als er nachgefasst hat, was der Grund dafür sei und dass es an sich keine gute Idee sei, wenn man in ihrem Alter keine Vorsorgevollmacht mehr habe, hat sie mit der Wahrheit herausgerückt, nämlich dass sie nicht ohne Vorsorgevollmacht sei. Frau X, die von ihr seit Jahren als Putzhilfe beschäftigt ist und zu der sie großes Vertrauen habe, habe sie auf die Idee gebracht, dass es doch viel sinnvoller sei, wenn sie dieser eine solche Vorsorgevollmacht erteilen würde. Allein schon aufgrund der räumlichen Nähe, wie Frau X meinte. Frau X, die aus Osteuropa stammt, sei auch eine sehr fleißige und zudem bedauernswerte Person. Sie habe nämlich nach ihrer Scheidung von ihrem Ehemann, obwohl dieser Zahnarzt gewesen sei, nicht nur allein die gemeinsame Tochter großziehen müssen. Der Vater habe nie Unterhalt gezahlt und Frau X habe auch noch für dessen Schulden aus der Zahnarztpraxis mithaften müssen. Die arme Frau würde in einer Gegend, wo nahezu jeder in der eigenen Immobilie lebe, auch nur bescheiden zur Miete leben und müsse deshalb so viel arbeiten, um Miete zu bezahlen und ihre Tochter das Studium zu ermöglichen. Sie selbst wisse auch gar nicht, wie sie ohne die liebenswerte Frau X überhaupt klarkommen solle. Das war der 1. Streich. Der 2. folgt sogleich.
Überschreibung die Immobilie auf Putzhilfe beabsichtigt
Der so „überfahrene“ Neffe hat dann zwar noch versucht das Ganze der Tante auszureden. Aber ohne Erfolg. Es kam dann aber noch schlimmer, denn nun trat die Tante mit dem Wunsch an den Neffen und seine Geschwister als testamentarische Erben heran, dass diese ihre Zustimmung dazu erteilen, dass sie die Wohnimmobilie auf Frau X lebzeitig überträgt und sich lediglich ein Wohnrecht vorbehält. Sie habe sich überlegt Frau X und deren Tochter, damit diese künftig ein vernünftiges Dach über dem Kopf hätten, die Immobilie zu vermachen. Frau X habe ihr aber gesagt, dass es keinen Sinn machen würde, wenn sie dieser durch die Errichtung eines weiteren Testaments die Immobilie vererben würde, weil ein solches Testament aufgrund des bestehenden Ehegattentestaments unwirksam sei. Frau X habe gesagt, sie könne ihr die Immobilie nur lebzeitig zuwenden. Dann müssten aber nicht und Neffen als testamentarische Erben zustimmen. Frau X ist offensichtlich nicht nur sehr fleißige, sondern auch recht schlau, weil sie sich jedenfalls genau darüber informiert hat, was zu tun ist, damit sie nicht nur unwirksam in einem Testament landet, sondern tatsächlich auch Eigentum an der Immobilie erwerben kann.
Nachdem der Wert der Immobilie bei ca. 1 Million € liegt, haben die Verwandten nicht zugestimmt. Damit ist die Gefahr aber nicht gebannt, denn auch wenn die Immobilie durch das Ehegattentestament gesichert ist, also die Dame weder lebzeitig noch von Todes wegen wirksam über diese verfügen kann, so bleibt gleichwohl das Geldvermögen in Gefahr. Da Geld bekanntlich flüchtig ist, ist zu befürchten, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls dieses stark „abgeschmolzen“ sein dürfte. Jedenfalls ist Frau X, die bisher eine alte Klapperkiste gefahren hat, erst kürzlich mit einem neuen Flitzer gesichtet worden … Wie das ganze weitergeht, wenn hier nicht bald ein Riegel vorgeschoben wird, kann sich jeder ausmalen.
Der Fall verdeutlicht exemplarisch, dass Erbschleicherei nicht immer von vornherein geplant gewesen sein muss. Zunächst hat Frau X hier sicherlich versucht redlich ihren Lebensunterhalt durch Mithilfe im Haushalt zu verdienen. Nach und nach wird sie aber nicht nur bemerkt haben, dass die Dame, bei der sie ab und an mithilft, nicht nur vermögend, sondern auch einsam und zudem beeinflussbar ist.
Nun ist es natürlich so, dass grundsätzlich in Deutschland jeder mit seinem Vermögen machen kann, was er möchte, also auch Testierfreiheit herrscht. Hier bestand aber die Besonderheit, dass durch das gemeinschaftliche Ehegattentestament die Testierfreiheit mit dem Ableben des Ehemannes nicht mehr gegeben war, also grundsätzlich die überlebende Ehefrau keine andere Erbeinsetzung als die, die die Ehegatten vormals gemeinsam gewählt hatten, mehr vornehmen und auch lebzeitig die Immobilie nicht übertragen kann. Gleichwohl ist die der Putzhilfe erteilte Vorsorgevollmacht gerade dann, wenn geistige Defizite auftreten, ein wirklich scharfes Schwert. Diese erstreckt sich nämlich über alle Lebensbereiche. Der Bevollmächtigte kann er nämlich nicht nur Geld abheben, sondern beispielsweise die betreute Person von Familie und Freunden völlig abschotten. Ebenso kann der Bevollmächtigte darüber entscheiden, ob lebenserhaltende Maßnahmen ergriffen oder unterlassen werden.
Im vorliegenden Fall hat der Neffe kaum eine Handhabe. Er kann allenfalls, wenn er den Eindruck gewonnen hat, dass seine Tante die erforderliche Einsichtsfähigkeit fehlt, beim zuständigen Amtsgericht die Bestellung einer Betreuung anregen. Das Gericht würde dann überprüfen, ob die Dame tatsächlich betreuungsbedürftig ist. Falls ja, dann würde eine rechtliche Betreuung angeordnet werden und der Betreuer würde dann auch die Aufgabe erhalten, die der Putzhilfe erteilte Vollmacht wieder einzuziehen …
Nachbarin bedient sich bereits mittels Vorsorgevollmacht am Konto der zukünftigen Erblasserin
Im zweiten Fall geht es um eine vermögende Dame, die nicht nur ihre Nachbarin zur Alleinerbin eingesetzt hat, sondern die dieser auch eine Vorsorgevollmacht erteilt hat. Von letzterer hat die Nachbarin dann auch eifrig Gebrauch gemacht und sich regelmäßig am Konto der potentiellen Erblasserin bedient. Dies wiederum ist einem aufmerksamen Bankmitarbeiter aufgefallen, der das Ganze zur Anzeige gebracht hat mit der Folge, dass nicht nur ein Strafverfahren eingeleitet wurde, sondern auch ein Verfahren zur Einziehung der Vollmacht. Die Bevollmächtigte dagegen konnte nicht nachvollziehen, was ihr vorgeworfen wird. Nachdem sie selbst doch als Alleinerbin im Testament eingesetzt war, war sie der Meinung, dass sie sich doch jetzt ohnehin nur einen Teil von dem genommen hätte, was ihr später ohnehin im Wege der Erbfolge zu gefallen wäre. Im Übrigen sei so viel vorhanden, dass die potentielle Erblasserin lebzeitig ohnehin hätte keine Not leiden müssen …
So schützen Sie sich
Was viele nicht wissen ist, dass eine Vorsorgevollmacht in Deutschland völlig unkontrolliert ist. Ein einfaches Formular kann bereits ausreichen. Wer hier als Vollmachtgeber Vorsorge treffen möchte, der muss seine Vollmacht so gestalten, dass mehrere Bevollmächtigte, eingesetzt werden. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine bereits erteilte Vorsorgevollmacht missbraucht wird und ist der Vollmachtgeber selbst nicht mehr der Lage diese zu widerrufen, so kann auch beim zuständigen Betreuungsgericht die Bestellung einer Kontrollbetreuung angeregt werden. Im Übrigen sollten Vollmachten nur solchen Personen erteilt werden, denen sie absolut vertrauen. Aber, wie heißt es so schön, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser …
Sind auch Sie Opfer von Erbschleicherei geworden? Wir beraten und vertreten Sie gerne bundesweit.
Hier finden Sie Teil 1 der Serie.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.