Bei der Formulierung von Testamenten ist die präzise Definition von Begriffen von essenzieller Bedeutung, denn ansonsten ist Streit um den Nachlass vorprogrammiert. Ein Beispiel für die Komplexität solcher Definitionen stellt der Begriff des Barvermögens dar, mit dem sich das OLG Oldenburg in seinem Urteil vom 20.12.2023 (3 U 8/23) zu befassen hatte. Dies deshalb, weil zwischen den Erben und der Vermächtnisnehmerin Streit darüber entstanden ist, ob darunter auch Wertpapiervermögen zu verstehen ist oder nicht.
Der Begriff des Barvermögens
Traditionell verstand man unter „Barvermögen“ physisches Bargeld. Die Entwicklung des Zahlungsverkehrs hat jedoch zu einer erweiterten Interpretation geführt. Laut dem OLG Oldenburg (Urteil vom 20.12.2023, 3 U 8/23, BeckRS 2023, 39974) umfasst der Begriff des Barvermögens heute das gesamte Geld, das sofort verfügbar ist – also auch elektronisch über Kartenzahlungen. Wertpapiere fallen hingegen nicht unter diesen Begriff, sondern werden dem „Kapitalvermögen“ zugeordnet.
Geldvermächtnis sorgt für Streit
In einem Fall, der vom OLG Oldenburg behandelt wurde, setzte ein Erblasser in seinem Testament seine Erben ein und bestimmte, dass das vorhandene Barvermögen zu einem Drittel an seine Tochter ausgezahlt werden soll. Diese hatte zuvor bereits im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge eine Immobilie unter Anrechnung auf Erb- und Pflichtteil erhalten. Der Streit entstand über die Auslegung des Begriffs „Barvermögen“, da das Vermögen des Erblassers neben Bargeld auch Bankguthaben und Wertpapiere umfasste. In dem notariellen Testament war dabei zugunsten der Klägerin geregelt:
„Das bei Eintritt des Erbfalls vorhandene Barvermögen soll zu 1/3 an meine Tochter, geboren am … 1968, ausgezahlt werden.“
Die Klägerin war dabei der Auffassung, der Erblasser habe seine gesamten liquiden Mittel gemeint. Neben dem Guthaben bei Kreditinstituten und Bargeld seinen deshalb auch die vorhandenen Wertpapiere von Ihrem Vermächtnis erfasst.
Die Erben sahen dies naturgemäß anders, so dass am Ende ein Gericht darüber entscheiden musste, was der Erblasser nun genau gemeint hat.
Juristische Bewertung
Das Gericht stellte fest, dass unter „Barvermögen“ im Sinne des Testaments das Bargeld im engeren Sinne und die bei Banken befindlichen sofort verfügbaren Gelder zu verstehen sind. Wertpapiere, auch wenn sie monetäre Werte darstellen, fallen nicht unter diesen Begriff. Relevant hierfür ist § 2174 BGB, welcher die Auslegung von Vermächtnissen regelt.
Die Auslegung des Testaments ist entscheidend, um den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln. Hierzu ist eine erläuternde Testamentsauslegung erforderlich. Der BGH hat in der Vergangenheit mehrfach betont, dass der wirkliche Wille des Erblassers und nicht der buchstäbliche Sinn des Ausdrucks maßgebend ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.10.1975, IV ZR 17/74).
Fazit
Die Entscheidung des OLG Oldenburg verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Formulierung in Testamenten und der genauen Betrachtung jedes einzelnen Begriffs. Es wird klar, dass „Barvermögen“ im heutigen Kontext mehr als nur physisches Bargeld umfasst und dass die Abgrenzung zum Kapitalvermögen, insbesondere bei Wertpapieren, entscheidend ist.
Wenn Sie also Streit innerhalb ihrer Familie vermeiden möchten, dann ist es unerlässlich, bei der Formulierung eines Testaments die richtigen Begrifflichkeiten zu verwenden. Wir beraten und unterstützen Sie gerne dabei. Deutschlandweit.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.