Ergibt sich das Erbrecht nicht aus einem notariellen Testament, dann benötigen die Erben als Legitimation regelmäßig einen Erbschein, der in einem sog. Erbscheinverfahren erteilt wird. Wer den Erbschein dann in Händen hat, kann sich als Erbe ausweisen. Deshalb kann es wichtig sein, wenn man sich Hoffnung auf eine Beteiligung am Nachlass macht, in diesem Verfahren frühzeitig beteiligt zu werden, um die eigene Rechtsposition zu wahren. Dafür genügt es eine Erbposition zu behaupten, die nicht offensichtlich ausgeschlossen sein darf.
Möglichkeiten der Beteiligung im Erbscheinverfahren
Beteiligter im Erbscheinverfahren ist zunächst der Antragsteller, also derjenige, der den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt hat. Nach den §§ 7, 345 FamFG sind weiter zu beteiligen diejenigen Personen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird und diejenigen, die als sog. Kann-Beteiligte einen Antrag auf Hinzuziehung gestellt haben. Sofern eine Hinzuziehung in Rede steht, sind auch diejenigen zu beteiligen, die (nur) mittels Auslegung oder nur in einer aufgehobenen Verfügung Erben sein können.
Beteiligung hat auf Antrag immer dann zu erfolgen, wenn das behauptete Erbrecht nicht von vornherein gänzlich fernliegend ist
In einem vom OLG München mit Beschluss vom 08.11.2016 (31 WX 254/16) entschieden Rechtsstreit fand sich in einem Testament u.a. nachfolgende Regelung:
„Ferner ist mein Wille, dass Herr X Wohnung nach Wahl von 4 erhält, die das „lebenslange“ Wohnrecht gewährleistet.“
Herr X beantragte mit Schriftsatz vom 21.04.2016 seine förmliche Beteiligung am Verfahren, weil er testamentarischer Erbe geworden sei. Das Nachlassgericht wies den Antrag jedoch zurück, weil Herr X nicht als Erbe Betracht käme.
Die dagegen erhobene Beschwerde zum OLG München war dagegen erfolgreich, denn die Richter waren der Ansicht dass Herr X am Verfahren zu beteiligen ist.
§ 345 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG definiert selbst das Tatbestandsmerkmal „als Erben in Betracht kommen“ gerade nicht. Aus der Gesetzesbegründung lassen sich insoweit keine Anhaltspunkte für die Auslegung der Norm entnehmen. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, der Sicherstellung der Gewährung rechtlichen Gehörs, ergibt sich, so die Richter, dass eine Beteiligung immer dann zu erfolgen habe, wenn das behauptete Recht nicht von vornherein gänzlich fernliegend ist, wobei eine abschließende rechtliche Würdigung an dieser Stelle gerade nicht zu erfolgen hat. Ein derartiges Verständnis der Norm findet auch im Wortlaut selbst eine Stütze. Die Formulierung „in Betracht kommen“ impliziert gerade, dass bei der Bestimmung des Personenkreises der Beteiligten noch keine abschließende Würdigung des materiellen Erbrechts erfolgen soll. Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „in Betracht kommen“ ist die (jedenfalls) nicht fernliegende Möglichkeit des Bestehens eines Erbrechts ausreichend.
Soweit sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall darauf beruft, er sei testamentarischer Erbe geworden, ist eine derartige Auslegung des Testaments – entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts – nicht von vornherein völlig ausgeschlossen. Für sie lässt sich immerhin die Rechtsprechung der Obergerichte, wonach die Zuwendung eines wesentlichen Vermögensgegenstandes, zumal einer Immobilie, eine Erbeinsetzung darstellen kann, anführen (vgl. Palandt/Weidlich BGB, 75. Auflage 2016, § 2087 Rn 5). Zwar ist auch denkbar, dass der Beschwerdeführer lediglich mit einem Vermächtnis bedacht ist. Dies zu klären ist jedoch gerade Aufgabe des (materiellen) Erbscheinverfahrens, so dass der Antragsteller beteiligt werden muss.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.