Die Interessenlage zwischen dem Erben einerseits und dem Pflichtteilsberechtigten andererseits ist konträr: während nämlich der Erbe ein Interesse daran hat den Nachlass möglichst klein zu rechnen, hat der Pflichtteilsberechtigte wiederum ein Interesse daran, dass der Nachlass möglichst gut bewertet wird. Deswegen regelt das Gesetz auch wechselseitig Auskunftsansprüche. Während nach § 2314 BGB der Pflichtteilsberechtigte vom Erben Auskunft über Bestand und Umfang des Nachlasses verlangen kann, gibt § 2327 BGB wiederum den Erben einen Auskunftsanspruch gegen den Pflichtteilsberechtigten über Eigengeschenke, die dieser erhalten hat. Dies allerdings nur dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte neben dem Pflichtteilsanspruch zusätzlich auch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend macht (OLG Köln, Urteil vom 26.09.2014 – 20 U 48/14).
Klageweise auf Auskunft in Anspruch genommene Erbin beantragt im Wege der Widerklage Auskunft darüber, welche Eigengeschenke der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser erhalten hat
Der Pflichtteilsberechtigte macht gegen die Erbin Auskunftsansprüche auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach § 2314 Abs. 1 Satz 4 BGB gerichtlich geltend. Das Landgericht hat dieser Auskunftsklage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der beklagten Erbin. Zudem beantragt sie nunmehr in zweiter Instanz hilfsweise Widerklage auf Auskunft darüber, welche Eigengeschenke die Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser erhalten hat.
Zur Erstellung des zweifelsfrei geschuldeten Nachlassverzeichnisses sind keine Auskünfte über Eigengeschenke des Pflichtteilsberechtigten erforderlich
Das OLG hat die Berufung gegen die erstinstanzlich bereits erfolgte Verurteilung der Erbin zur Auskunft zurückgewiesen. Ebenso wurde die erstmals im Berufungsverfahren erhobene Widerklage der Erbin abgewiesen.
Zur Erstellung des mit der Auskunftsklage von der Klägerin verlangten notariellen Nachlassverzeichnisses benötigt die Beklagte nämlich Auskünfte über Eigengeschenke der Pflichtteilsberechtigten nach § 2327 BGB nicht, so die Richter. Zutreffend ist zwar, dass ein Geschenk des Erblassers an die Pflichtteilsberechtigte in gleicher Weise dem Nachlass hinzuzurechnen und dem Pflichtteilsberechtigten auf die Ergänzung anzurechnen ist. Insoweit kommt auch grundsätzlich ein Auskunftsanspruch des Erben gegen den Pflichtteilsberechtigten in Betracht (BGH NJW 1964, 1414). Eine solche Auskunft schuldet der Pflichtteilsberechtigte aber nicht schon zu dem Zweck, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen, sondern eine entsprechende Auskunft kann erst geschuldet sein, wenn dieser Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend macht.
Ob der Klägerin Pflichtteilsergänzungsansprüche überhaupt zustehen, ist allerdings, solange die Beklagte insoweit keine Auskunft über Zuwendungen des Erblassers erteilt hat, derzeit offen. Nur dann, wenn feststeht, dass Dritten Geschenke zugewandt worden sind, kommt eine Anrechnung etwaiger Zuwendungen des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2327 BGB überhaupt in Betracht. Deshalb besteht zumindest derzeit kein berechtigtes Interesse der Beklagten an der begehrten Auskunft.
Gleiches gilt für die Frage, ob die Klägerin sich Zuwendungen auf den Pflichtteil nach § 2315 Abs. 1 BGB anrechnen lassen muss; dies wird erst dann relevant, wenn sich aus der vom Erben zu erteilenden Auskunft ein bezifferbarer Pflichtteilsanspruch ergibt. Ohnehin ist nichts dafür vorgetragen, dass der Klägerin Zuwendungen mit der ausdrücklichen Bestimmung der Anrechnung auf den Pflichtteil gemacht worden sind.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
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