Beim sog. Berliner Testament setzen sich regelmäßig Ehegatten für den Fall ihres Ablebens wechselseitig zu Alleinerben ein und bestimmen meistens ihre gemeinschaftlichen Kinder als Schlusserben. Dies hatte in einem nunmehr vom OLG Bamberg (Beschluss vom 06.11.2015, 4 W 105/15) entschieden Rechtsstreit auch ein Ehepaar gemacht und dabei verfügt:
„Wir, die Eheleute … setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Das heißt, der überlebende Ehegatte ist Alleinerbe und hat die Verfügungsgewalt über das gemeinsame Vermögen.
Für den Fall des Ablebens des 2. Ehegatten fällt das gesamte gemeinsame Vermögen den Kindern aus unserer Ehe zu gleichen Teilen zu.“
Nach dem Eintritt des ersten Erbfalls hat der Ehemann noch mehrfach das Testament ändernde Verfügungen getroffen und zuletzt den ältesten Sohn als Alleinerben bestimmt.
Nach Eintritt des zweiten Erbfalls haben die übrigen Geschwister als Antragsteller die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der alle Beteiligten zu gleichen Anteilen entsprechend dem gemeinschaftlichen Testament ihrer Eltern als Miterben ausweist. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des ältesten Sohns, der einen Erbschein aufgrund des nachfolgenden Testaments seines Vaters als Alleinerbe beantragt. Dieser Auffassung sind die Richter allerdings nicht gefolgt.
Das Gericht ist hier zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Erbfolge nämlich nicht nach dem Nachtragstestament des Erblassers, sondern nach dem Ehegattentestament der Eheleute richtet. Dies deshalb, weil die darin angeordnete Schlusserbeneinsetzung als wechselbezüglich im Sinne des § 2270 BGB mit der eigenen Erbeinsetzung des Erblassers als Alleinerbe seiner Ehefrau anzusehen ist. Die Bestimmung im Ausgangstestament, wonach der überlebende Ehegatte „die Verfügungsgewalt über das gemeinsame Vermögen“ haben sollte, hat schon nach dem Wortlaut der betreffenden Anordnung lediglich die Bedeutung und Funktion eines klarstellenden Zusatzes, wonach der überlebende Ehegatte tatsächlich Vollerbe werden sollte. Dieser Zusatz lässt somit auch nicht ansatzweise inhaltliche Parallelen zu dem Regelungsgehalt einer sogenannten Freistellungsklausel erkennen.
Anmerkung:
Beim Berliner Testament werden regelmäßig die Kinder beim ersten Erbfall enterbt, so dass kraft Gesetzes Pflichtteilsansprüche entstehen. Soll vermieden werden, dass der überlebende Ehegatte sich nunmehr mit Pflichtteilsansprüchen der Kinder auseinandersetzen muss, was insbesondere dann misslich ist, wenn der Nachlass im Wesentlichen aus dem Familienheim besteht, so dass Pflichtteilsansprüche finanziell nicht bedient werden könnten, ohne die Immobilie anzugreifen, sollte auf jeden Fall eine Strafklausel mit aufgenommen werden für den Fall, dass ein Kind Pflichtteilsansprüche geltend macht. In einer solchen Strafklausel würde geregelt werden, dass für den Fall, dass beim ersten Erbfall Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden, das Kind (und seine Abkömmlinge), das beim ersten Erbfall bereits den Pflichtteilsanspruch geltend macht, auch beim zweiten Erbfall lediglich den Pflichtteil erhalten soll. Eine solche Klausel hat allerdings nur abschreckende Wirkung. Gänzlich ausgeschlossen werden kann die Geltendmachung eines Bestandsanspruchs nur dann, wenn zuvor mit den als Schlusserben eingesetzten Kindern ein Pflichtteilsverzicht vereinbart wird. Hierfür ist eine notarielle Vereinbarung erforderlich.
Was vielen Ehegatten, die ein solches Berliner Testament erstellen, ohne sich vorher kompetent juristisch beraten haben zu lassen auch oft nicht ganz klar ist, ist die Bindungswirkung der wechselbezüglichen Verfügungen. Diese Wechselbezüglichkeit führt nämlich, wenn nicht eine entsprechende Freistellungsklausel formuliert wird, dazu, dass mit Eintritt des ersten Erbfalls der überlebende Ehegatte in seiner testamentarischen Verfügungsbefugnis, jedenfalls soweit die Wechselbezüglichkeit reicht, ausgeschlossen ist.
Da das Berliner Testament auch dazu führt, dass das Vermögen erst mit Eintritt des zweiten Erbfalls auf die Kinder übergeht, besteht auch gerade bei größeren Nachlässen die Gefahr, dass hierdurch eine Erbschaftssteuerpflicht entsteht, die bei geschickter Regelung vermieten oder jedenfalls reduziert werden könnte.
In der Gesamtschau sollte deshalb niemals ein Berliner Testament zur Regelung des Nachlasses gewählt werden, wenn nicht vorher alles Für und Wider mit einem kompetenten juristischen Berater ausgiebig erörtert worden ist und Ihnen als zukünftigen Erblassern auch wirklich klar ist, was die einzelnen Regelungen, die Sie treffen für Sie, aber auch für ihre Erben bedeuten. Die Kosten für eine Beratung sind im Vergleich zu dem Schaden, der bei schlechten Regelungen entstehen kann, verschwindend gering. Hinzu kommt, dass schlechte Regelungen oftmals auch dazu führen den Frieden innerhalb der Familie dauerhaft nachhaltig zu stören, so dass auch unter diesem Aspekt kein Testament ohne Beratung verfasst werden sollte.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
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