Die private Nutzung eines Dienstwagens ist für viele Arbeitnehmer ein beliebter und wertvoller Bestandteil ihres Arbeitsvertrages. Sie stellt eine attraktive Zusatzleistung dar, die nicht nur die berufliche Mobilität sicherstellt, sondern auch erhebliche finanzielle Vorteile bietet. Doch was passiert, wenn der Arbeitgeber diese Nutzung widerruft? Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 28. März 2018 (Az. 13 Sa 305/17) bietet in diesem Zusammenhang wichtige Klarstellungen, die Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer beachten sollten.
Dienstwagen als Bestandteil der Arbeitsvergütung
Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als geldwerter Vorteil anzusehen und damit ein Teil der Vergütung für die geschuldete Arbeitsleistung. Dies bedeutet, dass ein Arbeitnehmer, dem die private Nutzung eines Dienstwagens eingeräumt wurde, diesen Vorteil grundsätzlich so lange nutzen darf, wie das Arbeitsverhältnis besteht. Der Arbeitgeber kann diese Nutzung also nicht ohne Weiteres widerrufen. Der Widerrufsvorbehalt muss bestimmte Anforderungen erfüllen, um wirksam zu sein.
Im konkreten Fall vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 28.03.2018, Az. 13 Sa 305/17) wurde der Dienstwagen einem Arbeitnehmer zur privaten Nutzung überlassen, doch später seitens des Arbeitgebers aufgrund der „wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens“ widerrufen. Das Gericht entschied, dass der Widerruf unwirksam sei, weil die entsprechende Widerrufsklausel zu unbestimmt formuliert war und dem Transparenzgebot des § 307 BGB nicht entsprach.
Anforderungen an eine wirksame Widerrufsklausel
Eine Widerrufsklausel muss klar und verständlich darlegen, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber berechtigt ist, die Privatnutzung des Dienstwagens zu widerrufen. Der bloße Hinweis auf die „wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens“ reichte im vorliegenden Fall nicht aus. Das Gericht stellte klar, dass eine solche Formulierung zu weit gefasst sei und für den Arbeitnehmer keine hinreichende Vorhersehbarkeit biete, wann und unter welchen Umständen der Widerruf erfolgen könnte.
Gemäß § 308 Nr. 4 BGB muss der Grund für den Widerruf konkretisiert werden, sodass der Arbeitnehmer eine gewisse Planungssicherheit hat. Der Widerrufsvorbehalt darf nicht zur Rechtfertigung unzumutbarer Änderungen dienen. Beispielsweise könnte der Begriff der „wirtschaftlichen Entwicklung“ unterschiedliche Situationen wie eine wirtschaftliche Notlage, Verluste oder auch nur einen Rückgang der Gewinne umfassen. Das Landesarbeitsgericht sah es als unzumutbar an, dass der Arbeitgeber so weitreichende Möglichkeiten hatte, die Dienstwagennutzung zu entziehen.
Interessenabwägung und Zumutbarkeit
Ein weiterer wesentlicher Punkt bei der Prüfung der Wirksamkeit eines Widerrufs ist die Abwägung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die private Nutzung eines Dienstwagens stellt für den Arbeitnehmer nicht nur einen finanziellen Vorteil dar, sondern kann auch für die Durchführung der beruflichen Tätigkeit erforderlich sein. Das Landesarbeitsgericht betonte, dass die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer in besonderem Maße zu berücksichtigen sei, insbesondere wenn keine kostengünstigeren Alternativen zur Verfügung stünden.
In dem behandelten Fall hatte der Arbeitnehmer den Dienstwagen auch beruflich benötigt, und die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Poolfahrzeuge stellten keine ausreichende Alternative dar. Somit war der Widerruf der Privatnutzung für den Arbeitnehmer nicht zumutbar. Das BAG hat in früheren Entscheidungen (vgl. BAG, Urteil vom 13. April 2010 – 9 AZR 113/09) hervorgehoben, dass der Widerruf nur unter engen Voraussetzungen erfolgen darf, wenn der Arbeitnehmer auf den Dienstwagen angewiesen ist.
Schadensersatz bei unberechtigtem Widerruf
Interessant ist auch die Frage, welche Ansprüche ein Arbeitnehmer hat, wenn der Widerruf der Dienstwagennutzung unwirksam ist. Im vorliegenden Fall sprach das Gericht dem Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch zu. Die Beklagte wurde verurteilt, dem Arbeitnehmer für die Vorenthaltung des Dienstwagens eine Entschädigung in Höhe von monatlich 400 Euro zu zahlen. Diese Berechnung orientierte sich an der sogenannten 1%-Regelung, welche die private Nutzung eines Dienstwagens steuerlich bewertet.
Das Urteil verdeutlicht, dass ein unberechtigter Widerruf nicht folgenlos bleibt. Arbeitnehmer haben in solchen Fällen Anspruch auf Schadensersatz, um den entstandenen finanziellen Nachteil auszugleichen. Der Arbeitgeber sollte daher sorgfältig prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf tatsächlich vorliegen und ob die Widerrufsklausel den gesetzlichen Anforderungen genügt.
Fazit
Der Widerruf der Privatnutzung eines Dienstwagens ist ein komplexes Thema, das sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer erhebliche rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben kann. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen zeigt, dass eine unklare Widerrufsklausel im Arbeitsvertrag leicht zur Unwirksamkeit führen kann. Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass Widerrufsvorbehalte klar formuliert sind und die Interessen des Arbeitnehmers ausreichend berücksichtigen. Arbeitnehmer hingegen sollten ihre Rechte kennen und im Falle eines Widerrufs prüfen, ob dieser rechtmäßig erfolgt ist.