Wird eine Ehe rechtskräftig geschieden, dann verlieren die Ehegatten ihr gesetzliches Erbrecht, Pflichtteilsansprüche sowie den Anspruch auf den sog. Voraus, also Hausratsgegenstände. Dies ist in § 1933 BGB so geregelt. Da es aber auch vorkommt, dass ein Ehegatte zwischen der Antragstellung und noch vor Ausspruch der Scheidung stirbt, taucht immer wieder die Frage auf, was in derartigen Fällen gilt. Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2019 (I-3 Wx 182/19) entschieden, dass das Erbrecht des überlebenden Ehegatten dann nicht ausgeschlossen ist, wenn im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, der die Scheidung beantragt hat, nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten war, er und seine Ehefrau würden die eheliche Lebensgemeinschaft endgültig nicht wiederherstellen. In dem entschiedenen Rechtsstreit waren sich die Eheleute aufgrund der Erkrankung des Erblassers wieder nähergekommen, jedenfalls so nah, dass die Ehefrau trotz Scheidungsantrag den Erblasser bis zum Tod gepflegt und dieser die Pflege angenommen hat.
Streit um gesetzliche Erbfolge zwischen Ehefrau und Kindern wegen beantragter Scheidung
Der Erblasser, der keine Testament errichtet hat, so dass also gesetzliche Erbfolge zum Tragen kam, hinterließ eine Ehefrau und drei Kinder. Im Mai 2016 hatten sich die Eheleute getrennt und Ende 2017 beantragte der Erblasser die Scheidung. Die Ehefrau wiederum ließ im Februar 2018 über ihren Anwalt dem Erblasser mitteilen, dass sie sich gerade im Hinblick auf seine Krankheit weiter für ihn verantwortlich fühle. Darüber hinaus sei es ihr auch wichtig zu betonen, dass sie die Scheidung nicht wolle, weil sie die Ehe aus tiefster Überzeugung eingegangen sei und zwar bis der Tod sie scheidet.
Der Erblasser erlitt dann noch kurz vor seinem Tod einen Schlaganfall. Daraufhin kehrte die Ehefrau, von ihrer pflegebedürftigen Mutter zurück und kümmerte sich nun um den Erblasser bis zu dessen Tod. Schließlich hat sie dann auch noch die letzten beiden Wochen des Erblassers mit diesem verbracht.
Nach dem Tod des Erblassers hat sie entsprechend der gesetzlichen Erbfolge einen gemeinschaftlichen Erbschein für sich und die drei Kinder unter Berücksichtigung ihres Ehegattenerbrechts beantragt. Dieser war jedoch vom Nachlassgericht unter Verweis auf § 1933 BGB zurückgewiesen worden, weil zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe nach Ansicht des Gerichts vorgelegen hätten.
Auf Beschwerde der Ehefrau hat das Nachlassgericht dann die Entscheidung aber abgeändert. Dieses hatte nämlich nunmehr eine Aussage des Prozessbevollmächtigten des Erblassers im Scheidungsverfahren eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, dass in einem persönlichen Gespräch zwischen ihm dem Erblasser man vereinbart hatte, dass die Eheleute in kleinen Schritten wieder aufeinander zugehen wollten. Zu diesem Zweck hätte zunächst in seinem Beisein eine Hausbegehung der Ehefrau des Erblassers in seiner Begleitung stattfinden sollen. Dazu sei es dann aber nicht mehr gekommen. Daraufhin sah das Nachlassgericht die erforderlichen Tatsachen zur Teilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins unter Berücksichtigung des Erbrechts der Ehefrau für gegeben. Hiergegen hat sich nun eines der Kinder gewandt und dem Beschluss mit der Beschwerde angegriffen. Da das Nachlassgericht bei seiner Entscheidung geblieben ist, landete der Rechtsstreit schließlich beim OLG.
(Gesetzliches) Ehegattenerbrecht nicht durch § 1933 BGB ausgeschlossen
Die Beschwerde blieb erfolglos, denn nach Auffassung der Richter konnte nicht festgestellt werden, dass beim Tod des Erblassers die Voraussetzungen der Scheidung gegeben waren. Das beurteilt sich nach § 1565 BGB. Nach dessen Abs. 1 S. 1 kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Nach Satz 2 der Vorschrift ist die Ehe dann gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.
Die Richter haben zwar festgestellt, dass der Erblasser den Scheidungsantrag gestellt hatte und die Lebensgemeinschaft seit der Trennung nicht mehr bestanden hätte. Jedoch sei im vorliegenden Fall die Prognose nicht gerechtfertigt, die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft sei nicht zu erwarten gewesen. Da die gesetzliche Vermutungsregelung des § 1566 BGB (einjährige Trennung und beiderseitiger Scheidungsantrag bzw. Zustimmung des Antragsgegners; dreijährige Trennung) nicht eingreift, müsse das Gericht prognostisch unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entscheiden. Danach war zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers, so die Richter, nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass dieser und seine Ehefrau die eheliche Lebensgemeinschaft endgültig nicht wiederherstellen würden. So habe die Ehefrau nicht nur in ihrem Anwaltsschreiben mitgeteilt, dass sie die Scheidung nicht wolle, sondern sie war auch nach dem Schlaganfall des Erblassers von deren pflegebedürftiger Mutter zu diesem zurückgekehrt um sich um diesen zu kümmern. Dadurch, dass die Ehefrau den Erblasser gepflegt und dieser die Pflege angenommen hat, hätten die Eheleute zu erkennen gegeben, dass sie sich gerade nicht endgültig von ihrer Ehe distanziert hätten.
Anmerkung:
Wer im Falle einer Trennung/bevorstehenden Scheidung sichergehen möchte, dass der Ehegatte auch vor Vollzug der Scheidung leer ausgeht, der muss hier, um auf der sicheren Seite zu sein, diesen Willen in einem entsprechenden Testament niederschreiben.
Umgekehrt ist es so, dass derjenige, der seinen Ehegatten testamentarisch zum Erben eingesetzt hat, und diesen Willen nach einer Trennung/Scheidung nicht mehr hat, das Testament ausdrücklich ändern. Haben die Ehegatten ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet, wird deshalb oft eine Regelung aufgenommen, dass die wechselseitige Erbeinsetzung im Falle einer Scheidung nicht mehr gelten soll.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.