Wird zugunsten eines Vermächtnisnehmers testamentarisch eine Verzinsung angeordnet, weil das Vermächtnis erst mehrere Jahre nach dem Tod des Erblassers fällig wird, so löst dies beim Vermächtnisnehmer steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus (BFH, Urteil vom 20.10.2015 – VIII R 40/13).
In dem entschiedenen Rechtsstreit hatten die Eltern sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und darüber hinaus angeordnet:
„Unser Sohn … erhält beim Tode des Erstversterbenden von uns als Vermächtnis einen Geldbetrag in Höhe des beim Todes des Erstversterbenden geltenden Freibetrages bei der Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer. Dieser Betrag ist aber erst fünf Jahre nach dem Tod des zuerst Versterbenden fällig. Der auszuzahlende Geldbetrag ist mit 5 % bis zur Auszahlung zu verzinsen.“
Als der Vater 2001 verstarb, wurde zunächst entsprechend dem Vermächtnis verfahren. Aber auch nach Ablauf von 5 Jahren 2006 wurde der Vermächtnisbetrag nebst Zinsen nicht an den Sohn ausgezahlt. Stattdessen verzichtete dieser 2007 mit notarieller Vereinbarung auf die Rechte aus seinem Vermächtnis, während die Mutter im Gegenzug auf Nießbrauchrechte an mehreren Immobilien, die im Eigentum des Sohnes standen, verzichtet hat. Der Wert des Vermächtnisses wurde dabei mit 205.000 € zuzüglich angefallener Zinsen in Höhe von 61.640 € angegeben.
Das Finanzamt wollte daraufhin für das Steuerjahr 2006 hinsichtlich der Zinsen aus dem Vermächtnis Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 51.250 € im Einkommensteuerbescheid 2006 berücksichtigen. Es war der Auffassung, dass 2006 der Vermächtnisanspruch und damit auch der Zinsanspruch fällig geworden und damit steuerbar sei.
Nachdem diese Auffassung zunächst auch vom Finanzgericht geteilt wurde, hat der BFH im vorgenannten Urteil dann doch eine differenzierte Auffassung vertreten und auf die wirtschaftliche Verfügungsbefugnis abgestellt.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Im Testament verfügte Verzinsungen des betagten Vermächtnisanspruchs führt beim Kläger zu Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Der Vermächtnisanspruch des Klägers gehört zu den sonstigen Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, denn er ist auf eine Geldleistung gerichtet. Eine erzwungene Kapitalüberlassung liegt auch in den Fällen vor, in denen der Erblasser durch testamentarische Anordnung eine auf Geld gerichtete Teilungsanordnung trifft und eine Geldforderung vermacht und deren spätere Fälligkeit verbindlich vorgibt. Legt der Erblasser, wie hier, bei der Zuwendung eines Vermächtnisbetrages zugleich eine Verzinsung für die Zeit bis zur Fälligkeit fest, sind diese Zinsen bei Zufluss als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig. Zwar stellt der Erwerb von Todes wegen kein erzieltes Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 7 EStG dar und unterliegt nicht der Einkommensteuer. Wird hingegen die Fälligkeit des von Todes wegen erworbenen Anspruchs einvernehmlich zwischen den Erben oder einseitig durch Anordnung des Erblassers mehr als ein Jahr ab seiner Entstehung hinausgeschoben, so stellt dies eine – wie im Streitfall gegebenenfalls unfreiwillige – Kreditgewährung an den Erben dar. Der ausbezahlte Betrag enthält neben dem ertragsteuerlich unbeachtlichen Kapitalwert auch dann ein Entgelt für die Überlassung von Kapital zur Nutzung, wenn das Entgelt nicht gesondert vereinbart wird.
Die Zinsen sind dem Kläger jedoch nicht im Streitjahr 2006 gemäß § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen. Ob der Steuerpflichtige im Einzelfall tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt hat, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und –würdigung. Allein die Fälligkeit des Vermächtnisbetrages im Streitjahr 2006 mit gleichzeitig eintretender Fälligkeit der Zinsen vom Erbfall bis zur Fälligkeit in Höhe von 51.250,00 € vermag einen Zufluss beim Kläger nicht zu begründen. Hierdurch erlangt er nicht die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Zinsen. Das bloße Unterlassen, den fälligen Anspruch gegenüber der Erbin geltend zu machen, stellt keine den Zufluss begründende Disposition des Klägers über den Zinsanspruch dar. Erst mit dem Verzicht auf die fälligen Beträge als Gegenleistung für den Verzicht der Erbin auf die Nießbrauchsrechte hat der Kläger im Jahr 2007 wirtschaftlich über die Zinsen verfügt.“
Anmerkung:
Gerade bei größeren Nachlässen können Vermächtnisse gezielt dazu eingesetzt werden, um nicht nur dem Erblasser nahestehende Personen zu bedenken, sondern auch gezielt Erbschaftssteuern zu sparen.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.