Onlinehändler, die ihre Waren (auch) über die großen Handelsplattformen eBay oder Amazon vertreiben, haben oft das Problem, dass die eigene Einflussmöglichkeit auf die Präsentation der Angebote nur sehr begrenzt ist. Kommt es dabei zu Rechtsverletzungen, dann steht der Umstand, dass der Händler selbst für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich ist, weil diese vorgegeben wurde, der kostenpflichtigen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nicht entgegen, weil es dabei gerade nicht auf Verschulden ankommt. So hat das OLG Hamm in seinem Urteil vom 09.07.2015 (4 U 59/15), die von Amazon vorgegebene Weiterempfehlungsfunktion als unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG eingestuft und einen Händler entsprechend zur Unterlassung verurteilt.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Das mit dem Verfügungsantrag zu 2. beanstandete Zusenden sog. Weiterempfehlungs-E-Mails mittels der im Rahmen des Angebots für den Doppler-Sonnenschirm zur Verfügung gestellten Weiterempfehlungsfunktion erfüllt den Tatbestand der unzumutbaren Belästigung nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG.
Bei den solchermaßen ohne Zustimmung des Adressaten versendeten Empfehlungs-E-Mails handelt es sich um unverlangt zugesandte Werbung i.S.d. §§ 7 Abs. 1, 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, und zwar vorliegend solche der Verfügungsbeklagten.
aa) Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung – beispielsweise in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring – erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 lit. a Richtlinie 2006/113/EG über irreführende und vergleichende Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerkes oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (BGH GRUR 2013, 1259 – Empfehlungs-E-Mail mwN).
Danach ist jedenfalls die in der Weiterempfehlungs-E-Mail (Anlage ASt 7) enthaltene Produktabbildung nebst der Wiedergabe des Produktnamens und dem gegebenenfalls auf die Produktangebotsseite der Verfügungsbeklagten führenden Link „Weitere Informationen“ (Anlage ASt 8) Werbung i.S.d. § 7 UWG.
Dass die Verfügungsbeklagte selbst nicht schon in der Empfehlungs-E-Mail als Anbieterin genannt ist, steht dem nicht entgegen. Denn der Begriff der Werbung im vorgenannten Sinne setzt eine solche Angabe nicht zwingend voraus (vgl. BGH GRUR 2013, 1259 – Empfehlungs-E-Mail, wonach im Rahmen der Subsumtion unter den Begriff der Werbung ebenso wenig auf die Absenderangabe abgestellt wird). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Identität des Anbieters ohnehin – wie vorliegend bei der Testmail der Verfügungsklägerin mit dem unmittelbar auf die Angebotsseite der Verfügungsbeklagten führenden Link „Weitere Informationen“ – aus den mit der E-Mail verfügbaren Informationen ohne weiteres entnehmen lässt.
Ohne Belang ist insoweit auch, dass das Versenden der Empfehlungs-E-Mails letztlich auf dem Willen eines Dritten beruht. Entscheidend ist vielmehr allein das Ziel, das die Verfügungsbeklagte mit dem Zurverfügungstellen der Empfehlungsfunktion erreichen will. Da eine solche Funktion erfahrungsgemäß den Zweck hat, Dritte auf die Beklagte und die von ihr angebotenen Leistungen aufmerksam zu machen, enthalten die auf diese Weise versandten Empfehlungs-E-Mails Werbung (vgl. BGH GRUR 2013, 1259, 1260 – Empfehlungs-E-Mail).
bb) Die Verfügungsbeklagte haftet für die Zusendung der Empfehlungs-E-Mails als Täterin. Auch insoweit ist es ohne Bedeutung, dass der Versand der Empfehlungs-E-Mails letztlich auf die Eingabe der E-Mail-Adresse durch einen Dritten zurückgeht. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Versand der Empfehlungs-E-Mails auf die gerade zu diesem Zweck von der Verfügungsbeklagten genutzte Weiterempfehlungsfunktion zurückgeht und die Verfügungsbeklagte beim Empfänger der Empfehlungs-E-Mail durch den Link auf ihre Angebotsseite als Absenderin erscheint. Der Sinn und Zweck der Weiterleitungsfunktion besteht auch und gerade darin, Dritten (unter Mitwirkung unbekannter weiterer Personen) solchermaßen einen Hinweis auf den Internetauftritt der Verfügungsbeklagten zu übermitteln. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Verfügungsbeklagte den Missbrauch der Empfehlungsfunktion nicht in Kauf nimmt. Denn es ist offensichtlich, dass die Weiterleitungsfunktion gerade dazu benutzt wird, an Dritte Empfehlungs-E-Mails zu versenden, ohne dass Gewissheit darüber besteht, ob sie sich damit einverstanden erklärt haben (Vgl. BGH GRUR 2013, 1159, 1260 – Empfehlungs-E-Mail).“
Anmerkung:
Wer als Händler von einem Konkurrenten in Anspruch genommen wird, weil das System von Amazon fehlerhaft ist, der sollte bei einem solchen Rechtsstreit Amazon den Streit verkünden. Eine solche Streitverkündung bewirkt, dass, gleichgültig, ob Amazon dem Rechtsstreit beitritt oder nicht, das Urteil für ein Folgeverfahren gegen Amazon Bindungswirkung entfaltet. Nimmt also der nunmehr in Anspruch Genommene in einem nächsten Schritt selbst Amazon auf Schadenersatz in Anspruch, dann kann sich Amazon nicht darauf berufen, dass der Rechtsstreit unrichtig entschieden worden ist. Selbst, wenn Sie nicht vorhaben gegen Amazon vorzugehen, kann durch eine solche Streitverkündung aber jedenfalls ein Zeichen gesetzt werden, so dass Sie Amazon (vielleicht) ernst nimmt. Wer nämlich bereits einmal versucht hat als Händler mit dem Kundenservice über rechtliche Probleme zu kommunizieren, der wird sehr schnell merken, dass die Händlerinteressen sich meistens nicht mit den Interessen von Amazon decken. Jedenfalls in den Fällen, mit denen wir zu tun hat, ist uns noch keine vernünftige Rückantwort, jenseits einer standardisierten, nichtsagenden Antwort E-Mail, untergekommen.