Wer als Arbeitnehmer erkrankt ist, der ist von der Erbringung der Arbeitsleistung befreit. Dies jedenfalls dann, wenn ihm von einem Arzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird. Im Normalfall ist dies für den Arbeitgeber zwar unangenehm, aber kein großes Ding, will er doch, dass es dem Arbeitnehmer bald wieder besser geht und der Rest der Belegschaft bei ansteckenden Krankheiten nicht angesteckt wird.
Problematisch kann es allerdings dann werden, wenn Arbeitnehmer dies ausnutzen, weil manche Ärzte allzu leichtfertig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen. Uns sind aus der täglichen Praxis Fälle bekannt, bei denen gerade junge Arbeitnehmer, in einem Jahr mehr Fehltage produzieren, als die gesamte restliche Belegschaft. 50 Fehltage und mehr pro Jahr sind dabei keine Seltenheit. Gerade bei kleineren Unternehmen ist dies nicht nur für den Arbeitgeber ärgerlich, sondern führt auch zu einer erheblichen Missstimmung bei den Kollegen, die letztendlich den Ausfall mittragen müssen.
Die Möglichkeiten des Arbeitgebers sind beschränkt, da sich Ärzte regelmäßig auf ihre Schweigepflicht berufen. Gleichwohl riskiert derjenige, der sich krankschreiben lässt, obwohl er nicht wirklich krank ist, den Verlust des Arbeitsplatzes, wenn dies durch Kommissar Zufall auffliegt oder aber der Arbeitgeber sich die Mühe gemacht hat einen Detektiv zur Überwachung des Arbeitnehmers einzuschalten.
Gleichgültig, ob der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig ist oder nicht. Kann er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen, dann spricht für diese zunächst die Vermutung der Richtigkeit, so dass der Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung befreit ist.
Davon zu trennen ist allerdings die Frage, ob der Arbeitnehmer trotz Arbeitsunfähigkeit zu einem Personalgespräch erscheinen muss, wenn er vom Arbeitgeber dazu aufgefordert wird. Diese Frage hat nun das BAG mit Urteil vom 02.11.2016 (10 AZR 596/15) beantwortet, ohne sich allerdings eindeutig festzulegen.
Arbeitgeber bittet Arbeitnehmer zum Personalgespräch trotz Arbeitsunfähigkeit
Geklagt hatte ein Krankenpfleger, der zunächst nach einem Unfall längere Zeit arbeitsunfähig krank gewesen war. Nach seiner Wiedergenesung wurde er befristet auf einer anderen Stelle als Dokumentationsassistent beschäftigt. Kurz vor Ablauf dieser Befristung wurde er wieder arbeitsunfähig krank. Daraufhin wurde er – vergeblich – mehrfach vom Arbeitgeber zum Personalgespräch gebeten.
Arbeitnehmer verweigert Teilnahme am Personalgespräch und verweist auf seine Arbeitsunfähigkeit
Der Arbeitnehmer dachte aber gar nicht daran im Betrieb zu erscheinen, sondern hat mehreren Aufforderungen zu einem Personalgespräch nicht Folge geleistet und zur Begründung auf seine bestehende Arbeitsunfähigkeit verwiesen.
Der Arbeitgeber wollte dann noch zusätzlich eine ärztliche Bescheinigung, aus der sich ergibt, dass der Arbeitnehmer auch unfähig sein sollte an einem Personalgespräch teilzunehmen. Eine solche legte Der Arbeitnehmer aber nicht vor.
Arbeitgeber erteilt Arbeitnehmer eine Abmahnung – dieser zieht vor das Arbeitsgericht
Nachdem also der Arbeitnehmer den Aufforderungen des Arbeitgebers nicht Folge geleistet hatte, erteilte ihm der Arbeitgeber eine Abmahnung. Dies wollte sich der Arbeitnehmer nicht bieten lassen und zog dagegen vor das Arbeitsgericht. Gleichzeitig wollte er noch feststellen lassen, dass bereits eine einfache Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreichend sei, um von einem Personalgespräch fernzubleiben.
Arbeitsunfähigkeit kann auch von der Teilnahme an einem Personalgespräch entbinden, muss es aber nicht zwingend
Hinsichtlich der Abmahnung war der Krankenpfleger erfolgreich, so dass er eine Löschung aus der Personalakte verlangen konnte. Sie war nach Auffassung des BAG zu Unrecht erfolgt, weil der Arbeitgeber keine betrieblichen Gründe aufgezeigt hatte, die es unverzichtbar gemacht hätten, dass der Arbeitnehmer persönlich zu einem Gespräch im Betrieb erscheint. Generell sei es nämlich ausreichend telefonisch oder schriftlich zu kommunizieren. Eine generelle Feststellung, dass ein Arbeitnehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit nicht zur Teilnahme an einem Personalgespräch verpflichtet sei, wollten die Richter aber nicht treffen, denn es könne durchaus Fälle geben, in denen der Arbeitnehmer im Betrieb erscheinen müsse. Dies jedenfalls dann, wenn es aus betrieblichen Gründen unverzichtbar ist und der Arbeitnehmer gesund genug ist, um den Termin wahrzunehmen. Weiter stellten die Richter klar, dass der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt treten müsse, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern.
Da also die Richter nicht grundsätzlich eine Verpflichtung zur Teilnahme am Personalgespräch abgelehnt haben, sondern eher ein Regel-Ausnahme-Verhältnis geschaffen haben, bleibt für Arbeitnehmer stets eine gewisse Unsicherheit, wenn die Teilnahme verweigert wird. Wer Streit vermeiden will, sollte sich daher gut überlegen, ob er sich hier stur stellt. Arbeitgeber sind auch nur Menschen und selbst dem sanftmütigsten Arbeitgeber kann irgendwann der Kragen platzen. Deshalb sollte, jedenfalls dann, wenn weiterhin Interesse am Arbeitsverhältnis besteht, stets Konsens einer Konfrontation vorgezogen werden.