Nachdem, gerade in Ballungszentren, der Mietmarkt heiß ist, besteht manchmal eine Möglichkeit an günstigen Wohnraum zu kommen, in dem der Eintritt in Altmietverträge, beispielsweise der verstorbenen Eltern oder Großeltern erklärt wird. Damit ein solches Eintrittsrecht aber überhaupt in Betracht kommt, muss mit dem Verstorbenen ein gemeinsamer Haushalt geführt worden sein bzw. man muss zumindest zusammengelebt haben. Die bloße Pflege des Erblassers oder der Erblasserin genügt dagegen nicht (Amtsgericht München, Urteil vom 27. Juni 2018, 452 C 17000/17).
Streit um Eintritt in den Mietvertrag des Vaters
Der Erblasser hatte mit der Klägerin, einer Stiftung, im Februar 1970 einen Mietvertrag über eine Dreizimmerwohnung in München abgeschlossen. Als dieser 2017 verstorben war, erklärte dessen Tochter 4 Wochen nach dessen Tod den Eintritt in das Vertragsverhältnis. Zur Begründung trug sie vor, sie habe ab August 2015, als es ihrem Vater schlechter ging, mit diesen einen gemeinsamen Hausstand geführt, auch wenn sie ihre eigene Wohnung beibehalten habe. Die Vermieterin erklärte darauf die Kündigung des Mietverhältnisses und stellte sich auf den Standpunkt, dass der Beklagten kein Eintrittsrecht zustehen würde, weil sie gerade mit ihrem Vater keinen gemeinsamen Hausstand geführt habe. Da die Beklagte die Wohnung nicht räumen wollte, landete der Rechtsstreit schließlich vor Gericht.
Nachweis des Zusammenlebens gelingt nach Auffassung des Gerichts nicht
Nach umfangreicher Beweisaufnahme hat das Gericht der Klägerin recht gegeben und die Beklagte zur Räumung der Wohnung verurteilt. Zur Begründung hat der Richter ausgeführt, dass die beweisbelastete Beklagte zu seiner Überzeugung nicht den Nachweis geführt habe, dass sie tatsächlich in der Wohnung ihres Vaters gelebt habe.
Zwar habe ein Verwandter, der als Zeuge vernommen worden war, ausgesagt, dass die Beklagte im Jahr 2015 zu ihrem Vater, der rund um die Uhr hilfsbedürftig war, gezogen sei. Anders sei die Pflege nicht zu leisten gewesen. In ihrer bisherigen Wohnung habe sie lediglich weiterhin ihre selbstständige Tätigkeit ausgeübt.
Auch der den Erblasser begleitende Arzt gab in seiner Vernehmung als Zeuge an, dass es aus ärztlicher Sicht nötig gewesen sei, den Erblasser rund um die Uhr zu betreuen. Es sei ohnehin erstaunlich, dass dessen Pflege durch die Beklagte mit Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes überhaupt zu Hause bewerkstelligt werden konnte. Da sein Patient auch in der Nacht betreut werden musste und bei diesem ca. viermal täglich Windeln und Wäsche gewechselt werden mussten, gehe er davon aus, dass die Beklagte auch dort gewohnt habe. Sein Patient habe nämlich nachts nicht alleingelassen werden können. Er selbst sei zwei- bis dreimal im Quartal in der Wohnung gewesen, wurde aber von der Beklagten des Öfteren über aktuelle Vorfälle unterrichtet. Er sei auch im Rahmen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes des Öfteren in der Wohnung gewesen und habe dort jedes Mal die Beklagte angetroffen.
Ein weiter als Zeuge gehörter Nachbar bestätigte, dass in den letzten 1 bis 2 Jahren bei schönem Wetter die Beklagte täglich gesehen habe. Ob sie aber dort gewohnt habe, vermöge nicht zu bestätigen. Er wisse, dass diese noch eine andere Wohnung habe.
All dies vermochte den zuständigen Richter allerdings nicht zu überzeugen. Zur Begründung führte er aus, dass die Führung eines gemeinsamen Haushalts über das gemeinsame Wohnen in derselben Wohnung hinaus ein in gewisser Weise arbeitsteiliges Zusammenwirken bei der Lebensführung in Bezug auf die typischerweise in einem Haushalt anfallenden Verrichtungen (z.B. Reinigung, Einkaufen, Kochen, Anschaffung von Haushaltsgegenständen, Versorgung und Pflege bei Krankheit, Verwaltung des Einkommens bzw. Vermögens) erfordern würde. Zwar habe der BGH entschieden, dass bei einem im Haushalt der verstorbenen Mieterin lebenden Kind keine überspannten Anforderungen zu stellen sind. Insbesondere muss das Kind gemäß § 563 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht wie ein übriger Angehöriger den Haushalt zusammen mit dem verstorbenen Mieter geführt haben, sondern es reicht aus, dass es lediglich in dessen Haushalt gelebt hat (BGH, Urt. v. 10.12.2014 – VIII ZR 25/14).
Im vorliegenden Fall würde es aber bereits an einem Zusammenleben fehlen, denn bereits die Anhörung der Beklagten selbst habe ergeben, dass sie ihren Lebensmittelpunkt in ihrer bisherigen Wohnung nicht aufgegeben, sondern lediglich zum Zwecke der Pflege ihres Vaters eingeschränkt habe. So habe sie angegeben, dass sie lediglich zum Teil sechsmal pro Woche, manchmal aber auch nur 3 bis viermal, in der Wohnung ihres Vaters übernachtet habe. Ihren Hund, den sie zusätzlich versorgen musste, habe sie in ihrer eigenen Wohnung belassen. Schließlich habe sie auch weiterhin das Arbeitszimmer ihrer Wohnung genutzt. Die vernommenen Zeugen hätten lediglich einzelne Beobachtungen bzw. deren eigene Einschätzung wiedergegeben. Hinzu komme, dass eine weitere Zeugin angegeben hatte, die Beklagte habe ihr erzählt, dass sie den Tod des Vaters nicht miterlebt habe, weil sie an diesem Tag nach Hause gefahren sei und ihn erst am nächsten Tag dann tot aufgefunden habe.
Die Beklagte hat das Urteil zunächst beim Landgericht München I angegriffen. Nach entsprechenden Hinweise des Gerichts auf die Erfolglosigkeit der Berufung hat sie diese dann zurückgenommen, sodass das Urteil rechtskräftig ist.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
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