Blackout lautet der Name des Damoklesschwerts, das derzeit über ganz Europa hängt. Auch, wenn augenblicklich die milden Temperaturen zum Jahresende in Deutschland die Gasreserve schont, und daher in Deutschland, jedenfalls in diesem Winter, für viele der Blackout nur als hypothetisches Szenario erscheint, sind unsere Nachbarn in Österreich schon einen Schritt weiter. Dort wird bereits an die Bevölkerung ein Kochbuch für den Blackout verteilt, denn bei unseren Nachbarn stellt sich nicht die Frage, ob der Blackout kommt, sondern nur wann er kommt … Eines ist jedoch sicher. Wenn der Blackout kommt, dann zahlt am Ende die Zeche dafür, wenn nicht gearbeitet werden kann, ganz ohne „Wumms“ der Arbeitgeber, denn dieser trägt nach der Betriebsrisikolehre auch die Gefahr für höhere Gewalt.
Risikoverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Auch, wenn im Arbeitsrecht der Grundsatz gilt „Ohne Arbeit kein Lohn“, so gibt es doch zahlreiche Ausnahmen, in denen Arbeitnehmer gleichwohl einen Anspruch auf Lohn haben, ohne gearbeitet zu haben. Die bekanntesten Fälle sind dabei z.B. die Bezahlung an Feiertagen oder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Weniger bekannt ist, dass auch die Risikoverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entscheidende Auswirkungen darauf hat, ob ein Arbeitnehmer, der nicht gearbeitet hat, gleichwohl bezahlt werden muss. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem sog. Wegerisiko und dem Betriebsrisiko.
Das Wegerisiko trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer
Kommt der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit, weil er beispielsweise keine Möglichkeit hatte, seine E-Auto aufzuladen, da im Vorfeld beispielsweise bereits der Stromanbieter seine Wallbox vom Netz genommen hat und/oder die Bahn nicht fährt, dann hat der Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf Lohn, wenn er deshalb nicht zur Arbeit erscheinen kann, im Betrieb aber gleichwohl gearbeitet wird, denn das Wegerisiko, also das Risiko, rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen, trägt grundsätzlich stets der Arbeitnehmer.
Der Fall ist rechtlich nicht anders zu beurteilen, als derjenige, wenn beispielsweise ein Arbeitnehmer deshalb nicht zur Arbeit erscheint, weil im Winter sein Auto aufgrund von starkem Schneefall stecken geblieben ist oder die Bahn nicht fährt. Hier wie da ist der Arbeitnehmer dafür verantwortlich, dass er rechtzeitig zur Arbeit im Betrieb erscheint.
Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber
Der Arbeitgeber muss dagegen die Voraussetzungen schaffen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung auch erbringen kann. Er muss also dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen. Der Arbeitgeber muss also nicht nur dafür Sorge tragen, dass rechtzeitig genügend Werkstoffe vorhanden sind, damit der Arbeitnehmer die geschuldete Tätigkeit verrichten kann, sondern auch dafür, dass Strom vorhanden ist, damit Maschinen oder EDV betrieben werden können. Ist dies nicht der Fall, kann sie also der Arbeitgeber nicht beschäftigen, dann muss er trotzdem bezahlen.
Achtung: Dies gilt allerdings dann nicht, wenn Arbeitnehmer in der Lage sind, auch Tätigkeiten auszuüben, die ohne Strom erledigt werden können. Wenn also beispielsweise es längst überfällig ist, dass im Büro mal wieder Ablage gemacht oder aufgeräumt wird, dann kann der Arbeitgeber die Arbeitnehmer auch anweisen in der „stromfreien Zeit“ diese Tätigkeiten auszuführen. Dies jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst wird, also nicht so unterwertig ist, dass Arbeitnehmer diese nicht ausführen müssen. Im Ergebnis müssen es also Tätigkeiten seien, deren Ausführung der Arbeitgeber auch ohne Blackout anweisen kann.
Tipp: Nachdem im Falle eines Blackouts eine Kommunikation mit dem Arbeitgeber per Telefon, E-Mail oder WhatsApp kaum möglich sein wird, ist zu empfehlen bereits im Vorfeld im Betrieb festzulegen, wie im Falle eines Blackouts verfahren werden soll. Wenn es keine feste Absprache gibt, dann sind Arbeitnehmer stets auf der sicheren Seite, wenn sie im Betrieb erscheinen und dem Arbeitgeber die Arbeitsleistung anbieten. Kann dieser die Arbeitsleistung nicht annehmen, weil er keine Arbeit hat, die er zuweisen kann, dann kommt er hierdurch in Annahmeverzug und schuldet gleichwohl die Lohnzahlung.
Anmerkung:
Rechtsprechung zu der Thematik Entfall der Arbeitsleistung wegen Blackouts gibt es noch keine. Die dargestellten Grundsätze basieren daher auf den allgemeinen Regeln über die Risikoverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das Risiko eines Blackouts einseitig auf die Arbeitgeber abzuwälzen ist zwar auf den 1. Blick naheliegend. Auf den 2. Blick ist es allerdings nicht ganz so zwingend, wie es auf den 1. Blick erscheinen mag, denn die Energiewende und der Ukrainekrieg einerseits und die politischen Reaktionen darauf andererseits, geben durchaus auch Spielraum für eine andere Betrachtung, weil vieles nicht voraussehbar war. Arbeitgeber mussten nämlich nicht damit rechnen, dass Russland die Ukraine angreift und daraufhin Europa und Deutschland Sanktionen verhängen, in deren Folge die gesamte Energieversorgung infrage gestellt wird. Nachdem letztlich Entscheidungen deutscher Politik jedenfalls mitursächlich für einen möglichen Blackout sind, ließe sich mit Blick auf die Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 13. Oktober 2021, 5 AZR 211/21) zu behördlichen Betriebsschließungen aufgrund Corona, durchaus auch damit argumentieren, dass eine Nichtbeschäftigung aufgrund mangelnder Stromversorgung nicht vom Arbeitgeber zu verantworten ist, weil es sich um eine Folge staatlichen Handelns handelt. Dieser ist nämlich nicht nur mitverantwortlich, dafür, dass die Energiepreise explodieren, sondern er nimmt auch billigend in Kauf, dass die Energieversorgung teilweise zusammenbricht und es zu einem Blackout kommt, ohne dass einzelne Arbeitgeber in der Lage wären, für den Ernstfall vorzusorgen. Auch, wenn hier im Gegensatz zu dem vorgenannten Urteil, nicht eine ausdrückliche behördliche Anordnung dazu geführt hat, dass Mitarbeiter nicht beschäftigt werden konnten, so ist es jedenfalls eine staatliche Entscheidung, die das Szenario überhaupt erst denkbar gemacht hat. Arbeitgeber, Arbeitnehmer, aber auch die Einwohner Deutschlands sind insoweit vollständig politischen Entscheidungen ausgeliefert.
Von daher könnte man auch damit argumentieren, dass es unbillig ist, wenn Arbeitgeber einseitig für politische (Fehl-) Entscheidungen die Zeche zahlen müssen. Dies erst recht, wenn im Winter 2023/2024 sich durch ein Abschalten der verbliebenen Atomkraftwerke einerseits bei einer gleichzeitigen (staatlich gewünschten) Zunahme von Elektroautos andererseits und einem steigenden Energiebedarf aufgrund verstärktem Zuzug durch Migration, die Lage am Strommarkt weiter verschärfen wird.
Am Ende wird auch hier wieder die Frage im Raum stehen, ob der Staat betroffene Arbeitgeber unterstützen oder gleich durch Lohnfortzahlung entstandene Schäden ausgleichen muss, weil jeder Arbeitgeber sich darauf verlassen können muss, dass es nicht zu länger anhaltenden flächendeckenden Stromausfällen in Deutschland kommt. Das, was wohl die Konzerne mit Milliardengewinnen vielleicht problemlos stemmen können, kann für Kleinunternehmen existenzbedrohend sein. Betrachtet man beispielsweise einen Kleinbetrieb, bei dem neben dem Chef nur ein Mitarbeiter beschäftigt ist. Da wird es ziemlich schwierig zu begründen, warum der Arbeitgeber, der selbst keinerlei Einnahmen mehr hat und oft auch mangels entsprechend hohem Gewinn über keine Rücklagen verfügt, nicht nur während des Blackout die Miete für seinen Laden, seine Werkstatt oder sein Büro weiter bezahlen muss, sondern auch noch der Mitarbeiter mit dem er sonst auf Augenhöhe arbeitet.
Je nach Dauer des Stromausfalls könnte auch Kurzarbeitergeld Arbeitgeber entlasten, denn der Arbeitsausfall besteht bei einem Blackout auf einem unabwendbaren Ereignis, so dass damit grundsätzlich ein Zugang zur Kurzarbeit möglich erscheint. Problematisch ist allerdings auch hier der fehlende Strom, denn im Blackout gibt es auch keine Verbindung zur Arbeitsagentur.