Augenblicklich vergeht kaum ein Tag, an dem sich in deutschen Großstädten sich selbst ernannte sog. Umweltaktivisten der letzten Generation oder andere Organisationen auf Straßen festkleben, um für Stau in Deutschlands Großstädten zu sorgen. Dass hierdurch nicht nur Leib und Leben gefährdet werden können, wenn Krankenwägen beispielsweise nicht rechtzeitig Unfallopfer erreichen, sondern oft auch Termine versäumt werden, weil hunderte von Arbeitnehmern zu spät zur Arbeit kommen, wird als „Kollateralschäden“ billigend in Kauf genommen, geht es doch, jedenfalls vordergründig, um die gute Sache Umweltschutz. So die moralische Legitimation der Delinquenten.
Während zwischenzeitlich strafrechtlich darüber diskutiert wird, ob bestehende Strafgesetze ausreichen, um die damit verbundenen Eingriffe in den Straßenverkehr, die Fortbewegungsfreiheit der Verkehrsteilnehmer aber auch gegen das Versammlungsrecht, wenn die Aktion nicht angemeldet worden ist, zu sanktionieren, oder diese einfach nur nicht oder nicht hart genug angewendet werden, wird bislang kaum darüber nachgedacht, ob diejenigen, die vorsätzlich Staus verursachen auch für daraus entstehende Schäden zivilrechtlich in Haftung genommen werden können. Wir gehen daher heute zunächst der Frage nach, welche Auswirkungen einseitig provoziert Stau auf ein Arbeitsverhältnis hat, wenn Arbeitnehmer durch bewusst provozierte Staus daran gehindert werden rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen.
Das Wegerisiko trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer
Arbeitsrechtlich sind die Risiken zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ganz klar verteilt. Das sog. Wegerisiko trägt dabei grundsätzlich der Arbeitnehmer. Dies bedeutet, er ist dafür verantwortlich rechtzeitig am Arbeitsplatz zu erscheinen und zwar gleichgültig, ob es regnet stürmt oder schneit oder aber ein Stau darauf zurückzuführen ist, dass manche Zeitgenossen es für opportun halten, den Straßenverkehr bewusst durch das Festkleben auf Straßen zu behindern. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn der Arbeitgeber das Transportmittel zur Verfügung stellt, also z.B. der Arbeitnehmer nicht selbstständig zur Arbeit anreist, sondern von einem Werkbus des Arbeitgebers abgeholt wird und dieser dann im Stau steht.
Müssen Arbeitnehmer die versäumte Arbeitszeit nacharbeiten?
Eine Nacharbeit der Zeit, die der Arbeitnehmer im Stau versäumt hat, kommt grundsätzlich nicht in Betracht und ist auch nicht geschuldet. Dies deshalb, weil die Erbringung der Arbeitsleistung sog. Fixschuldcharakter hat. Dies bedeutet, dass sie zu einer bestimmten Zeit zu bringen ist. Wer also wegen Stau am Montag 2 Stunden fehlt, der muss nicht an einem anderen Tag, z.B. am Freitag oder Samstag, die versäumte Zeit nachholen.
Wie wirkt es sich auf die Lohnansprüche des Arbeitnehmers aus, wenn diese durchprovozierten Stau nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheinen?
Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Dies bedeutet, dass dann, wenn der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheint, er jedoch versäumte Zeit zwar einerseits nicht hereinarbeiten muss, andererseits aber auch insoweit keinen Anspruch auf Lohnzahlung hat. Wenn der Arbeitgeber hier also penibel ist und nicht mit dem Arbeitnehmer eine großzügige oder flexible Lösung findet, dann erhält der Arbeitnehmer am Ende des Monats weniger Geld. Gerade in Zeiten, in denen aufgrund von steigenden Preisen in vielen Haushalten Geld ohnehin knapp ist, kann dies aus Arbeitnehmersicht ausgesprochen misslich sein, insbesondere wenn solche Staus regelmäßig provoziert werden, also damit mehrmals im Monat Arbeitsstunden auf der Strecke bleiben.
Wie können Geschädigte reagieren?
Sie können , solange die Polizei noch nicht vor Ort ist, selbst Hand anlegen, also von Ihrem Notwehrrecht Gebrauch machen oder versuchen Schadenersatz zu erlangen.
Notwehrrecht der Autofahrer
Nachdem Recht dem Unrecht nicht weichen muss, steht Ihnen, jedenfalls solange die Polizei nicht vor Ort ist, auch ein Notwehrrecht zu. Dies bedeutet, Sie können allein oder gemeinsam mit anderen versuchen die Blockade zu beseitigen, die rechtswidrig Ihre Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigt. Dabei müssen sie auch nicht zimperlich sein. Sie können die Blockierer auch unsanft von der Straße lösen und gemeinsam mit anderen wegtragen. Achten Sie dann aber darauf, dass sie ruhig und sachlich bleiben. Beleidigungen, Bedrohungen oder Schläge sind nicht zulässig. Ihr Recht auf Eigeninitiative erlischt, wenn die Polizei vor Ort ist und sich der Sache annimmt.
Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen
Bekanntlich gilt der Grundsatz „Wo kein Kläger da kein Richter“. Wenn Sie also nichts unternehmen, dann zahlen Sie mit einer Lohneinbuße als Arbeitnehmer die Zeche.
Wer darüber nachdenkt nun zivilrechtlich auf Schadenersatz gegen einzelne Straßenkleber vorzugehen, der steht zunächst vor dem Problem, dass für eine Klage vor dem Zivilgericht stets Namen und Anschrift des Beklagten bekannt sein muss. Da Straßenkleber, selbst wenn Sie als Geschädigter in der Lage sind, direkt mit diesen zu sprechen, wohl kaum Name und Anschrift preisgeben werden, können Sie zunächst versuchen diese von den Polizeibeamten zu erlangen, die die Entfernung vornehmen und an sich ein Strafverfahren wegen Gefährdung des Straßenverkehrs/Nötigung einleiten müssen oder aber Sie erstatten Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Nötigung und versuchen sich dann später aus Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft die erforderlichen Daten zu holen.
Zivilrechtlich Anspruchsgrundlage könnte dann § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 240 StGB sein, weil es sich beim Nötigungstatbestand um ein Schutzgesetz handelt, so dass Ansprüche aus unerlaubter Handlung denkbar sind. So jedenfalls die Theorie.
In der Praxis wird es allerdings meist schwierig sein die Ansprüche dann auch wirklich mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen, weil, je nach dem Wert Ihrer Arbeitsleistung, der Streitwert wegen ausgefallener Arbeitszeit voraussichtlich so gering sein wird, dass – jedenfalls zu gesetzlichen Gebühren – kaum eine Kanzlei ein solches Verfahren übernehmen möchte. Etwas anderes wäre es wohl, wenn es Ihnen weniger ums Geld, sondern mehr ums Prinzip geht, Sie also auch einen Rechtsstreit führen, der am Ende, selbst wenn er erfolgreich ist, sich finanziell nicht gelohnt hat.