Wem eine Abmahnung ins Haus flattert, weil von seinem Internetanschluss eine Urheberrechtsverletzung durch Filesharing begangen worden sein soll, der fällt oft, wenn er selbst nicht als Täter in Betracht kommt, zunächst aus allen Wolken. Ist der erste Schreck verflogen, dann reicht es zur Rechtsverteidigung aber nicht aus, die eigene Täterschaft zu bestreiten. Dies deshalb, weil nach der Rechtsprechung grundsätzlich vermutet wird, dass der Inhaber des Anschlusses auch verantwortlich ist und damit haftet.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der so Abgemahnte einen Sachverhalt vortragen kann, der die Täterschaft eines anderen als durchaus möglich erscheinen lässt und auch dafür den Inhaber des Anschlusses keine Verantwortung trifft. Nachdem das, was zur Rechtsverteidigung vorgetragen werden muss, von den Instanzgerichten teilweise sehr unterschiedlich beurteilt wurde, hat sich nun sogar das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 23.09.2016 (2 BvR 1797/15) mit dieser Problematik befasst und klargestellt, dass der BGH bereits geklärt hat, wann eine Haftung ausscheidet.
Auch, wenn es nach seiner Prüfung zum Ergebnis gelangt ist, dass das angegriffene Urteil des Landgerichts München I fehlerhaft gewesen ist, so dass an sich die Verfassungsbeschwerde begründet gewesen wäre, hat es gleichwohl die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Dies deshalb, weil sich während des laufenden Beschwerdeverfahren die Rechtsprechung des BGH zur Frage der sekundären Darlegungslast soweit gefestigt und konkertisiert hat, dass es keiner weitern Entscheidung bedurfte. Aufgrund der gefestigten BGH-Rechtsprechung hätte dem Beschwerdeführer selbst die Aufhebung des Urteils nicht geholfen, weil auf dieser Grundlage dann das Landgericht München I wieder zum gleichen Ergebnis hätte kommen müssen. Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht den Stand der Rechtsprechung schön dargestellt, so dass sich für alle, die abgemahnt worden sind, durchaus ein Blick in die Urteilsgründe lohnt.
Das war passiert
Während das Amtsgericht München noch die Klage auf Zahlung von Schadenersatz und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten abgewiesen hat, hat das Landgericht München I das Urteil aufgehoben und den Anschlussinhaber zur Zahlung verurteilt. Begründet wurde das Urteil damit, dass der Beklagte zwar dargelegt hatte, dass der Anschluss auch von seinen Familienmitgliedern genutzt wird, sich dann aber deren Einlassung, dass diese ebenfalls nicht für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich gewesen seien, zu eigen gemacht habe. Der Sachvortrag weder er noch seine Familie habe die Urheberrechtsverletzung begangen, sei nicht plausibel. Er habe damit seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt. Dass die Rechtsverletzung von unbekannten Dritten begangen worden sei, sei nicht substantiiert vorgetragen wurden.
Die Revision wollte das Landgericht nicht zulassen, weil nach seiner Auffassung die Sache keine grundsätzliche Bedeutung gehabt habe und auch nicht der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gedient habe. Es gehe lediglich um eine Einzelfallentscheidung.
Bundesverfassungsgericht fasst Grundsätze der sekundären Darlegungslast beim Filesharing zusammen
Auch, wenn das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das Landgericht München I durch die Nichtzulassung der Revision gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verstoßen hat, also das angegriffene Urteil aus Rechtsgründen aufzuheben wäre, hat es gleichwohl die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil zwischenzeitlich die zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung noch offenen Fragen durch die Rechtsprechung des BGH ausreichend geklärt sind. Eine weitere Entscheidung des BGH sei nicht erforderlich.
Zur Begründung hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
„2. Die Verfassungsbeschwerde ist dennoch nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat weder grundsätzliche Bedeutung, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt sind, noch ist sie zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a und b BVerfGG). Es ist deutlich abzusehen, dass auch im Fall der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits der Klage gegen den Beschwerdeführer mit Blick auf die vom Bundesgerichtshof inzwischen konkretisierten Grundsätze zur sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, MMR 2016, S. 131 <132>) stattgegeben würde, so dass dem Beschwerdeführer durch die Versagung einer Entscheidung zur Sache kein besonders schwerer Nachteil entsteht (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. auch BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
a) Das Landgericht München I hat festgestellt, dass der Vortrag des Beschwerdeführers, sofern er dahingehend zu verstehen sei, dass er sich die Aussagen seiner Familienangehörigen zu eigen mache und damit vortrage, weder er noch seine Familienangehörigen hätten die Rechtsverletzung begangen, nicht plausibel sei und damit der sekundären Darlegungslast nicht genüge. Sofern der Vortrag des Beschwerdeführers dahingehend zu verstehen sei, dass es zwar theoretisch möglich sei, dass seine Ehefrau oder eine der Töchter die Rechtsverletzung begangen habe, er hiervon jedoch nicht ausgehe, weil er ihrer Auskunft glaube, aber nicht mit Sicherheit wisse, ob die Auskunft zutreffend sei, genüge der Vortrag der sekundären Darlegungslast ebenfalls nicht. Denn dieser sei zum einen widersprüchlich und zum anderen ergebe sich hieraus gerade nicht, dass auch eine andere Person als der Anschlussinhaber als Täter in Betracht komme. Um der sekundären Darlegungslast zu genügen, hätte der Beschwerdeführer vielmehr konkret darlegen müssen, ob und warum seine Ehefrau oder eine seiner Töchter dennoch – obwohl sie die Rechtsverletzung nicht zugestanden hätten und er ihnen guten Glauben schenken wolle – als Täter in Betracht kämen. Der Beschwerdeführer habe sich insoweit mit der pauschalen Auskunft seiner Familienangehörigen begnügt, die im Widerspruch zur feststehenden Rechtsverletzung über seinen Internetanschluss und zu seiner eigenen Einlassung, dass er es nicht gewesen sei, stehe. Er habe vorgetragen, seinen Computer überprüft und darauf keine Spuren des Films gefunden zu haben. Es fehle jeglicher Vortrag dazu, inwiefern der Computer dahingehend überprüft worden sei, ob sich auf ihm eine Software für ein Tauschbörsenprogramm befunden habe.
b) Auch der Bundesgerichtshof geht in seiner die sekundäre Darlegungslast konkretisierenden Entscheidung vom 11. Juni 2015 davon aus, dass ein Vortrag des Anschlussinhabers, zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung habe keine andere Person seinen Internetanschluss benutzen können, die tatsächliche Vermutung seiner Täterschaft nicht widerlege (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, MMR 2016, S. 131 <132>). Er erteilte dem Einwand des dortigen Anschlussinhabers, dass in den Fällen, in denen der Internetanschluss von mehreren Personen im Haushalt genutzt werde, kein Raum für eine tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers bestehe, ausdrücklich eine Absage und stellte dabei klar, dass es nicht auf die Nutzungsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern konkret auf die Situation zum Verletzungszeitpunkt ankomme (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, MMR 2016, S. 131 <132>). Er hat zudem ausdrücklich festgestellt, dass es im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht ausreichend sei, dass der Anschlussinhaber nur die eigene Täterschaft in Abrede stelle und pauschal die bloß theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behaupte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, MMR 2016, S. 131 ).
c) Der Beschwerdeführer hat im Ausgangsverfahren lediglich seine eigene Täterschaft in Abrede gestellt und entweder gleichzeitig auch die Täterschaft seiner Familienmitglieder bestritten und damit (konkludent) abstrakt auf einen trotz der Verschlüsselung des Anschlusses mit einem Passwort möglichen Zugriff eines Dritten verwiesen oder sich – unter (konkludentem) Bestreiten des Wahrheitsgehalts von deren Aussage – auf die generell bestehende Zugriffsmöglichkeit der in seinem Haushalt lebenden Familienangehörigen berufen. Es fehlen jedoch konkrete Darlegungen zur Möglichkeit, dass ein unbefugt handelnder Dritter Täter der Rechtsverletzung sein könnte. Zudem wurde die Möglichkeit einer Tatbegehung durch die Familienangehörigen des Beschwerdeführers – trotz der unternommenen und mitgeteilten Nachforschungen – nicht über die allgemein bestehende Möglichkeit einer Internetnutzung durch diese hinaus konkretisiert. Hierzu hätte es Darlegungen des Beschwerdeführers zum konkreten Nutzungsverhalten seiner Familienmitglieder zum Tatzeitpunkt oder zum Vorhandensein von Filesharing-Software auf dem Computer beziehungsweise zu auffindbaren Spuren des Films auf dem Computer bedurft (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, MMR 2016, S. 131 <132>).“