Die Entscheidung, eine Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen, ist oft von weitreichender Bedeutung. Insbesondere bei einem zunächst überschuldet erscheinenden Nachlass neigen viele potenzielle Erben dazu, das Erbe vorschnell auszuschlagen, um sich vor finanziellen Verpflichtungen zu schützen. Doch wie der Beschluss des OLG Zweibrücken vom 14.08.2024 (Az. 8 W 102/23) zeigt, kann eine voreilige Ausschlagung schwerwiegende und unumkehrbare Folgen haben. In diesem Artikel beleuchten wir, warum ein solches Vorgehen gut überlegt sein sollte, und erläutern die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie mögliche Irrtümer bei der Ausschlagung einer Erbschaft.
1. Die Rechtslage zur Erbschaftsausschlagung
Gemäß § 1942 Abs. 1 BGB können Erben eine Erbschaft innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis von der Berufung ausschlagen. Nach Ablauf dieser Frist gilt die Erbschaft als angenommen (§ 1943 BGB). Die Ausschlagung ist unwiderruflich, es sei denn, es liegt ein Anfechtungsgrund vor. Hierzu zählen unter anderem:
- Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses (§ 119 Abs. 1 BGB),
- Arglistige Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB).
Ein einfacher Irrtum über den Wert einzelner Nachlassgegenstände reicht jedoch nicht aus, wie das OLG Zweibrücken betonte.
2. Der Fall vor dem OLG Zweibrücken
Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Enkelin ihre Erbschaft ausgeschlagen, da sie von einer Überschuldung des Nachlasses ausging. Später stellte sich heraus, dass der Nachlass aufgrund eines Hausverkaufs doch einen positiven Wert aufwies. Die Enkelin versuchte daraufhin, ihre Ausschlagung wegen eines Irrtums anzufechten. Das Gericht wies ihr Begehren zurück und stellte klar, dass ein Irrtum über den Wert des Nachlasses keine Anfechtung der Ausschlagung rechtfertigt.
Das Gericht differenzierte dabei zwischen:
- Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses: Ein solcher Irrtum wäre anfechtungsfähig, wenn wesentliche Nachlassbestandteile bei der Entscheidung nicht bekannt waren.
- Irrtum über den Wert einzelner Nachlassgegenstände: Dieser berechtigt nicht zur Anfechtung, da es dem Erben obliegt, die Werthaltigkeit des Nachlasses sorgfältig zu prüfen.
3. Wichtige Überlegungen vor einer Erbschaftsausschlagung
Um voreilige Entscheidungen zu vermeiden, sollten potenzielle Erben folgende Schritte in Betracht ziehen:
- Einholung von Informationen: Lassen Sie sich durch einen Nachlasspfleger oder Anwalt einen Überblick über die Nachlasszusammensetzung verschaffen.
- Nachlassinsolvenz oder Dürftigkeitseinrede: Sollte der Nachlass tatsächlich überschuldet sein, können Sie als Erbe eine Nachlassinsolvenz beantragen (§ 1980 BGB) oder sich auf die Dürftigkeitseinrede berufen (§ 1990 BGB). Diese Maßnahmen schützen Sie vor einer persönlichen Haftung.
- Sichtung und Bewertung von Nachlassgegenständen: Eine gründliche Analyse der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten ist essenziell, um Fehlentscheidungen zu vermeiden.
4. Fazit
Die voreilige Ausschlagung einer Erbschaft kann erhebliche Nachteile mit sich bringen. Ein Irrtum über den Wert einzelner Nachlassgegenstände reicht in der Regel nicht aus, um eine Ausschlagung anzufechten. Potenzielle Erben sollten sich daher umfassend über die Nachlasszusammensetzung informieren und rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Die Entscheidung des OLG Zweibrücken verdeutlicht, wie wichtig eine sorgfältige Prüfung und Abwägung im Erbfall ist.
Wenn Sie unsicher sind, ob Sie eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen sollen, empfiehlt es sich, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen. Ein erfahrener Anwalt kann Ihnen helfen, die richtige Entscheidung zu treffen und Ihre Interessen bestmöglich zu wahren. grundsätzlich ist es aber stets möglich, auch nach erfolgter Annahme im Fall der Fälle die Haftung auf den Nachlass zu begrenzen, so dass das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme ausgeschlossen werden kann.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.