Wer sich durch die Äußerung eines anderen beleidigt fühlt, kann grundsätzlich neben einer Strafanzeige wegen Beleidigung nach den §§ 185 ff. StGB auch zivilrechtlich Unterlassungsansprüche und gegebenenfalls auch Schadensersatzansprüche geltend machen. Bei derartigen Streitigkeiten findet stets eine Abwägung der Meinungsfreiheit des Äußernden, Art. 5 Abs. 1 GG, gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verletzten, Art. 2 Abs. 1 GG statt. Während hinsichtlich unwahrer Tatsachenbehauptungen regelmäßig ein Unterlassungsanspruch gegeben ist, sind bloße Werturteile erst dann unzulässig, wenn sie die Grenze zur sog. Schmähkritik überschreiten. Da also bei Werturteilen die Meinungsfreiheit mehr an Gewicht hat, verteidigen sich bei solchen Streitigkeiten die Verletzer meist damit, dass ihre Äußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen sein soll. Es kommt also dabei oft entscheidend darauf an abzugrenzen, ob es sich bei der Äußerung um eine bloße Tatsachenbehauptung oder aber um ein Werturteil gehandelt hat. Zur Unterscheidung wird darauf abgestellt, ob die Behauptung dem Beweis zugänglich ist (dann Tatsachenbehauptung) oder aber ob es sich um ein bloßes Meinen, Dafürhalten etc. handelt (dann Werturteil).
Das OLG Celle hat zur Abgrenzung in seinem Urteil vom 25.10.2012 (13 U 156/12) dazu exemlarisch ausgeführt:
„a) Entgegen der Einschätzung des Landgerichts handelt es sich bei der beanstandeten Äußerung um eine Tatsachenbehauptung.
Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 – VI ZR 120/10, juris Rn. 10). Das Werturteil wird zwar nicht allein dadurch zu einer Tatsachenbehauptung, weil – wie die Verfügungsklägerin meint – die Bewertung auf Tatsachen beruht. Eine Tatsachenbehauptung liegt dann vor, wenn bei der Äußerung aus Sicht des Empfängers die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens gegenüber den zugrunde liegenden Tatsachen in den Hintergrund treten (BGH, a. a. O., Rn.11).
aa) Die Verwendung von Einschüben, wie „ich meine“, „offenbar“ o. ä., kann nicht dazu führen, dass aus einer Tatsachenbehauptung eine weniger angreifbare Meinungsäußerung wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2008 – VI ZR 83/07, juris Rn. 18; Urteil vom 22. September 2009 – VI ZR 19/08, juris Rn. 13). Danach kann es nicht darauf ankommen, dass der Beklagte den Zusatz „befürchtet“ anbringt.
bb) Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, bedarf es der Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts. Denn bei Kollisionen zwischen dem Recht der Meinungsäußerungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht wird dort, wo Tatsachenbehauptungen und Wertungen zusammenwirken, grundsätzlich der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst, weil im Fall einer engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und ihrer Bewertung der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nicht dadurch verkürzt werden darf, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 – VI ZR 120/10, a. a. O. Rn. 12).
So dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem – zu würdigenden – Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird. Dabei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf die Äußerung von Tatsachen erstreckt, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (BGH, Urteil vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07, juris Rn. 11).
cc) Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer Äußerung ist ferner darauf abzustellen, wie sie unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden wird, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig ist, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, juris Rn. 23).
dd) Rechtsbegriffe bringen im Regelfall zwar ganz überwiegend die auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden zum Ausdruck (vgl. Urteil vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07, juris Rn. 15; Urteil vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, juris Rn. 24). Als Tatsachenmitteilung ist eine solche Äußerung hingegen dann zu qualifizieren, wenn die Beurteilung nicht als bloße Rechtsauffassung kenntlich gemacht ist, sondern beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Hierfür ist der Kontext entscheidend, in dem der Rechtsbegriff verwendet wird (BGH, Urteil vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, a. a. O.).
ee) Danach ist hier von einer Tatsachenbehauptung auszugehen.
Der Begriff des Vermögensverfalls wird im allgemeinen Sprachgebrauch von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser als Beschreibung für schlechte Vermögensverhältnisse verstanden. Das Vorliegen solcher Verhältnisse ist dem Beweise zugänglich. Der Verfügungsbeklagte verwendet den Begriff hier erkennbar nicht als Feststellung eines bestimmten insolvenzrechtlichen Tatbestands. Die Frage, ob Vermögensverfall und eine solche Überschuldung droht, die es der Verfügungsklägerin nicht mehr ermöglicht, alle ihre Verbindlichkeiten zu begleichen und die zum (Teil-)Ausfall der Gläubiger mit ihren Forderungen führt, lässt sich durch Einholung eines betriebswirtschaftlichen Fachgutachtens überprüfen. Dem Verfügungsbeklagten ging es zudem darum, das Gericht zu einer bevorzugten Bearbeitung anzuhalten. Die Erwähnung des befürchteten Vermögensverfalls sollte eine bestimmte prozessrechtliche Bewertung des Gerichts veranlassen. Zudem war die Frage, ob Vermögensverfall eingetreten ist oder nicht, für die rechtliche Beurteilung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs unmittelbar nicht von Bedeutung, auch wenn die Äußerung in einem gewissen Kontext zu den Darlegungen des Verfügungsbeklagten zum Zahlungsverhalten der Verfügungsklägerin (ab S. 7 der Klageschrift vom 18. Juli 2012) steht.“
Hinweis:
Diese Problematik spielt übrigens regelmäßig auch dann eine Rolle, wenn negative Bewertungen auf der Handelsplattform eBay angegriffen werden. Auch hier besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Löschung, wenn eine unwahre Tatsachenbehauptung zum Gegenstand der negativen Bewertung gemacht wird.