Wenn Sie eine betriebsbedingte Kündigung erhalten haben, dann dürfen Sie keinesfalls den Kopf in den Sand stecken, sondern müssen aktiv werden, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Nicht nur dass Sie regelmäßig binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen müssen (ein Widerspruch Schreiben an den Arbeitgeber genügt diesen Anforderungen nicht), wenn Sie gegen die Kündigung vorgehen möchten, sondern Sie sollte sich auch umgehend die Internetseite Ihres Arbeitgebers näher ansehen, ob dort Stellen angeboten werden und falls ja diese Angebote umgehend kopieren. Auch im laufenden Kündigungsrechtsstreit sollten Sie immer wieder die Seite Ihres Arbeitgebers kontrollieren, weil dies den Ausschlag dafür geben kann, den Kündigungsrechtsstreits zu gewinnen.
In einem aktuellen Urteil des Arbeitsgerichts München vom 04.08.2022 (39 Ca 90/22) den wir für einen Arbeitnehmer geführt haben, war es gerade die Internetseite des Arbeitgebers, eines Autohauses, die die Kündigung am Ende zu Fall gebracht hat.
Autohaus kündigt Serviceleiter betriebsbedingt
Ausgang des Rechtsstreits war eine betriebsbedingte Kündigung, bei der der Kläger als Serviceleiter und Service-Controller für alle Marken bei der Beklagten, einem Autohaus mit mehreren Standorten, beschäftigt war. Die Stelle des Klägers war kurz vor seinem Eintritt geschaffen worden. Gedanke hinter der Stelle war, dass die Geschäftsleitung sich über einen Controller mit den Servicebereichen vernetzen wollte. Der Geschäftsführer wollte so einerseits entlastet werden und andererseits aus den Servicebereichen Informationen in aufgearbeiteter Form erhalten. Der Kläger sollte also als Zwischenstelle zwischen den Serviceleitern und der Geschäftsführung dienen.
Ende 2021 traf der Geschäftsführer die Entscheidung die Stelle des Klägers abzubauen und er sprach eine betriebsbedingte Kündigung aus. Im Rahmen des Kündigungsrechtsstreits begründete er dies damit, dass nicht genügend Arbeit für diese Stelle vorhanden gewesen sein und die Tätigkeiten, die für die Stelle des Klägers gedacht waren, wieder auf die einzelnen Serviceleiter zurückverteilt werden sollte.
Der Kläger wiederum hat vorgetragen, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs seiner Kündigung eine Stelle eines Serviceleiters an einem der Standorte der Beklagten vakant gewesen sei und er dort problemlos hätte eingesetzt werden können. Unzutreffend sei auch, dass die von ihm ausgeführten Tätigkeiten unproblematisch auf die vorhandenen Mitarbeiter hätten verteilt werden können, weil es keinen Personalüberhang gegeben hätte, also die verbliebenen Mitarbeiter bereits so hinreichend ausgelastet gewesen wären. Weiter trug der Kläger vor, dass es im Betrieb der Beklagten stets und fortlaufend Vakanzen gegeben habe. Insbesondere seien auch Stellen von Kfz-Serviceberatern frei gewesen, die ihm vorrangig hätten vor Ausspruch einer Kündigung angeboten werden müssen.
Nachdem der Geschäftsführer nicht nur im Gütetermin, sondern auch im Kammertermin stur geblieben war und trotz entsprechenden Hinweises der Kammer, dass die Kündigung auf „wackligen Füßen“ steht, nicht bereit war Verhandlungen über eine Beendigung gegen Zahlung einer Abfindung aufzunehmen, musste das Arbeitsgericht entscheiden und hat nun die Kündigung für unwirksam erklärt.
Arbeitgeber hat Darlegungs- und Beweislast nicht entsprochen
Die Arbeitsrichter haben die Kündigung für sozial nicht gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 1 KSchG erklärt, weil betriebsbedingte Gründe für die Kündigung nicht vorgelegen hätten und haben ihre Entscheidung damit begründet, dass aus ihrer Sicht die Kündigung an dem Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers scheitern würde.
Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt:
„Ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung liegt nur vor, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der bei Ausspruch der Kündigung bestehenden betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art als durch eine Beendigungskündigung zu entsprechen. Das Merkmal der „Dringlichkeit” der betrieblichen Erfordernisse konkretisiert den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (ultima-ratio-Prinzip), aus dem sich ergibt, dass der Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine beiden Parteien objektiv mögliche und zumutbare Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Bedingungen anbieten muss (BAG, Urteil vom 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, NZA 2005, 1289 mwN).
Für das Fehlen einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist gem. § 1 II 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den glei-chen Bedingungen nicht möglich. Will der Arbeitnehmer vorbringen, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm, darzulegen, wie er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht möglich war (BAG, Urteil vom 25.10.2012 – 2 AZR 552/11, NZA-RR 2013, 632).
Der Kläger hat vorliegend – insoweit von der Beklagten unbestritten – dargelegt, dass er aufgrund seiner Ausbildung auch Tätigkeiten als Serviceberater aus-führen könnte und diese auch zur Unterstützung von Kollegen im Autohaus der Beklagten bereits ausgeübt hat. Er hat sich zudem darauf berufen, dass solche Stellen bei der Beklagten laufend frei seien und zum Zeitpunkt 4.4.2022 auch entsprechende Stellenausschreibungen vorgelegt. Die Beklagte hat dazu auch auf entsprechenden Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nur vorgetragen, dass freie Stellen als Serviceberater zum Zeit-punkt des Ausspruchs der Kündigung nicht vorhanden waren. Dies genügt aus Sicht der erkennenden Kammer nicht den Anforderungen an die Darlegungs-last der Beklagten im Hinblick auf das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Die Beklagte hätte hier darlegen und im Bestreitensfall beweisen müssen, inwiefern Stellen als Serviceberater – wie vom Kläger behauptet – laufend frei werden bzw. dies nicht der Fall ist. Im Hinblick auf die vorgelegten Stellen-ausschreibungen hätte dazu auch die Darlegung gehört, inwiefern sich der Be-darf für die dort ausgeschriebenen Stellen erst nach dem Ablauf der Kündi-gungsfrist des Klägers ergeben hat.“
Anmerkung:
Das gut begründete Urteil kann quasi als Blaupause für Angriffe auf betriebsbedingte Kündigungen verwendet werden. Gerade bei größeren Arbeitgebern, die regelmäßig neue Mitarbeiter über Ihre Internetseite suchen, besteht ihr oft ein gutes Angriffspotenzial um eine Kündigung zu Fall zu bringen. Aber auch für den Fall, dass der Arbeitgeber keine Stellenausschreibungen auf seiner Internetseite unterhält, sollten Sie als Arbeitnehmer, wenn Sie eine betriebsbedingte Kündigung erhalten haben, und erfolgreich dagegen vorgehen möchten, einschlägige Jobportale im Internet durchsuchen, ob dort nicht aktuelle Stellen des Arbeitgebers ausgeschrieben sind, die er ihnen vor Ausspruch der Kündigung hätte anbieten müssen.
Für den Arbeitgeber ist es immer ungünstig, einen solchen Rechtsstreit zu verlieren, denn jetzt hatte einmal das Problem, einen Mitarbeiter, denn nicht im Betrieb haben möchte, weiter beschäftigen zu müssen und darüber hinaus können gerade dann, wenn eine Beschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits nicht stattgefunden hat, über das Annahmeverzugsrisiko ganz erhebliche Nachforderungen wegen des nun nachzuzahlenden Lohns auf den Arbeitgeber zukommen. Da ein Kündigungsrechtsstreit, gerade wenn es um eine betriebsbedingte Kündigung geht, ähnlich wie bei einer außerordentlichen Kündigung, für Arbeitgeber ein ganz erhebliches Risikopotenzial bietet, sollte verständiger Arbeitgeber stets einer wirtschaftlich orientierten Lösung, spätestens im Rahmen des Gütetermins, also Abschlussvergleich gegen Auffindung, einer Prozesslösung im Kammertermin den Vorzug geben.
Denken Sie als Arbeitgeber darüber nach, Arbeitnehmer betriebsbedingt abzubauen oder aber haben Sie als Arbeitnehmer bereits eine betriebsbedingte Kündigung erhalten, dann beraten und vertreten wir Sie gerne, bundesweit.