Gerade in der älteren Generation ist der Gedanke weit verbreitet, dass es die eigenen Kinder oder Enkelkinder besser haben sollen im Leben. Deshalb wird oft bereits bei Geburt oder Kleinkindalter ein Sparbuch angelegt, auf das die Großeltern zum Aufbau eines Kapitalstocks für die Enkel Geld einzahlen, das sie sich manchmal förmlich vom Munde absparen. Werden die Großeltern dann mit fortgeschrittenem Alter pflegebedürftig und müssen in einem Pflegeheim untergebracht werden, und muss für die Heimunterbringung die Sozialkasse aufkommen, dann kann es den Enkeln passieren, dass sie von der Sozialkasse auf Rückforderung des Sparguthabens in Anspruch genommen wird. Zu Recht, wie das OLG Celle in seinem Urteil vom 13.02.2020 (6 U 76/19) entschieden hat, weil es sich bei Geldzuwendungen zum Aufbau eines Kapitalstocks um keine privilegierten Schenkungen im Sinne von § 534 BGB handelt.
Großmutter zahlt auf Sparbuch der Enkel regelmäßig monatlich 50 € ein
Zur Geburt ihrer beiden Enkel hatte die Großmutter für diese ein Sparkonto mit einer Laufzeit von 25 Jahren angelegt. Auf dieses zahlte sie für den Zeitraum von 11 Jahren bzw. 9 Jahren jeweils monatlich 50 € ein, um damit für die Enkel einen „Kapitalstock“ zu bilden.
Rente reicht nicht aus um Heimunterbringung zu finanzieren
Als die Großmutter ein Pflegefall wurde und vollstationär in einer Pflegeeinrichtung untergebracht werden musste, waren die Kosten aus der ihr zur Verfügung stehenden Rente von ca. 1250 € nicht zu finanzieren, so dass der Sozialträger einspringen musste. Obwohl sie die Zahlung an die Enkel längst eingestellt hatte, verlangte dieser nun von den Enkeln die Rückzahlung der Beträge, die die Großmutter jeweils in den letzten 10 Jahren auf das Sparkonto eingezahlt hatte.
Zahlungen auf Sparkonto sind keine Anstandsschenkungen
Während das Landgericht noch die Klage mit der Begründung abgewiesen hatte, es habe sich bei den 50 € monatlich an die Enkel um Anstandsschenkungen gehandelt, hat das OLG das Urteil abgeändert und die Enkel zur Rückzahlung verurteilt.
Schenkungen könnten, so die Richter, grundsätzlich dann vom Beschenkten zurückgefordert werden, wenn der Schenker seinen angemessenen Unterhalt nicht mehr selbst bestreiten kann und die zuvor geleisteten Schenkungen keiner sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmen Rücksicht entsprach. Bezieht der Schenker, so wie hier, Sozialleistungen, dann geht der Anspruch auf den Sozialhilfeträger über. Vorliegend entsprachen nach Auffassung der Richter die monatlichen Zuwendungen an die Enkel weder einer sittlich gebotenen Pflicht (sog. Pflichtschenkung) noch einer moralischen Verantwortung (sog. Anstandsschenkung). In Anbetracht der finanziellen Verhältnisse spreche, so die Richter, nicht nur die Summe der jährlich geleisteten Beträge gegen ein dem Anstand entsprechendes Geldgeschenk, sondern auch der Umstand, dass die Großmutter den Enkeln die Zahlung nicht etwa als Taschengeld, sondern zum Zwecke des Kapitalaufbaus zugewendet hat. Es komme dabei nach Auffassung des Gerichts auch nicht maßgeblich darauf an, ob für die Großmutter zum Zeitpunkt der Zuwendungen bereits erkennbar war, dass sie einmal pflegebedürftig sein würde.
Anmerkung:
Nachdem Urteile „Im Namen des Volkes“ ergehen, stellt sich für den Leser die Frage, ob ein solches Urteil tatsächlich dem Volkswillen entspricht. Einerseits ist natürlich naheliegend, dass auf den ersten Blick Geld, das die Großmutter weggegeben hat, vorrangig verwendet werden soll, bevor die Sozialkasse und damit die Allgemeinheit zur Kasse gebeten wird. Andererseits greift aber nach Auffassung des Verfassers eine solche Betrachtungsweise zu kurz. Wird doch gerade derjenige, der nicht weitsichtig lebt, sondern stets alles, was er verdient oder was ihm zur Verfügung steht, sofort ausgibt, belohnt. Hätte die Großmutter den Enkelkindern das Geld als „Taschengeld“ zugewendet, dass diese sich Süßigkeiten, Klamotten, Alkohol und Zigaretten kaufen, sie also das zugewendete Geld sofort ausgeben, dann hätte die Sozialkasse das Nachsehen gehabt. Ebenso, wenn die Großmutter nicht so spendabel und weitsichtig gewesen wäre, sondern sich selbst jeden Monat etwas mehr gegönnt hätte, anstatt das Geld für ihre Lieben, nämlich ihre Enkelkinder, wegzusparen. Das Urteil ist symptomatisch dafür, wie Armut von einer Generation in die nächste weitergereicht wird. Selbst dann, wenn jemand versucht, so wie hier die Großmutter, unter eigenen Entbehrungen und großem Einsatz den Enkeln einen besseren finanziellen Start ins Leben zu ermöglichen, als dies bei ihr selbst der Fall gewesen ist, werden solche Bemühungen durch derartige Gesetzeslage und Rechtsprechung torpediert. Deshalb ist es scheinheilig, wenn einerseits immer wieder in der Presse thematisiert wird, dass die Gesellschaft in Deutschland kaum mehr „durchlässig“ ist, es also heute deutlich schwieriger ist, von unten nach oben zu kommen, als dies vielleicht noch vor 50 Jahren der Fall war, wenn die Kapitalbildung, die neben einem Erwerbseinkommen ein immer wesentlicher Faktor wird, um vor Armut oder Altersarmut zu schützen, nicht nur erschwert, sondern faktisch zunichtegemacht wird. Falsch ist auch das Signal, das durch ein solches Urteil gesetzt wird. Kann nämlich die Konsequenz für Großeltern, die finanziell selbst nicht so abgesichert sind, dass stets sichergestellt ist, dass sie einmal die für sie anfallenden Pflegekosten aus eigener Tasche finanzieren können, nur davon abgeraten werden, Sparbücher o. ä. für Enkelkinder anzulegen. Stattdessen werden diese gezwungen den Kindern Geldmittel in bar zuzuwenden in der Hoffnung, dass diese selbst vernünftig und willensstark genug sind, diese nicht für Konsum auszugeben, sondern anzusparen. Konsumverhalten gegenüber Sparverhalten zu privilegieren ist aber auf lange Frist kurzsichtig, weil damit die Sozialkassen nicht dauerhaft entlastet, sondern ihr belastet werden. Wird doch so der Sozialhilfebezug von einer Generation auf die nächste übertragen.