Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung stellt für viele Arbeitnehmer einen bedeutenden Bestandteil ihrer Vergütung dar. Die Möglichkeit des Arbeitgebers, diese Überlassung zu widerrufen, ist jedoch an strenge rechtliche Voraussetzungen geknüpft. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hat in seinem Urteil vom 23. Januar 2024 (Az. 6 Sa 1030/23) die Anforderungen an solche Widerrufsklauseln präzisiert.
Sachverhalt des Urteils
Im vorliegenden Fall war der Kläger seit 2009 bei der Beklagten beschäftigt und erhielt ein Bruttojahresgehalt von ca. 130.000 Euro, einschließlich eines geldwerten Vorteils von 1.119 Euro monatlich für die Privatnutzung eines Dienstwagens. Im Jahr 2021 wurde er zum Gebietsleiter Verkauf ernannt, wobei ihm weiterhin ein Dienstwagen zur Verfügung stand. Die zugrunde liegende Vereinbarung enthielt sowohl eine auflösende Bedingung als auch einen Widerrufsvorbehalt. Die auflösende Bedingung sah vor, dass der Anspruch auf den Dienstwagen entfällt, wenn der Kläger weniger als 50 % seiner Arbeitstage für Dienstreisen nutzt und somit keine „dauerhaft hohe Mobilität“ vorliegt. Der Widerrufsvorbehalt ermöglichte der Beklagten, die Überlassung des Fahrzeugs bei Änderungen der arbeitsvertraglichen Aufgaben zu widerrufen.
Nach einer Neuausrichtung des Vertriebskonzepts im Februar 2023 stellte die Beklagte fest, dass die Abwesenheitszeiten des Klägers unter 50 % lagen, und forderte ihn auf, den Dienstwagen bis zum 31. Dezember 2023 zurückzugeben. Der Kläger erhob daraufhin Klage auf Fortsetzung der Überlassung des Dienstwagens auch zur privaten Nutzung über den genannten Zeitpunkt hinaus.
Entscheidung des LAG Hamm
Das LAG Hamm gab der Klage statt und hob die erstinstanzliche Entscheidung auf. Es stellte fest, dass die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung als Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts grundsätzlich so lange geschuldet ist, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Ein Anspruch auf Überlassung besteht daher fort, sofern keine wirksam vereinbarte auflösende Bedingung eingetreten ist oder ein wirksam vereinbarter Widerrufsvorbehalt ausgeübt wurde.
Im vorliegenden Fall erachtete das Gericht sowohl die auflösende Bedingung als auch den Widerrufsvorbehalt als unwirksam. Die auflösende Bedingung sei intransparent, da unklar sei, wann eine „dauerhaft hohe Mobilität“ verneint wird und wie die 50 %-Quote zu berechnen ist. Zudem sei unklar, auf welchen Zeitraum abgestellt werden soll. Auch der Widerrufsvorbehalt sei unwirksam, da er dem Arbeitgeber die Möglichkeit gebe, die Überlassung des Dienstwagens bei jeder Änderung der Arbeitsaufgaben zu widerrufen, ohne dass diese Änderung zwingend die Notwendigkeit eines Dienstwagens entfallen lässt.
Rechtliche Grundlagen
Die Wirksamkeit von Widerrufsklauseln in Arbeitsverträgen unterliegt der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie nicht klar und verständlich sind. Zudem dürfen sie den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen. Ein Widerrufsvorbehalt muss daher transparente und nachvollziehbare Kriterien enthalten, die dem Arbeitnehmer ermöglichen, das Risiko eines Widerrufs einzuschätzen.
Praktische Hinweise für Arbeitgeber
Arbeitgeber sollten bei der Gestaltung von Dienstwagenvereinbarungen folgende Punkte beachten:
1. Transparenz:
Die Bedingungen für einen möglichen Widerruf der Dienstwagenüberlassung müssen klar und verständlich formuliert sein. Unklare Formulierungen können zur Unwirksamkeit der Klausel führen.
2. Sachliche Gründe:
Ein Widerrufsvorbehalt sollte nur bei Vorliegen konkreter, sachlicher Gründe ausgeübt werden können, die im Vertrag eindeutig benannt sind. Allgemeine Formulierungen wie „wirtschaftliche Gründe“ ohne nähere Konkretisierung genügen nicht.
3. Interessenabwägung:
Bei der Ausübung des Widerrufs ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Dabei sind die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen.
4. Ankündigungsfristen:
Obwohl nicht zwingend erforderlich, kann die Vereinbarung von Ankündigungs- oder Auslauffristen sinnvoll sein, um dem Arbeitnehmer eine angemessene Übergangszeit zu gewähren.
Fazit
Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung ist ein bedeutender Bestandteil der Vergütung und unterliegt strengen rechtlichen Vorgaben. Das Urteil des LAG Hamm verdeutlicht, dass Widerrufsklauseln sorgfältig und transparent formuliert sein müssen, um wirksam zu sein. Arbeitgeber sollten daher bei der Gestaltung entsprechender Vereinbarungen präzise und nachvollziehbare Kriterien festlegen, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.