Das Bundesverfassungsgericht entscheidet u.a. über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 GG enthaltenen Rechte verletzt zu sein. Dies ist es in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG geregelt. Eine nahezu gleichlautende Regel findet sich dann in § 90 BVerfGG. Soweit so gut. Wenn Sie nun aber in der Situation sind, dass Sie sich mit dem Gedanken tragen eine Verfassungsbeschwerde zu erheben, (und in diese Situation wurden sie zwangsläufig mit der Bundesnotbremse gebracht, weil gegen die dort geregelten Maßnahmen kein Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten besteht) dann werden Sie feststellen, dass unabhängig von den rechtlichen Anforderungen, die sehr hoch sind, es allein aus faktischen Gründen schon schwierig ist, weil beim Bundesverfassungsgericht manches anders ist, als bei der übrigen Gerichtsbarkeit. Hier erfahren Sie, was nirgendwo steht, Sie aber trotzdem wissen müssen, um nicht bereits an den Formalien zu scheitern.
Bundesverfassungsgericht nimmt (noch) nicht am elektronischen Rechtsverkehr teil
Als Rechtsanwälte sind wir seit einigen Jahren verpflichtet ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (kurz beA) bereitzuhalten, mit dem wir auf elektronischem Weg mit den Justizbehörden, also Gerichten und Staatsanwaltschaften, verschlüsselt kommunizieren. Ungeachtet von Schwächen des Systems kann so jedenfalls gerade bei Fristsachen und langen Schriftsätzen grds. zeitsparender mit den Gerichten korrespondiert werden.
Wer nun als Anwalt meint, seine Verfassungsbeschwerde vor Fristablauf per beA auch beim Bundesverfassungsgericht einreichen zu können, der erlebt die erste Überraschung, denn das oberste deutsche Gericht nimmt bislang nicht am elektronischen Rechtsverkehr teil. Dies bedeutet, dass Verfassungsbeschwerden konventionell per Post und zur Fristwahrung vorab per Telefax eingereicht werden müssen.
Nur Telefax mit sämtlichen Anlagen wahrt die Frist
Wer nun also entnervt festgestellt hat, dass eine Übertragung per beA nicht möglich ist, und deshalb auf das gute alte und deshalb längst technisch überholte und datenschutzrechtlich bedenkliche Telefax zur Fristwahrung ausweichen muss, der läuft Gefahr, dass die Verfassungsbeschwerde bereits aus diesem Grund als unzulässig zurückgewiesen wird. Dies jedenfalls dann, wenn er so, wie dies in gewöhnlichen Gerichtsverfahren üblich ist, lediglich den Schriftsatz zur Fristwahrung per Telefax übermittelt und diesen dann mitsamt den Anlagen per Post hinterher geschickt hat. Das Bundesverfassungsgericht entnimmt der Regelung in § 23 BVerfGG, dass eine fristgerechte Einreichung nur dann vorliegen würde, wenn vor Fristablauf der Schriftsatz mitsamt allen Anlagen bei Gericht eingegangen ist. Dies ist besonders bei Verfassungsbeschwerden gegen Urteile, bei denen nach § 93 BVerfGG eine Frist von einem Monat einzuhalten ist, misslich, weil das Bundesverfassungsgericht keine Einsicht in die Prozessakten nimmt, so dass nahezu die gesamte Prozessakte vorzulegen ist. Es können also schnell 100 Seiten und mehr werden, die dann per Telefax übermittelt werden müssen. Wir haben erst unlängst eine Verfassungsbeschwerde in einer erbrechtlichen Angelegenheit mit rund 400 Seiten per Telefax eingereicht. Da auf Seiten des Bundesverfassungsgerichts wohl auch kein sehr schnelles Empfangsgerät vorhanden ist war damit eine Sekretärin fast einen halben Tag beschäftigt. Von daher empfiehlt sich die Verfassungsbeschwerde jedenfalls so frühzeitig einzureichen, dass eine Übertragung auch noch vor Fristablauf gesichert ist. Hinzu kommt, dass ein durchkommen per Telefax oft sehr schwierig bis nahezu unmöglich ist, sodass auf jeden Fall noch genügend Zeit vorhanden sein sollte, einen Boten zu Gericht zu schicken. Diese Erfahrung soll wohl kürzlich auch die FDP gemacht haben, als sie ihre Verfassungsbeschwerde gegen die Bundesnotbremse per Telefax einreichen wollte …
Anmerkung:
Losgelöst von diesen faktischen Schwierigkeiten, sind auch die rechtlichen Hürden für die Begründung eine Verfassungsbeschwerde höher als dies der Wortlaut von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 BVerfGG vermuten ließe. Auch, wenn es dort heißt, dass „jedermann“ Verfassungsbeschwerde einlegen könnte, was bedeutet, dass kein Anwaltszwang besteht, so ist dies gleichwohl eine Illusion. Denn niemand, der keine fundierten Rechtskenntnisse im Verfassungsrecht hat, ist auch nur annähernd in der Lage eine Verfassungsbeschwerde so zu begründen, dass sie überhaupt zur Entscheidung angenommen wird, vergl. § 93 a BVerfGG. Die Mehrzahl aller formgerecht und rechtzeitig eingereichten Verfassungsbeschwerden scheitert bereits an dieser Stelle. Letztendlich erfolgreich sind dann im Jahresmittel regelmäßig nur 1 % bis 2 %.
Wer also meint das Bundesverfassungsgericht würde über allem wachen und es schon richten, der wird spätestens dann bitter enttäuscht, wenn er erstmalig in die Situation geraten ist, darüber nachzudenken eine Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen. Wer nun meint, dass derjenige, der nicht wagt auch nicht gewinnt und die Verfassungsbeschwerde schließlich kostenfrei sei, so ist auch dies nur die halbe Wahrheit, denn auch wenn Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nach § 34 Abs. 1 BVerfGG kostenfrei sind, so hat das Bundesverfassungsgericht gleichwohl die Möglichkeit gegen den Beschwerdeführer (oder seinen Rechtsvertreter) nach § 34 Abs. 2 BVerfGG eine Gebühr bis zu 2.600 € aufzuerlegen, wenn es die Einlegung der Verfassungsbeschwerde für missbräuchlich hält (sog. Missbrauchsgebühr). Letzteres ist dann der Fall, wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Die Festsetzung einer solchen Gebühr wird regelmäßig damit begründet, dass es das Bundesverfassungsgericht es nicht hinnehmen müsse, durch erkennbar substanzlose Verfassungsbeschwerden an der Erfüllung seiner Aufgaben gehindert zu werden, mit der Folge dass anderen Bürgern der ihnen zukommende Grundrechtsschutz nur verzögert gewährt werden kann. Letztlich handelt sich dabei um ein Instrument, mit dem das Bundesverfassungsgericht versucht Querulanten Einhalt zu gebieten. So wird die Missbrauchsgebühr regelmäßig dann verhängt, wenn das Bundesverfassungsgericht wiederholt mit völlig aussichtslosen Eingaben befasst ist. Letzteres wird meistens dann angenommen, wenn die Verfassungsbeschwerde nicht ausreichend begründet ist, insbesondere nur zahlreiche Schriftstücke vorgelegt werden.