Einigt sich der Nacherbe mit dem Vorerben darüber, dass er seine Nacherbenrechte auf den Vorerben überträgt, dann muss das Nachlassgericht grundsätzlich einen Erbschein ohne Nacherbenvermerk erteilen; dies jedenfalls dann, wenn eine solche Übertragung vom Erblasser nicht ausgeschlossen worden ist (OLG Braunschweig, Beschluss vom 13.05.2020, 3 W 74/20).
Nacherbe überträgt gegen Bezahlung seine Rechte auf Vorerbin
Auslöser des Rechtsstreits war ein Erbvertrag, in dem der Erblasser geregelt hat, dass seine Ehefrau Vorerbin werden soll. Zum Nachlass zählt dabei auch eine Eigentumswohnung. Nacherbe sollte dagegen sein Sohn aus einer früheren Beziehung sein. Gleichzeitig hat der Erblasser verfügt, dass dann, wenn die Ehefrau die Wohnung verkaufen sollte, sie die Hälfte des Erlöses dem Sohn geben müsse.
Nach Eintritt des Erbfalls hat sich die Ehefrau mit dem Sohn dann dahingehend geeinigt, dass dieser ihr seine Rechtsstellung als Nacherbe gegen Zahlung von 10.000 € abgetreten hat. Gleichwohl weigerte sich das Nachlassgericht einen Erbschein ohne Nacherbenvermerk zu erteilen. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Vorerbin.
Übertragung der Nacherbenstellung auf den Vorerben möglich und nicht ausgeschlossen
Die Richter am OLG gab der Ehefrau recht, denn da nach der testamentarischen Regelung eine Übertragung der Nacherbenstellung auf die Vorerbin nicht ausgeschlossen war, konnten die Beteiligten wirksam eine vom Testament abweichende Regelung treffen. Dies auch deshalb, weil sich aus dem Umstand, dass der Erblasser der Ehefrau als Vorerbin die Möglichkeit die Wohnung zu veräußern eingeräumt hatte, gerade zum Ausdruck gebracht wurde, dass er keinen Wert darauf gelegt hat, dass die Wohnung in der Familie erhalten bleibt. Das Nachlassgericht musste also der Ehefrau nun einen Erbschein ohne Nacherbenvermerk erteilen.
Anmerkung:
Wenn Sie also als Erblasser Regelungen mit Vorerbschaft und Nacherbschaft treffen, dann müssen Sie sich auch Gedanken dazu machen, ob diese Regelung verbindlich oder abänderbar sein soll. Nur dann, wenn Sie eine Abänderung ausdrücklich ausschließen dann können Sie sicher sein, dass ihr Wille auch tatsächlich umgesetzt wird. Eine solche Regelung bietet sich beispielsweise dann an, wenn der Vorerbe gegenüber dem Nacherbinnen eine „Überlegenheit“ hat, sodass zu befürchten ist, dass der Nacherbe sich nicht wird gegen Begehrlichkeiten des Vorerben dauerhaft zur Wehr setzen können.
Aus Sicht eines Nacherbinnen ist es grundsätzlich denkbar ungünstig, diese Nacherbenstellung aufzugeben. Dies erst recht, wenn dafür vom Vorerben kein Ausgleich gezahlt wird. Wir hatten vor einiger Zeit einen Fall begleitet, in dem die Nacherbinnen eine solche „Leichtsinnlichkeit“ teuer bezahlen mussten. In diesem Fall war es so, dass Großeltern in ihrem Testament den Sohn als Vorerben und die beiden Enkeltöchter als Nacherbinnen eingesetzt haben. Sie hatten dabei ausdrücklich beide verfügt, dass die Schwiegertochter, weil diese nicht mit Geld umgehen könne, keinesfalls etwas bekommen solle.
Als der Vater dann irgendwann einen gewissen finanziellen Engpass hatte und zu Überbrückung die zum Nachlass gehörenden Immobilien belasten musste, was er aufgrund der Nacherbenstellung seiner Töchter nicht konnte, hatten die volljährigen Töchter einen ziemlich fatalen Fehler gemacht, nämlich ohne sich beraten zu lassen, um dem Vater einen Gefallen zu tun, kurzerhand auf die Nacherbenstellung verzichtet.
Damit war der Vater in seiner Verfügungsbefugnis frei. Diese hat die Situation dann dazu ausgenutzt, selbst dahingehend zu testieren, die Ehefrau nun als befreite Vorerbin und die Töchter wiederum nur als seine Nacherbinnen einzusetzen. Durch die Befreiung der Ehefrau ist es nun dieser möglich den Nachlass „unters Volk zu bringen“ mit der Folge, dass die Töchter die (berechtigte) Befürchtung haben müssen, dass dann wenn die Mutter stirbt, nicht mehr viel übrig sein wird …
Wie heißt es so schön in einem Werbeslogan des Anwaltsvereins: „Eine Unterschrift kann Sie reich machen oder ruinieren, deshalb keine Unterschrift ohne Anwalt“. Die Töchter mussten ihre Gutmütigkeit dann am Ende teuer durch den Verlust des Großelternvermögens bezahlen …
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.