Insolvenzverwalter bekleiden ein Amt und werden vom jeweiligen Insolvenzgericht bestimmt. Im Gegensatz zu Rechtsanwälten wird bei als Insolvenzverwalter tätigen Rechtsanwälten das Mandat nicht der Kanzlei, sondern jeweils dem Verwalter selbst erteilt. Inhaber des Anspruchs auf Verwaltervergütung ist damit – auch bei angestellten Insolvenzverwaltern – nicht die Kanzlei, sondern der Insolvenzverwalter persönlich. Arbeitgeber versuchen sich deshalb regelmäßig dadurch abzusichern, dass sie sich im Innenverhältnis die Ansprüche auf Verwaltervergütung und Auslagen nach der InsVV abtreten lassen.
Wer hier als Arbeitgeber über das Ziel hinaus schießt und Regelungen im Arbeitsvertrag formuliert, die inhaltlich zu unbestimmt sind oder aber im Ergebnis dazu führen würden, dass Vergütungsansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei laufenden Verfahren vollständig beim Arbeitgeber verbleiben, während der Arbeitnehmer dann, quasi des Vergütungsanspruchs beraubt – das Verfahren noch monate- oder gar jahrelang fortführen muss, laufen Gefahr, dass ihre Beteiligung an den Vergütungen der laufenden Verfahren mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenfalls ein Ende findet. Wechselt also ein angestellter Insolvenzverwalter den Arbeitgeber oder aber in die Selbständigkeit, so entsteht zwangsläufig oft Streit ob, und in welchem Umfang auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses von den verdienten Vergütungen noch etwas an den vormaligen Arbeitgeber abzuführen ist.
Um diesem Streit zu entgehen, hat in einem von unserer Kanzlei auf Seiten des ausscheidenden Verwalters begleiteten Fall, ein Arbeitgeber versucht seine Rechtsposition dadurch zu verbessern, dass er kurzerhand dem scheidenden Verwalter nicht die Daten zu den Insolvenzverfahren herausgeben wollte, wenn dieser nicht im Gegenzug bereit sei, im Rahmen einer Abwicklungsvereinbarung auch eine Verteilung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werdender Vergütungen zu regeln. Nachdem der scheidende Insolvenzverwalter den Abschluss einer solchen Vereinbarung abgelehnt und den Arbeitgeber auf den Rechtsweg verwiesen hat, versuchte nunmehr der Arbeitgeber kurzerhand doch noch eine „Regelung“ dadurch zu erreichen, dass er nicht nur angab, er vermöge schon keine Anspruchsgrundlage zu erkennen, die den scheidenden Arbeitnehmer berechtigen würde, die Daten seiner Insolvenzverfahren heraus zu verlangen. Für den Fall, dass aber doch ein solcher Anspruch bestünde wollte er jedenfalls bis zur Erfüllung seiner behaupteten Forderungen ein Zurückbehaltungsrecht ausüben.
Zu Unrecht, wie das Arbeitsgericht München (13 Ga 60/16) in seinem von unserer Kanzlei erstrittenen Urteil vom 31.05.2016 entschieden und den Arbeitgeber zur vorbehaltslosen Herausgabe der Akten verurteilt hat.
Aus den Entscheidungsgründen:
„a) Der Anspruch der Klägerin auf Herausgabe ihrer Verfahrensakten ergibt sich mittelbar aus § 11 Abs. 2 des Arbeitsvertrages (s.o.). Die Mitnahmepflicht korrespondiert im Umkehrschluss mit einer Herausgabeverpflichtung des Verfügungsbeklagten. Auch, wenn in § 11 des Arbeitsvertrages eine Herausgabeverpflichtung bezogen auf digitale Akten nicht ausdrücklich geregelt ist, so ergibt sich diese zumindest aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung.
Die grundsätzliche Verpflichtung zur Herausgabe der Verfahrensakten hat der Verfügungsbeklagte auch nicht bestritten. Dass Akten, soweit sie lediglich digital geführt werden, auf einen entsprechenden Datenträger herauszugeben sind, ist auch Sinn und Zweck dieser Regelung. Soweit die Klägerin in ihrem Hilfsantrag auf Herausgabe einer „Auslieferungsdatenbank“ begehrt ist der Antrag dahin zu präzisieren bzw. einzuschränken, dass ihr lediglich ein Anspruch auf Zurverfügungstellung entsprechender digitaler Dateien zusteht (siehe oben). Unklar ist auch, was die Verfügungsklägerin mit einer „Auslieferungsdatenbank“ meint.
b) Der Verfügungsanspruch ist nicht durch ein Zurückbehaltungsrecht des Verfügungsbeklagten ausgeschlossen.
…
bb) Aus Sicht der Kammer steht jedoch vorliegend der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts aufgrund der besonderen Stellung der Verfügungsklägerin als Insolvenzverwalterin in den ihr übertragenen Verfahren der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Zu Recht weist die Verfügungsklägerin darauf hin, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts unter dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB steht und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterliegt. Wäre der Verfügungsbeklagte vorliegend berechtigt, bis zum Abschluss der höchst strittigen und problematischen Frage der Abwicklung der Vergütungen aus den jeweiligen Insolvenzverfahren die der Klägerin für die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit zwingend erforderlichen Verfahrensakten zurück zu halten, stünde dies faktisch einer Vereitelung des Herausgabeverlangens gleich. Der Verfügungsklägerin wäre es bis auf unabsehbare Zeit unmöglich, die ihr vom Insolvenzgericht übertragenen Verfahrensakten weiter zu bearbeiten. Ein so weitgehender Eingriff des Verfügungsbeklagten in die der Verfügungsklägerin vom Insolvenzgericht übertragenen Aufgaben ist mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar.“
Anmerkung:
Obwohl das Urteil im vorläufigen Rechtschutzverfahren ergangen ist, sind zwischen Einreichung der Antragsschrift und Ausfertigung des Urteils mehr als 4 Wochen vergangen. Sollten sich also beim Ausscheiden eines Insolvenzverwalters aus einem Arbeitsverhältnis Probleme hinsichtlich der Verfahrensakten/-daten ergeben, dann empfiehlt es sich vor diesem Hintergrund aus Sicht des Arbeitnehmers nicht auf das Einsehen des Arbeitgebers zu vertrauen, sondern frühzeitig um gerichtliche Rechtsschutz nach zu suchen.
Wer ein neues Arbeitsverhältnis begründet, gleichgültig ob als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, der kann derartigen Streit vermeiden, wenn im Arbeitsvertrag hinreichend bestimmte und angemessene Regelungen sowohl über die Vergütungsverteilung als auch über die Herausgabeverpflichtung der Akten formuliert werden. Dieser, aber auch andere Fälle, die wir begleitet haben, zeigen, dass hier oft Arbeitnehmer bei den Vertragsverhandlungen nicht darüber nachdenken, was ist, wenn eines Tages das Arbeitsverhältnis endet und Arbeitgeber sich oft dadurch hausgemachte Probleme schaffen, dass sie nicht eine fachkundige Expertise in Anspruch nehmen, sondern ihre Arbeitsverträge selbst formulieren und sich dabei zu wenig Gedanken machen, ob wohlklingende Formulierungen auch tatsächlich im Streitfall einer rechtlichen Nachprüfung standhalten werden, insbesondere dann, wenn Abtretungsregelungen zu unbestimmt sind und darüber hinaus noch scheidende Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen.