In Mietshäusern kommt es nicht selten vor, dass sich – sei es zu Recht oder zu Unrecht – ein Mieter über einen anderen Mieter beim Vermieter beschwert und der Vermieter dann aufgrund dieser Beschwerde gegen den Mieter vorgeht. Wer sich beschwert hat erfährt der so vom Vermieter gerügte regelmäßig nicht, weil der Name des Beschwerdeführers regelmäßig nicht preisgegeben wird. Kann nun aber der Mieter den Spieß umdrehen und vom Vermieter Auskunft darüber verlangen, wer sich über ihn beschwert hat? Diese Frage war Gegenstand eines Urteils des BGH vom 22.02.2022 (IV ZR 14/21), mit dem ein Mieter (vorerst) erfolgreich ein solches Auskunftsrecht verfolgt hat.
Beschwerde wegen starker Geruchsbelästigung und Ungeziefer im Treppenhaus
Die Vermieterin hatte dem Kläger im Juli 2019 mitgeteilt, dass sie aufgrund von Beschwerden über „starke Geruchsbelästigung und Ungeziefer im Treppenhaus“ eine Begehung seiner Wohnung durchführen wolle.
Die Begehung hatte dann ergeben, dass die Wohnung verwahrlost war. Die Vermieterin forderte daraufhin den Kläger auf diese zu reinigen und zu entrümpeln, was er auch erledigt hat.
Mieter verlangt Auskunft über den Namen des Hinweisgeber
Damit wollte es aber der Kläger nicht auf sich bewenden lassen, sondern verlangte nunmehr von der Vermieterin Auskunft darüber welcher seiner Mitbewohner sich über ihn beschwert habe. Nachdem die Vermieterin den Namen unter Verweis auf das Datenschutzrecht nicht preisgab, erhob der Mieter Klage und scheiterte damit sowohl beim Landgericht Ravensburg als auch beim OLG Stuttgart. Zur Begründung haben die Richter dort ausgeführt, dass eine Preisgabe des Namens des Hinweisgebers ohne dessen ausdrückliche Einwilligung gegen dessen datenschutzrechtliche Interessen verstoßen würde.
Es kommt auf den Wahrheitsgehalt der Behauptung an
Beim BGH hatte der hartnäckige Mieter dann jedoch (zunächst) Erfolg, denn die obersten Bundesrichter stellten klar, dass die Vermieterin nach Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 lit. d DSGVO gegenüber dem Kläger auskunftspflichtig sein könnte.
Die Richter rügen dabei, dass die Vorinstanzen nicht aufgeklärt hatten, ob die von der Beklagten verarbeitete Behauptung des Hinweisgebers über starke Geruchsbelästigung und Ungeziefer Treppenhaus sachlich richtig gewesen sei. Dies spiele aber in der Abwägung der wechselseitigen Interessen der Mieter untereinander eine entscheidende Rolle.
Sollte sich die Behauptung als unrichtig erweisen, sei nicht davon auszugehen, dass durch die vom Kläger verlangte Auskunft über die Herkunft der über ihn verarbeiteten personenbezogenen Daten die Rechte und Freiheiten des Hinweisgebers beeinträchtigt würden, denn die Offenlegung von dessen Identität durch die Vermieterin als Verantwortliche wäre dann, auch wenn der Hinweisgeber nicht eingewilligt haben sollte, nach Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. f DSGVO rechtmäßig. Die Offenlegung wäre zur Wahrung des berechtigten Interesses des Klägers erforderlich, damit dieser mögliche Rechte gegen den Hinweisgeber geltend machen könne. Deshalb müsse das OLG den Sachverhalt zunächst weiter aufklären, bevor hier im Einzelfall endgültig entschieden werden kann.
Anmerkung:
Nachdem der BGH dem Grunde nach ein Auskunftsrecht gebilligt hat, ist zu befürchten, dass künftig, jedenfalls dann, wenn eine Rechtsschutzversicherung vorhanden ist oder ohne Kostenrisiko auf Grundlage von Prozesskostenhilfe geklagt werden kann, in Mietshäusern Beschwerden über einzelne Mieter regelmäßig sofort mit einer Auskunftsklage gegen den Vermieter quittiert werden. Wer sich also über einen anderen Mieter beschwert, der muss grundsätzlich damit rechnen, dass dies nicht mehr im Verborgenen geschieht, sondern der Kontrahent auch erfahren wird, von wem die Beschwerde stammt. Umgekehrt würde wiederum der Vermieter sich gegenüber dem Auskunftsgeber angreifbar machen, wenn der dessen Daten ohne dessen Einwilligung oder sonstige Rechtfertigung vorschnell preisgibt. Ob all dies dem friedlichen Miteinander in einem Mietshaus dienlich ist, mag dahinstehen. Die DSGVO zeigt sich damit auch im Mietrecht, ähnlich wie im Arbeitsrecht, als Mittel mit dem Querulanten auf den Plan gerufen werden. Gut gedacht, schlecht gemacht, wie manches, was aus Brüssel kommt.