Vor kurzem ist ein ungewöhnlicher Erbrechtsfall auf dem Schreibtisch des Verfassers gelandet, bei dem eine unbedachte Regelung zur Nacherbschaft durch den Erblasser dazu führt, dass der als Vorerbe eingesetzte Sohn des Erblassers, der zwischenzeitlich selbst das 60 Lebensjahr überschritten hat, sich „kastrierten“ lassen müsste, um über eine zum Nachlass zählende Immobilie zu verfügen, und das, obwohl die beiden zu Nacherben eingesetzten, volljährigen Enkel mit der Verfügung einverstanden sind…
Unbedachte Formulierung bei Vorerbschaft und Nacherbschaft mit ungeahnten Folgen
Der Erblasser hatte 2 Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Während die Tochter kinderlos war, hatte der Sohn seinerseits 2 Kinder. Daraufhin formulierte der Erblasser sein Testament wie folgt:
„Ich setze meinen Sohn und meine Tochter zu Erben ein, wobei mein Sohn nur Vorerbe sein soll. Nacherben sollen seine ehelichen Abkömmlinge seien. Im Wege eines Vorausvermächtnisses soll mein Sohn meinen hälftigen Miteigentumsanteil Immobilie XY erhalten, wobei auch hier die vorgenannten Regelungen über Vorerbschaft und Nacherbschaft gelten sollen. Mein Sohn ist als Vorerbe befreit mit Ausnahme der Regelung des § 2113 BGB…“
Bei der Immobilie, die hier im Wege des Voraus Vermächtnisses zugewandt wurde, handelt es sich um eine Eigentumswohnung. Die 2. Hälfte hat der Sohn lebzeitig noch von der Mutter erhalten, sodass ihm also nach beiden Erbfällen eine Hälfte unbeschränkt und eine Hälfte mit der Nacherbenbeschränkung gehört. Die Regelung des § 2113 BGB, von der nicht befreit wurde, besagt sinngemäß, dass der Vorerbe nur mit Zustimmung der Nacherben über die Immobile verfügen kann.
Familie möchte Immobilie veräußern und erlebt unliebsame Überraschung
Die Enkel des Erblassers sind zwischenzeitlich volljährig. Um ein Haus in der Nähe der Eltern anzuschaffen, in das einer der Söhne dann als Mieter einziehen soll, soll für die Finanzierung die Immobilie und damit auch der mit der Nacherbschaft belastete Anteil veräußert werden. Die beiden Nacherben sind mit der Veräußerung einverstanden, verzichten also insoweit auf ihre Nacherbenstellung.
Wer jetzt meint, jetzt sei alles gut, der irrt, denn jetzt kommt der Knackpunkt im Testament. Durch die Formulierung „Nacherben sind die ehelichen Abkömmlinge“ schaltet sich das Betreuungsgericht in den Verkauf ein und bestellt einen Ergänzungspfleger für die noch nicht geborenen Abkömmlinge und das, obwohl der Vorerbe und seine Ehefrau bereits beide das 60. Lebensjahr überschritten haben. … Das Betreuungsgericht ist dabei der Meinung, dass der Vorerbe sich scheiden lassen, eine jüngere Frau ehelichen um mit dieser ein weiteres Kind oder weitere Kinder zeugen könnte, die zwar noch nicht geboren sind, und bei denen auch völlig unklar ist, ob sie niemals geboten werden, die aber gleichwohl nach dem Erblasserwillen schutzwürdig seien
Nicht nur, dass ein solcher Ergänzungspfleger Geld kostet und vom vorher bezahlt werden muss, so muss nun der Kaufvertrag so, jedenfalls nach den Vorstellungen des Betreuungsgerichts, so ausgestaltet sein, dass nach dem Verkauf sichergestellt ist, dass fiktiv ungeborene Nacherben gesichert sind, also ein Sparkonto mit Nacherbenvermerk auf dem nun unverzinst, bedroht von Inflation und Strafzinsen, der hälftige Verkaufserlös so lange geparkt wird bis der Vorerbe verstorben ist oder nachgewiesen nicht mehr in der Lage ist Kinder zu zeugen. Eine bloße Sterilisation reicht, wegen der Möglichkeit der Rückgängigmachung nicht aus. Stattdessen bleibt (neben einer rechtlichen Lösung) nur die biologische durch „Kastration“ … Autsch. So etwas tut weh. Der Erblasser würde sich vermutlich im Grabe umdrehen, wenn er wissen würde, in welche prekäre Lage er seinen Sohn und seine beiden Enkelsöhne mit seiner gut gemeinten, aber unbedachten Formulierung gebracht hat.
Bei der Gestaltung von Testamenten steckt der Teufel oft im Detail
Der Fall macht deutlich, was man nicht oft genug wiederholen kann. Die Formulierung von Testamenten, gerade bei werthaltigen Nachlässen, ist nichts für Laien, sondern muss zwingend Profis überlassen werden. Ein unbedachtes Wort kann dazu führen, dass die lieben Hinterbliebenen in sinnlose Rechtsstreitigkeiten getrieben und damit letztendlich postum das eigene Andenken beschädigt wird. Wer hier spart, der spart an der falschen Stelle.
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Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.