Wer schon einmal bei Gericht war, der weiß, dass dann, wenn der Richter oder die Richterin den Gerichtssaal betritt, die Anwesenden aufstehen. Gleiches Procedere erfolgt bei einer Urteilsverkündung oder wenn Zeugen vereidigt werden.
Diese „Höflichkeit“ gegenüber dem Gericht verweigerte ein muslimischer Angeklagter, der wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Kadi stand und gab zur Begründung an, als Muslim dürfe er sich nur vor Allah erheben. Da der Angeklagte der Richterin bereits zuvor dadurch unangenehm aufgefallen war, dass er zum wiederholten Male ohne ausreichende Entschuldigung deutlich verspätet zur Hauptverhandlung erschienen war, verhängte diese wegen ungebührlichen Verhaltens iSv § 178 GVG ein Ordnungsgeld von 300 € gegen den Delinquenten.
Respektverweigerer zieht vors BVerfG
Damit war die Sache aber nicht zu Ende, sondern dieser wollte das Verhalten der Richterin nicht hinnehmen und zog vors Bundesverfassungsgericht. Er trug dabei vor, dass die Festsetzung des Ordnungsgeldes in nicht gerechtfertigter Weise in sein Grundrecht auf Glaubensfreiheit eingreifen würde.
BVerfG nimmt Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an
Mit Beschluss vom 08.11.2017 (2 BVR 1366/17) hat das Bundesverfassungsgericht allerdings entschieden, die Beschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Dies deshalb, weil die Verfassungsrichter die Verfassungsbeschwerde bereits mangels hinreichender Begründung als offensichtlich unzulässig eingestuft haben. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber wiederum, dass die Richter die materiell-rechtliche Frage, ob die Glaubensfreiheit ein derartiges Verhalten bei Gericht rechtfertigen kann, nicht letztverbindlich entschieden haben, weil bereits die formellen Voraussetzungen der Verfassungsbeschwerde nicht eingehalten worden waren.
Warum muss man eigentlich bei Gericht aufstehen?
Eine gesetzliche Vorschrift, die das Aufstehen im Gerichtssaal regelt, gibt es übrigens nicht. Dass in bestimmten Situationen der Angeklagte aufstehen muss ergibt sich übrigens aus Nr. 124 Abs. 2 S. 2 der Richtlinien für Strafverfahren und Bußgeldverfahren (RiStBV). Die Gerichte sind zwar an diese Vorgaben nicht gebunden. Sie werden aber von der Rechtsprechung letztlich übernommen.
Dass man es mit den Förmlichkeiten nicht übertreiben muss, verdeutlicht wiederum ein Beschluss des OLG Karlsruhe vom 05.01.2015 (2 Ws 448/14). Dort war einem Angeklagten die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 200 €, ersatzweise 2 Tage Ordnungshaft, angedroht wurden, der sich nach einer Sitzungsunterbrechung nicht erhoben hatte. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte dann allerdings Erfolg, weil – so die Richter – die Fortsetzung der Verhandlungen nach einer Pause keinen besonderen Verfahrensabschnitt darstellt, der einer Verdeutlichung durch die äußere Form des aufstehen der im Sitzungssaal Anwesenden bedarf.
Auch ohne entsprechende Richtlinien sollte auch im Zivilprozess aufgestanden werden, weil auch dort im Sitzenbleiben ein ungebührliches, unangemessenes Verhalten im Sinne von § 178 GVG gesehen werden könnte, mit der Folge, dass ein Ordnungsgeld verhängt wird.
Mit dem Aufstehen wird übrigens nicht Respekt gegenüber dem einzelnen Richter bekundet, sondern dem Richteramt als solchem, was manchmal verkannt wird.