Arbeitgeber reagieren oft sehr impulsiv, manchmal zu impulsiv, wenn sie das Gefühl haben, von ihren Arbeitnehmern nicht ernst genommen oder gar hintergangen zu werden. Gerade eine Krankmeldung kann für Zwist sorgen, wenn der Arbeitgeber aufgrund der Gesamtumstände den Eindruck hat, diese ist nur vorgetäuscht. Wer hier als Arbeitgeber allerdings sofort mit einer Kündigung reagiert, der muss bedenken, dass eine Kündigung aus Anlass einer Krankmeldung ist eine heikle Angelegenheit ist. Arbeitgeber stehen hier vor der Herausforderung, dass eine solche Kündigung leicht als unwirksam angesehen werden kann. Es besteht die Gefahr, dass sie als unzulässige Maßregelung gemäß § 612a BGB gewertet wird. Der folgende Artikel beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen, die einschlägige Rechtsprechung und die Anforderungen an eine wirksame Kündigung unter diesen Umständen.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Nach § 612a BGB darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Dieses Benachteiligungsverbot soll den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit schützen und ihm ermöglichen, seine Rechte ohne Furcht vor negativen Konsequenzen wahrzunehmen. Ein Verstoß gegen dieses Maßregelungsverbot liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund für die benachteiligende Maßnahme, wie beispielsweise eine Kündigung, ist. Es reicht jedoch nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet.
Darlegungs- und Beweislast
Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB. Das bedeutet, er muss nachweisen, dass die Kündigung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausübung seiner Rechte steht. Dazu muss der Arbeitnehmer einen Sachverhalt vortragen, der auf einen solchen Zusammenhang hindeutet. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, sich zu diesen Vorwürfen im Detail zu äußern und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Kündigung auf anderen, rechtmäßigen Gründen basiert.
Der Fall über den das LAG Mecklenburg-Vorpommern zu entscheiden hatte
In einem wegweisenden Urteil hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern am 31. Januar 2023 (Az.: 5 Sa 104/22) wichtige Grundsätze für die Beurteilung von Kündigungen aus Anlass einer Krankmeldung herausgearbeitet. Das LAG stellt klar, dass eine Kündigung nur dann als unzulässige Maßregelung gilt, wenn das zulässige Fernbleiben von der Arbeit tatsächlich sanktioniert werden soll.
Laut dem LAG Mecklenburg-Vorpommern handelt es sich regelmäßig nicht um eine Sanktionierung des zulässigen Fernbleibens, wenn der Arbeitgeber während der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers die Erfüllung von Nebenpflichten verlangt, wie beispielsweise die Herausgabe von Arbeitsmitteln oder die Erteilung notwendiger Auskünfte, und bei Verstößen gegen diese Pflichten mit einer Kündigung reagiert.
Praktische Implikationen für Arbeitgeber
Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie bei der Kündigung eines erkrankten Mitarbeiters besonders sorgfältig vorgehen müssen. Insbesondere sollten sie sicherstellen, dass die Kündigung nicht aufgrund der Krankmeldung selbst, sondern aufgrund anderer, rechtmäßiger Gründe erfolgt. Es empfiehlt sich, die Kündigungsgründe klar und nachvollziehbar zu dokumentieren und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen.
Fazit
Die Kündigung aus Anlass einer Krankmeldung ist rechtlich komplex und birgt ein hohes Risiko für Arbeitgeber. § 612a BGB schützt Arbeitnehmer vor Benachteiligungen aufgrund der Ausübung ihrer Rechte, und die Rechtsprechung des LAG Mecklenburg-Vorpommern unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung der Kündigungsgründe. Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass ihre Maßnahmen nicht als unzulässige Maßregelung interpretiert werden können, und im Zweifel rechtlichen Beistand suchen. Eine transparente und gut dokumentierte Vorgehensweise ist der Schlüssel, um rechtliche Risiken zu minimieren.
Die Rechtsprechung zeigt, dass eine differenzierte Betrachtung notwendig ist, um zwischen zulässigen und unzulässigen Kündigungen zu unterscheiden. Arbeitgeber sind gut beraten, ihre Handlungen und Entscheidungen in solchen sensiblen Fällen gründlich zu prüfen und zu dokumentieren, um sich vor möglichen Rechtsnachteilen zu schützen.