Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen… Das dachte sich auch ein Unternehmer aus dem Oberland und buchte für sich und seine Familie eine Karibikkreuzfahrt vom 26.12.2021 bis zum 08.01.2022 auf der MS Seaview, der Reederei MSC Cruises S.A.
20.158 € gab er dabei für sich, seine Frau und die drei Kinder aus. Es sollte für die Familie, da einerseits in den letzten Jahren Familienurlaub zu kurz gekommen war und andererseits die jüngste Tochter mit 6 Jahren gerade so alt war, dass man eine solche Reise machen konnte und die Älteste zwischenzeitlich so alt, dass sie gerade noch mit den Eltern in Urlaub fuhr, ein Traumurlaub werden. Als Anlegehäfen waren geplant
- Fort de France,Martinique
- Pointe-à-Pitre, Gaudalupe
- Road Town, Virgin Islands
- Philipsburg, St. Maarten
- Basseterre, St. Kitts & Nevis
- John‘s, Antigua and Barbuda
- Roseau, Dominica
- Castries, St. Lucia
- Bridgetown, Barbados
- George’s, Grenada
- Port of Spain, Trinidad & Tobago
- Kingstown, St. Viincent & the Grenadines.
Kein Wunder, dass die Vorfreude innerhalb der Familie riesig war.
Angst vor Corona hatte die Familie nicht, denn zum einen war es eine Reise bei der eine Impfung obligatorisch war (die ganze Familie war geboostert und selbst das 6-jährige Mädchen bereits einmal geimpft) und darüber hinaus hatte der Veranstalter zusätzlich einen negativen Test für die Einschiffung verlangt.
Um ganz sicher zu sein, dass Corona einem Traumurlaub in der Karibik nicht entgegensteht, hatte der Familienvater bei der Einschiffung sich noch von der Crew bestätigen lassen, dass aktuell kein Coronafall an Bord ist. Also konnte dem Urlaub nichts mehr entgegenstehen, so jedenfalls dachte die Familie. Wäre ihr mitgeteilt worden, dass es bereits Corona Fälle auf dem Schiff gab, dann hätte sie das Schiff nicht betreten, sondern stattdessen kurzerhand lieber einen Hotelurlaub am Karibikstrand verbracht.
Bereits bei der Einschiffung gab es Coronafälle an Bord
Kaum, dass die Einschiffung abgeschlossen, und die Kabinen bezogen waren, musste die Familie nicht nur feststellen, dass bereits Corona an Bord war, weil, so jedenfalls ist es spät erzählt worden, sich Crewmitglieder anlässlich einer Weihnachtsfeier und einander eingesteckt hatten, sondern dass ihre gebuchten Kabinen so platziert waren, dass sie unmittelbar an Kabinen anschlossen, die bereits als Quarantäne und Isolierstationen verwendet worden waren. Diese waren unglücklicherweise dann auch noch in Fahrtrichtung vor den Kabinen der Familie, so dass jederzeit die Gefahr bestand, dass mögliche Aerosole von einem Balkon zum nächsten geweht werden, also die Balkone nicht genutzt werden konnten.
Zusätliche Seetage statt Landgänge
Von den ursprünglich 12 verschiedenen Anlegestellen in der Karibik wurden dann, da sich das Coronavirus immer stärker auf dem Schiff verbreitete, nur noch 4 Häfen angefahren. Von zwei Wochen Reisezeit verbrachte das Schiff 7 Tage und Nächte nur auf hoher See, weil Häfen nicht angelaufen werden konnten.
Die wenigen Landgänge, die stattfanden, fielen sehr kurz und spärlich aus, so dass beispielsweise ein Strandaufenthalt nach 1 Stunde abgebrochen wurde, weil das Schiff den Hafen wieder verlassen und erneut auf die offene See hinaus musste. Besonders schlimm empfand die Familie dabei auch, dass selbst wenn das Schiff im Hafen war, ist teilweise nicht gestattet war, dieses zu verlassen, sondern die Passagiere an Bord bleiben mussten um dabei zuzusehen, wie Passagiere von anderen Kreuzfahrtschiffen an Land strömten.
Tiefkühlkost statt Gala Dinner
Aber auch ansonsten entwickelte sich der Urlaub zum Albtraum. Die Teilnahme an einem Galadinner, für die die Familie extra Abendkleidung mitgenommen hatte, wurde mit fadenscheinigen Gründen verweigert. Auch kulinarisch war die Reise kein Highlight, weil ausschließlich Tiefkühlware und das zum Teil auch noch in schlechter, sich immer wiederholender Qualität angeboten worden war.
Neben der Gefangenschaft auf dem Schiff, die dazu führte, dass die Familie noch 12.000 € zusätzlich an Bord ausgegeben hat, empfand es die Familie als besonders bedrückend, dass versucht wurde das Infektionsgeschehen an Bord durch die Verantwortlichen zu leugnen oder so herunterzuspielen, dass nur eine Hand voll Corona Fälle an Bord wären.
Die Familie war heilfroh, als sie dann am Ende der Reise, ohne sich selbst infiziert zu haben, das Schiff wieder verlassen konnte. Umso schlimmer war allerdings mitanzusehen, dass schon wieder rund 1100 neue Gäste darauf warteten, auf das noch in der Karibik kreuzende Coronaschiff ein Geschäft zu werden, so dass sich die Geschehnisse wiederholen können.
Rechtliche Beurteilung
Aus rechtlicher Sicht war die Kreuzfahrt mangelhaft im Sinne von § 651 i Abs. 2 BGB. Dies bereits deshalb, weil die Mehrzahl der bei der Buchung angegebenen Häfen nicht angelaufen und vereinbarte Landgänge nicht durchgeführt werden konnte.
Nachdem die nach § 651 o Abs. 1 BGB erforderlichen Mängelrügen vor Ort keine Abhilfe gebracht haben, können derartige Mängel dazu führen, dass Reisende nach § 651 i Abs. 3 Nr. 6, 7 BGB nicht nur den Reisepreis mindern, sondern Schadenersatz und den Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen können.
Ist eine Pauschalreise derart mit Reisemängeln behaftet, dass eine Erholung im Urlaub kaum möglich ist und die Urlaubszeit eher als Tortur denn als Genuss erlebt wird, kann wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit vom Reiseveranstalter eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Der BGH (Urteil vom 21.11.2017, Az.: X ZR 111/16) klargestellt, dass ein Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nicht voraussetzt, dass die komplette Reise zu mindestens 50% beeinträchtigt ist. Es ist ausreichend, wenn einzelne Urlaubstage erheblich beeinträchtigt waren Für jeden erheblich beeinträchtigten Urlaubstag ist demnach ein Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit begründet.
Waren auch Sie auf der MS Seaview oder einem anderen Coronaschiff gefangen? Wir unterstützen Sie gerne bei der Durchsetzung Ihrer Rechte, bundesweit.