Das Leben in Deutschland ist 2022 teuer geworden. Inflationsraten von über 10 % und Steigerungen bei Lebensmittelpreisen von über 20 % bringen nicht nur Geringverdiener und Menschen ohne Rücklagen in finanzielle Bedrängnis, sondern auch die Mittelschicht gerät zunehmend in Bedrängnis. Besonders teuer ist das Leben in der Gemeinde Icking, südlich von München, denn dort wurde zusätzlich der Preis für den Bezug von Trinkwasser von 1,43 € netto auf 3,88 € netto, dies entspricht 4,15 € brutto pro Kubikmeter, erhöht. Eine satte Preissteigerung um fasst 170 %, die die rund 3000 Einwohner Ickings noch zusätzlich zur allgemeinen Steigerung der Lebenshaltungskosten zu stemmen haben.
Wasserpreisexplosion in Icking bringt Landwirte in Bedrängnis
Bereits im Dezember 2021 hatte der Gemeinderat, von den Einwohnern weitgehend unbemerkt, die Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung rückwirkend zum 01.07.2021 geändert. Die meisten Einwohner haben davon erst bewusst Kenntnis erlangt, als ihnen dann ab Frühjahr die Wasserbescheide für 2021 sukzessive zugestellt worden und damit nicht nur satte Nachzahlungen für 2021 fällig wurden, sondern auch üppige Vorauszahlungen für 2022. Dass eine solche Preiserhöhung für Trinkwasser in Deutschland nicht nur ein Novum, sondern ein Skandal ist, weil jahrzehntelange Versäumnisse der Kommunalpolitiker dazu geführt haben, dass ein Renovierungsrückstau am gemeindlichen Kanalsystem entstanden ist, wird vordergründig oft mit Verweis auf die Ickinger Poolbesitzer, die dies aus der Portokasse bezahlen würden, heruntergespielt. Und wer partout sparen müsse, der könne ja auch, entsprechend den Empfehlungen manch grüner Politiker, auf die Dusche verzichten und zum Waschlappen greifen. Sowas jedenfalls war es in der SZ am vergangenen Wochenende im Kommunalteil unter dem Titel „Nothilfe für die Bauern“ zu lesen. Auch das ist ein Skandal, denn auch wenn die Bewohner Ickings, nicht zuletzt wegen der großzügigen Bauweise aufgrund der gemeindlichen vorgegebenen Grundstücksgrößen, gemeinhin als eher wohlhabend angesehen werden, gibt es, jedenfalls derzeit, keine gesetzliche Grundlage, den Wasserpreis am Einkommen oder Vermögen des Verbrauchers festzumachen. Den Grundsatz, dass unterschiedliche Einkommen ausschließlich bei der Einkommensteuer Berücksichtigung finden, ansonsten aber grds. Gebühren und Abgaben für alle Bewohner Deutschlands einkommensunabhängig erhoben werden, ist lediglich Angriffspunkt einiger linker Populisten, um bei der Selbstvermarktung mediale Aufmerksamkeit zu erlangen und Umverteilungsfantasien zu befeuern. Die Versorgung der Bevölkerung mit (bezahlbarem) Trinkwasser zählt zur sog. Daseinsvorsorge und fällt in den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden, Art. 57 Abs. 2 BayGO. Nach dieser Vorschrift sind die Gemeinden in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet Einrichtungen zur Versorgung mit Trinkwasser herzustellen und zu unterhalten.
Wer heute in Icking lebt, bezahlt also mit seinen Wassergebühren für die Versäumnisse der Kommunalpolitik aus der Vergangenheit.
Ickinger Landwirte sollen Ausgleichszahlungen für (zu) hohe Wasserpreise erhalten
Was aber offensichtlich die Gemeinderäte bei der Änderung ihrer Satzung überhaupt nicht bedacht hatten ist, dass es sich bei Icking nicht nur um eine Schlafburg der Wohlhabenden handelt, sondern um eine ländliche Gemeinde, in der neben alten Villen und neuen Doppel- und Reihenhäusern auch zahlreiche Landwirte Viehwirtschaft betreiben. Und da beginnt ein existenzielles Problem. Rinder, die auf Ickings Weiden stehen, sind, jedenfalls an heißen Sommertagen, durstig. So durstig, dass bis zu 150 l pro Kuh und Tag an Wasser verbraucht werden. Hinzu kommt, dass die Landwirte weiteres Trinkwasser benötigen, um entsprechend den Vorgaben der Hygieneverordnung ihre Anlagen zu spülen. Wasserbescheide im 5-stelligen Bereich sind nun für betroffene Landwirte die Regel und für viele finanziell auf Dauer nicht darstellbar. Milchwirtschaft wird aufgrund der Wasserpreise zum Verlustgeschäft.
Offenbar in Anlehnung an die derzeitige Bundespolitik, in der einerseits die Bürger er geschröpft und andererseits im Gießkannenprinzip dann Almosen, pardon Entlastungen, in Form von allen möglichen Subventionen umverteilt werden, hat nun am vergangenen Donnerstag auch der Umweltausschuss ein Programm zur Rettung der Ickinger Bauern in Form einer sog. Nothilfe Trinkwasser vorgestellt, in der Landwirte für die Jahre 2022-2024 einmal jährlich Zuschüsse erhalten sollen, deren Höhe an die sog. Großvieheinheiten gekoppelt werden soll. Die Einzelheiten, insbesondere in welcher Höhe die Gemeinde die Bauern unterstützen wird, sind, jedenfalls öffentlich, nicht erörtert worden. Zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung mit anderen Benutzern der Ickinger Trinkwasserversorgung wurde damit argumentiert, dass die Bauern ein „Sonderopfer“ erbringen würden, dass es auszugleichen gelte. Kritische Stimmen gegen diese Form der gemeindlichen Subventionierung, in der einzelne nun bevorzugt würden, die aber über viele Jahre hinweg auch davon profitiert hätten, dass die Gemeinde geradezu sträflich den Unterhalt der Kanalisation unterlassen hatte und hierdurch an sich zu wenig für den Wasserbezug gezahlt wurde, und wofür die Gemeinde gar kein Mandat hätte, wurden – auch das ist politischer Populismus – mit der Begründung im Keim erstickt, dass es den Kritikern wohl darum gehen würde, einheimische landwirtschaftliche Betriebe kaputt zu machen. Ebenso wenig blieb unklar, wie die Zahlungen an die Bauern finanziert werden sollen. Dass vielleicht die im letzten Dezember beschlossene Änderung der gemeindlichen Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabensatzung, das eigentliche Problem ist, und hier gegebenenfalls nachgebessert werden müsste, war dagegen kein Thema …
Erhöhung der Wasserpreise (Satzungsänderung) kann noch bis zum 9. Dezember 2022 angegriffen werden
Dass die Gemeinde sich nun 11 Monate Zeit gelassen hat auf bereits frühzeitig vorgebrachte Beschwerden der Landwirte zu reagieren verdeutlichte zweierlei: zunächst einmal das deren Ängste nicht mit besondere Priorität behandelt wurden, denn selbst dann, wenn betroffene Landwirte gegen die ergangenen Abwasserbescheide Widerspruch eingelegt haben, so entfaltete dieser keine aufschiebende Wirkung, mit der Folge, dass diese nun für 11 Monate bereits ganz erhebliche Vorauszahlungen auf die geänderten Wasserkosten gezahlt haben.
Die Satzungsänderung, die für die Erhöhung der Wasserpreise Grundlage ist, ist am 10.12.2021 in Kraft getreten. Das jetzt aber kurz bevor im Dezember die Frist abläuft, innerhalb der die Satzungsänderung mittels Normenkontrolle nach § 47 VwGO zum bei VGH und/oder Popularklage nach Art. 98 S. 4 BV zum BayVerfGH angegriffen werden kann, macht aber dann doch deutlich, dass die Gemeinde offensichtlich befürchtet hat, dass dann, wenn den Landwirten nichts angeboten wird, der ein oder andere versuchen wird, die für ihn existenzbedrohende Satzung mit gerichtlicher Hilfe zu Fall zu bringen. Nachdem die Mühlen der Justiz bekanntlich langsam mahlen und postive Eilentscheidungen in derartigen Verfahren eher die Ausnahme als die Regel sind, wäre in diesem Fall noch lange ein Schwebezustand zu befürchten gewesen, bevor geklärt worden wäre, ob die Satzung auch einer gerichtlichen Nachprüfung standhält. Dem ist die Gemeinde nun mit ihrem „Friedensangebot“ an die Landwirte zwar zuvorgekommen, bietet aber letztlich damit eine erneute Angriffsfläche für ihre kommunale Rechtsetzung. Bringt sie damit doch zum Ausdruck, dass die Satzung in ihrer jetzigen Fassung korrekturbedürftig ist.