Wurde einem Abkömmling durch Testament der Pflichtteil entzogen, dann stellt sich für den Betroffenen oft die Frage, wie dagegen rechtlich vorgegangen werden kann. Soll beispielsweise zunächst im Rahmen einer Feststellungsklage darauf geklagt werden, dass die Pflichtteilsentziehung nicht wirksam ist oder aber kann trotz der Entziehung der „normale Weg“ beschritten werden, also mit einer isolierten Auskunftsklage oder einer Stufenklage auf Auskunft über Bestand und Umfang des Nachlasses geklagt werden?
Auch, wenn auf den 1. Blick alles dafür spricht eine Feststellungsklage zu erheben, weil ja, so zumindest die laienhafte Sicht, zunächst geklärt werden müsse, ob dem Betroffenen überhaupt Ansprüche aus dem Pflichtteilsrecht zustehen, so ist dies gleichwohl unrichtig, weil für eine solche Feststellungsklage das Feststellungsinteresse iSv. § 256 ZPO fehlt (OLG Celle, Urteil vom 17. März 2022, 6 U 63/21). Vielmehr muss aufgrund des Vorrangs der Leistungsklage die Klagepartei entweder mit einer isolierten Auskunftsklage nach § 2314 BGB oder aber mit einer Stufenklage sofort im Pflichtteilsrecht wurzelnde Ansprüche geltend machen. Dies deshalb, weil das Recht eines Erblassers den Pflichtteil zu entziehen mit Eintritt des Erbfalls zur bloßen Vorfrage für das umfassendere Rechtsverhältnis der gesetzlich geregelten Pflichtteilsansprüche wird, so die Richter. Eine auf bloße Feststellung der Unwirksamkeit des Pflichtteilsentzugs würde zu einer unnötigen Prozesshäufung führen. Dies kann dadurch vermieden werden, dass gleich auf Auskunft geklagt wird. Die Frage, ob der Kläger überhaupt pflichtteilsberechtigt ist, würde dann vom Gericht inzident als Vorfrage geklärt werden.
Anmerkung:
Das, was auf den 1. Blick einleuchtend ist und auf der Hand liegt, scheint in der Praxis dann doch, jedenfalls bei im Erbrecht unerfahrenen Juristen, nicht ganz so eindeutig zu sein. Nicht nur, dass der Kläger, weil die Klage beim Landgericht gestartet war, anwaltlich vertreten sein musste, so dass offensichtlich der Anwalt den Kläger nicht hinreichend darüber aufgeklärt hat, dass sein Klagebegehren keinen Erfolg haben wird und deshalb ein anderer Weg beschritten werden muss, sondern auch weil das OLG entscheiden musste. Das Landgericht hat der Klage in 1. Instanz sogar stattgegeben und die Unwirksamkeit des Pflichtteilsentzugs festgestellt….
Es ist immer wieder erstaunlich, welche Fehlentscheidungen Gerichte treffen und damit den Rechtsuchenden Schaden zufügen. Der nun zuletzt unterlegene Kläger hat nun nicht nur die Kosten für die 2. Instanz, sondern für den gesamten Rechtszug zu tragen. Hätte das Landgericht bereits, was naheliegend gewesen wäre, gleich darauf hingewiesen, dass eine Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresse nicht in Betracht kommt, dann hätte der Kläger sich zumindest die Kosten für das Berufungsverfahren sparen können.
Das Problem, das wir dabei immer wieder feststellen ist, dass Erbstreitigkeiten bei den normalen Zivilgerichten angesiedelt sind, also oft Richter mit komplexen Erbsachverhalten befasst sind, die im Erbrecht nicht die erforderliche Rechtskenntnis haben. Wer nämlich gar nicht weiß, wie Pflichtteilsansprüche gerichtlich geltend gemacht werden, der kommt auch nicht auf die Idee, dass eine Feststellungsklage hier völlig absurd ist. Sollte der Kläger auf die Idee kommen nun Schadensersatzansprüche gegen seinen Rechtsvertreter geltend zu machen, dann wird auch dies dadurch erschwert, dass das Gericht 1. Instanz der Klage stattgegeben hat. Die Haftpflichtversicherung wird damit argumentieren, dass dann, wenn ein deutsches Gericht im Sinne der Klage entschieden hat, dem Anwalt nicht wirklich eine fehlerhafte Rechtsberatung vorgeworfen werden kann. Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand …
Möchten auch Sie Ansprüche aus dem Pflichtteilsrecht geltend machen oder sind Pflichtteilsansprüche abzuwehren, dann beraten und vertreten wir Sie gerne. Bundesweit.dies gilt natürlich auch, wenn sie überlegen, einen Abkömmling nicht nur von der Erbfolge auszuschließen, sondern dem Pflichtteil zu entziehen. Da der Pflichtteil die vom Gesetzgeber einem Abkömmling zugebilligte Mindestbeteiligung am Nachlass ist, sind die gesetzlichen Hürden hierfür recht hoch. Wenn Sie gleichwohl zum Notar gehen und einen solchen Pflichtteilsentzug durchführen, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind, dann belasten sie ihre Erben nur mit einem unnötigen Rechtsstreit. Bitte beachten Sie, dass Sie zwar in einem privatschriftlichen Testament ein Kind von der Erbfolge ausschließen können. Der Pflichtteilsentzug muss aber in notarieller Form erfolgen.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.