Wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist die Kosten eines Rechtsstreits zu finanzieren, der hat die Möglichkeit nach § 114 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Voraussetzung für die Gewährung neben den wirtschaftlichen Verhältnissen, die gegenüber dem Gericht offengelegt werden müssen, ist weiter, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Mutwilligkeit wird dann angenommen, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe erhält, bei verständiger Würdigung von einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung trotz hinreichende Erfolgsaussichten Abstand nehmen würde. Gemeint sind damit regelmäßig Fälle, bei denen es weniger um den wirtschaftlichen Wert des Rechtsstreits, sondern mehr ums Prinzip geht.
Wird Prozesskostenhilfe gewährt, dann geht die Staatskasse einerseits aber auch die Rechtsanwaltschaft andererseits in Vorleistung. Vorleistung der Staatskasse deshalb, weil die Entscheidung über die Gewährung in regelmäßigen Zeitabständen erneut überprüft wird. Wer dann nach Abschluss des Verfahrens nicht immer wieder aufs Neue seine wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegt, wenn er dazu von der Staatskasse aufgefordert wird, der riskiert, dass die zunächst bewilligte Prozesskostenhilfe wieder aufgehoben wird.
Die Anwaltschaft subventioniert die Prozesskostenhilfe dadurch, dass anstelle der gesetzlichen Regelgebühren durch die Staatskasse nur ein verringerter Gebührensatz bezahlt wird. Die vollen Gebühren erhält also der Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin nur dann, wenn entweder der Rechtsstreit gewonnen wird und über die Kostenerstattung vom Gegner die vollen Gebühren verlangt werden könne oder aber die eigene Mandantschaft nachlässig ist, und nachträglich deswegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben wird. Dann lebt der Anspruch auf Regelvergütung wieder auf. Das „Sonderopfer“ dass hier seitens des Gesetzgebers im Rahmen des Rechtsstreits von der Anwaltschaft abverlangt wird, wird damit begründet, dass der Anwalt es sportlich sehen solle, weil er im Erfolgsfall ja über den Kosterstattungsanspruch das volle Honorar, vergleichbar einem Erfolgshonorar, verdienen könne. Dies jedenfalls dann, wenn der Gegner seinerseits überhaupt solvent genug ist, um den Erstattungsanspruch zu befriedigen. Dies alles zählt zum kleinen Einmaleins der Prozesskostenhilfe und ist den meisten Rechtsuchenden wie Anwälten gleichermaßen auch bekannt.
Antrag und alle erforderlichen Unterlagen müssen spätestens vor Abschluss des Rechtsstreits bei Gericht eingegangen sein
In seinem Beschluss vom 12.09.2022 hatte sich der BGH (AnwZ (Brfg) 28/20) nun mit einer ganz anderen Frage zu befassen, nämlich, bis wann rückwirkend Prozesskostenhilfe gewährt werden kann. Er hat dabei klargestellt, dass dies nur dann der Fall ist, wenn rechtzeitig ein vollständiger Antrag bei Gericht eingegangen ist, also derjenige, der einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt, aber die für die Entscheidung wesentlichen Unterlagen erst einreicht, wenn der Rechtsstreit bereits beendet ist, leer ausgeht.
Die obersten Richter haben dabei bekräftigt, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich auch rückwirkend möglich sei. Voraussetzung hierfür sei aber, dass ein formgerechter und vollständiger Antrag nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO in Verbindung mit § 117 ZPO, der vor Abschluss der Instanz positiv hätte beschieden werden können. Ein bloßer Antrag ohne Anlagen genügte den Richtern zufolge nicht, weil ohne Kenntnis der Einkommens- und Vermögenslage des Antragstellers nicht beschieden werden kann.
Vermögensloser Anwalt handelte nachlässig in eigener Sache
Säumiger Antragsteller war im entschiedenen Rechtsstreit ein Rechtsanwalt, der vor Gericht um den Widerruf seiner Zulassung gekämpft hatte und der zunächst im Mai 2022 per Telefax für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt hatte, ohne dass eine Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt war. Diese gingen vielmehr erst 3 Monate später bei Gericht ein, allerdings wieder nicht vollständig, weil keine Angaben zum Einkommen der Ehefrau gemacht worden. Zu diesem Zeitpunkt beim auch bereits das Berufungsurteil zugestellt worden. Die Richter haben darauf hingewiesen, dass ohne Angaben zum Einkommen der Ehefrau nicht habe geprüft werden können, ob der Antragsteller nach den §§ 1360a Abs. 4 Satz 1, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB einen Kostenvorschuss von ihr hätte verlangen können, um die Kosten des Rechtsstreits zu stemmen.
Ob Sie Anspruch auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe haben können Sie hier berechnen. Ein Formular zu Erklärung über Ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse finden Sie hier.