Zwischenmenschliche Beziehungen haben viele Facetten. Gerade dann, wenn Beziehungen in der Krise sind und die Gefahr des Verlassenwerdens subjektiv oder objektiv besteht, kommt es – gerade in toxischen Beziehungen – immer wieder vor, dass derjenige, der verlassen wurde oder befürchtet demnächst verlassen zu werden, den anderen damit unter Druck setzen möchte, dass er (oder sie) damit droht, sich umzubringen. Vielleicht haben Sie das auch schon einmal erlebt. Dass eine solche Drohung weder die feine englische Art noch ein probates Mittel ist, eine Beziehung dauerhaft zu retten, steht außer Frage. Was viele aber nicht wissen, ist, dass eine solche Drohung für den Drohenden auch aus rechtlicher Sicht ganz massive Konsequenzen haben kann. Wird diese aktenkundig, dann droht nicht nur die Zwangseinweisung in die Psychiatrie, sondern, wenn durch die Drohung ein größerer Polizeieinsatz ausgelöst wurde, um den (vermeintlich) Suizidgefährdeten zu suchen, dann kommen am Ende auch noch ganz erhebliche Kosten für den Polizeieinsatz auf den Drohenden zu.
Oktoberfestbesuch endet mit Zwangseinweisung in die Psychiatrie
Matthias T. (Name geändert) ist erfolgreicher Geschäftsmann in München. Privat lief es in den letzten Jahren allerdings nicht so gut. Einer unschönen Scheidung folgten mehrere, recht unglückliche, teils toxische, Beziehungen. Auch Streit innerhalb der Familie um die Verteilung einer zukünftigen Erbschaft führen zur Anspannungund haben ihn recht dünnhäutig gemacht. Gerade genesen von einer mehrwöchigen Coronaerkrankung, freute er sich als fleißiger Wiesngänger auf einen schönen Abend mit seiner aktuellen Partnerin auf dem Münchner Oktoberfest. Als diese ihm anlässlich des Besuchs im Festzelt beiläufig mitteilte, dass sie künftig mehr Abstand von ihm haben möchte, nehmen die Dinge ihren Lauf. Er verlässt stark alkoholisiert das Festzelt, ändert in WhatsApp seinen Status, in dem er sich mit den Worten „Auf Wiedersehen“ verabschiedet und schreibt seiner Partnerin mehrere Textnachrichten, die darauf schließen lassen, dass er die Absicht habe nun seinem unerträglich gewordenen Leben ein Ende zu setzen.
Anstatt, wie von ihm gehofft, ihre Entscheidung zu revidieren oder ihm zumindest mitzuteilen, dass sie es sich noch mal überlegen werde oder nicht so gemeint habe, geht die (Ex-)Freundin sofort zur Polizei, die nun eine Suchaktion einleitet und dabei auch sein Mobiltelefon trackt. Nachts um 2 Uhr wir er schließlich schlafend von einer Polizeistreife in seinem Zuhause am Starnberger See angetroffen und schnurstracks in die nächstgelegene Psychiatrie eingeliefert. Gestützt wird die Einweisung auf Art. 5 Abs. 1, 12 BayPsychKHG.
Es ist aber nicht so, dass er dort nur seinen Rausch ausschlafen soll, sondern das Amtsgericht Starnberg ordnet noch am gleichen Tag die vorläufige Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 02.11.2022 einstweilen an (Anmerkung: dies sind mehr als 5 Wochen). Die Anordnung wird auf die §§ 1846, 1908i Abs. 1, 1906 Abs. 1 Nr. 1, 2 BGB, 334, 331 FamFG sowie ein Zeugnis einer in der Klinik beschäftigten Ärztin gestützt, die unter der Überschrift „klinischer Befund und Diagnose“ folgendes ausführt:
„F33.2 schwere depressive Episode, rezidierend.
Herr T.… ist schwer depressiv, ratlos, verzweifelt, mit ausgeprägten lebensmüden Gedanken. Er ist nicht behandlungsbereit und möchte gehen. Herr T. ist nicht umzustimmen. Es besteht Lebensgefährdung durch Suizid.“
Ebenfalls noch am gleichen Tag hat das Amtsgericht Starnberg durch einseitige Anordnung, befristet bis zum 22.03.2023 die vorläufige Betreuung angeordnet für die Aufgabenbereiche Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über Unterbringung und ähnliche Maßnahmen. Gleichzeitig wurde eine berufsmäßige Verfahrenspflegerin und eine berufsmäßige Betreuerin eingesetzt …
Übersetzt bedeutet dies, dass Herr T. in den nächsten 6 Monaten nicht mehr selbst über seinen Aufenthaltsort bestimmen kann, sondern andere darüber entscheiden sollen, ob er in der Psychiatrie verbleiben muss
Erhebliche Konsequenzen
Für Herrn T., den der Verfasser bereits viele Jahre persönlich kennt, und der ihm glaubhaft versichert hat, dass er zu keiner Zeit vorhatte sich etwas anzutun, hat sein unüberlegtes Verhalten erhebliche rechtliche Konsequenzen. Dies deshalb, weil derjenige, der in die Maschinerie der Psychiatrie gerät, sich in die Abhängigkeit anderer begibt und zum Spielball von Willkür wird. Allein die Diagnose der Ärztin, die nicht im Ansatz erkennen lässt, welche Untersuchungen sie vorgenommen hat, um überhaupt ihre Diagnose treffen zu können, und die überwiegend aus Allgemeinplätzen besteht, ist ausgesprochen dünn. Weil jeder, der stark alkoholisiert vom Oktoberfest kommt, einen ziemlich schlechten Abend hinter sich hat und eine abenteuerliche Heimreise ins Umland, weil kein Taxi aufzutreiben war, und der dann nachts um 2 Uhr schlafend von der Polizei aus dem Bett geholt wird, um in eine Psychiatrie verbracht zu werden, ein Interesse daran, diese schnellstmöglich wieder zu verlassen und zurück nach Hause ins Bett zu kommen. Dies jedenfalls dann, wenn er einer selbständigen Tätigkeit nachgeht, also nicht durch Entgeltfortzahlung und Krankengeld abgesichert ist. Hinzu kommt, dass aus der Ankündigung im Zusammenhang mit Beziehungsproblemen Suizid begehen zu wollen, dies nicht zwingend auf eine tatsächlich vorhandene Suizidabsicht rückschließen lässt.
In welche Willkür man gerät, wird besonders an dem Beispiel deutlich, dass gestern dem Verfasser als Rechtsanwalt beim Besuch in der Psychiatrie eine Besprechung, nicht nur zu der Unterbringung, und der Frage, ob und wie dagegen vorgegangen werden soll, sondern auch verschiedener anderer Rechtsangelegenheiten, selbst im Garten der Klinik, mit der Begründung verweigert wurde, dass der Verfasser, (3 x geimpft, 1x genesen und mit FFP2 Maske ausgestattet), keinen tagesaktuellen Corona-Schnelltest vorweisen konnte. In Zeiten, in denen Tausende ohne Schnelltest, ohne Maske sich täglich in überfüllten Bierzelten auf dem Münchner Oktoberfest, ohne jeglichen Mindestabstand, begegnen, wirkt dies geradezu absurd. Dies insbesondere auch deshalb, da selbst eine telefonische Kontaktaufnahme dadurch erheblich erschwert wird, dass dem Betroffenen innerhalb der Psychiatrie sein Mobiltelefon „abgenommen“ wird, also nur eine eingeschränkte und regelmäßig auch kontrollierte telefonische Kontaktaufnahme möglich ist. Die Wahrung des Anwaltsgeheimnisses sieht anders aus.
Losgelöst von diesen massiven Rechtseingriffen, hat das Ganze auch ein deutlich spürbares finanzielles Nachspiel für Herrn T. So muss er nicht nur die Kosten für die berufsmäßig eingesetzte Verfahrenspflegerin und Betreuerin am Ende bezahlen, deren Tätigkeit sich regelmäßig auf deren Bestellung beschränkt, sondern kann auch noch mit den Kosten für den Polizeieinsatz belangt werden. Je nach Umfang und Intensität, können auch hier schnell einige 1.000 € zu Buche schlagen. Der Verfasser hatte vor einigen Jahren schon einmal vor dem Verwaltungsgericht München einen jungen Mann vertreten, der in ähnlicher Weise seiner Freundin, die sich von ihm trennen wollte, eine Abschieds-SMS geschickt, dann sein Mobiltelefon ausgemacht und sich ins Bett schlafen gelegt hat, um diese einen Schreck einzujagen. Damals hat eine Hundestaffel und Hubschrauber mit Wärmebildkameras ein Waldgebiet abgesucht. Die Kosten, die dafür angefallen sind, waren erheblich …
Also Merke: die Drohung mit Selbstmord ist nicht nur völlig ungeeignet, eine in Schieflage geratene Beziehung zu retten, sondern kann für den Drohenden fatale, sogar existenzbedrohende Folgen haben.