Rechtsstreitigkeiten sind immer dann besonders problematisch, wenn diese nicht innerhalb Deutschlands erledigt werden können, sondern Auslandsbezug haben, weil eine Partei ihren Sitz im Ausland hat. Abgesehen von der Problematik der Zustellung einer Klageschrift oder eines sonstigen Schriftstücks sowie der Zuständigkeit deutscher Gerichte und der Anwendbarkeit deutschen Rechts stellt sich dann nämlich für den Kläger die Frage, ob die Zustellung einer Klageschrift in deutscher Sprache ausreichend ist oder aber ob diese in die Landessprache übersetzt werden muss.
Das AG Berlin Mitte hat sich in seinem Versäumnisurteil vom 08.03.2017 (15 C 364/16) mit dieser Fragestellung befasst und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Zustellung einer in deutscher Sprache verfassten Klageschrift dann ausreichend ist, wenn davon auszugehen ist, dass der Empfänger auch die deutsche Sprache versteht.
Facebook Irland Limited rügt Zustellung von Klageschrift in deutscher Sprache
Der in Deutschland ansässige Kläger hatte seine Klage gegen die in Irland ansässige Facebook Irland Limited gerichtet. Er wollte wieder uneingeschränkten Zugang zu seinem Nutzerkonto auf der von der Beklagten betriebenen Internetplattform “Facebook.com“ erhalten.
Facebook hatte sich inhaltlich nicht verteidigt, sondern sich vielmehr darauf beschränkt die Klagezustellung mangels Übersetzung in die englische Sprache zurückzuweisen.
Klageschrift in deutscher Sprache war wirksam zugestellt worden.
Gemäß der EU-Zustellungsverordnung –Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 kann die Annahme eines zuzustellenden Schriftstücks nur verweigert werden, wenn es nicht in einer Sprache abgefasst ist, die entweder der Adressat versteht oder welche Amtssprache am Zustellungsort ist. Da Deutsch keine Amtssprache in Irland ist, kommt es darauf an, ob die Beklagte Deutsch versteht.
Dies war vorliegend nach Auffassung des Gerichts der Fall, denn bei Unternehmen ist für die Sprachkenntnisse nicht auf die persönlichen Fähigkeiten der Mitglieder der Geschäftsleitung abzustellen, sondern auf die Organisation des Unternehmens insgesamt. Entscheidend ist insoweit, ob aufgrund des Umfangs der Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Land davon ausgegangen werden kann, dass im Unternehmen Mitarbeiter vorhanden sein müssten, welche sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den Kunden kümmern können. Dabei können regelmäßig schon ausreichende Kenntnisse derjenigen Sprache zugrunde gelegt werden, die im Geschäftsverkehr des Adressaten genutzt worden sind, so das Gericht.
Die gesamte gegenüber Nutzern in Deutschland verwendete Plattform-Oberfläche der Beklagten ist in deutscher Sprache gehalten. Dies beginnt mit der zentralen Startseite der Plattform unter www.facebook.de und unter www.facebook.com. Ferner sind sämtliche im Verhältnis zwischen den Parteien verwendeten Dokumente in deutscher Sprache gehalten, so die AGB der Beklagten, die AGB-Zusätze für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland, die Datenrichtlinie und die Cookie-Richtlinie. Die Beklagte hat die deutsche Sprache auch nicht ausgeschlossen. Hätte sie dies gewollt, so hätte sie dies explizit regeln müssen. Dies ergibt sich aus Artikel 246c Ziffer 4 EGBGB. Die Beklagte verfügt auch nach eigenen Pressemitteilungen über mehr als 20 Millionen Kunden in Deutschland. Hierfür müssen logischerweise, so das Gericht, rechtlich bewanderte deutschsprachige Mitarbeiter zur Verfügung stehen, da anders ein solcher Umfang an Geschäftstätigkeit nicht ausgeübt werden könnte, so das Gericht.
Entsprechend wurde auch die Beschwerde des Klägers in deutscher Sprache von einem Mitarbeiter der Beklagten beantwortet, welcher, wovon das Gericht auszugehen hat, sich zuvor rechtlich mit der Beschwerde auseinandergesetzt hat.
Da für die Beklagte niemand erschienen und die Klage schlüssig war, hat das Gericht das beantragte Versäumnisurteil erlassen.
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Berlin Mitte ergibt sich übrigens aus Art 18 Abs.1 EuGVVO; die Anwendung deutschen Rechts folgt aus Art 6 der ROM-I-VO.