Der Nachlass geht als Ganzes und ungeteilt auf den oder die Erben über, § 1922 BGB. Dies nennt man Gesamtrechtsnachfolge oder auch Universalsukzession. Gemeint sind damit, dass der oder die Erben automatisch an die Stelle des Erblassers rücken und dessen Rechtsposition, also nicht nur Aktivvermögen, sondern auch Verbindlichkeiten übernehmen, also auch für dessen Schulden haften, § 1967 BGB. Die Annahme der Erbschaft ist dabei die Regel, die Ausschlagung die Ausnahme. Dies bedeutet wiederum, dass nur derjenige, der die Erbschaft nicht annehmen möchte, aktiv werden, also rechtzeitig die Erbschaft ausschlagen muss.
In einem vom OLG Hamm mit Beschluss vom 09.10.2015 (I-15 W 169/15) entschiedenen Fall hatte die Erbin im Rahmen der Vorsprache beim Nachlassgericht anlässlich der Testamentseröffnung einen formularmäßigen Grundbuchberichtigungsantrag vorgelegt bekommen und diesen unterzeichnet. Als sie später gemerkt hat, dass der Nachlass überschuldet ist, hat sie die Erbschaft ausgeschlagen und zugleich die Annahme der Erbschaft angefochten.
- Bei dieser Konstellation war nach Auffassung des Gerichts eine Ausschlagung der Erbschaft nicht mehr möglich, weil mit der Stellung des Grundbuchberichtigungsantrags die Erbschaft konkludent angenommen wurde, § 1943 BGB. Eine konkludente Annahme liegt regelmäßig insbesondere in dem Antrag auf Grundbuchberichtigung, da hierin in aller Regel objektiv der Wille zum Ausdruck kommt, sich den Nachlass anzueignen. Insoweit kommt es entsprechend den allgemeinen Auslegungsregeln allein auf den objektiven Erklärungsgehalt an und nicht auf das Vorhandensein eines entsprechenden Erklärungswillens. Mängel in der Bildung und der Äußerung des Annahmewillens können allein über die Anfechtungsregeln Berücksichtigung finden.
- Allerdings war die Anfechtung erfolgreich, denn die (mögliche) Erbin hat nach Auffassung des Gerichts nachvollziehbar dargelegt, dass sie den formularmäßigen Grundbuchberichtigungsantrag, der ihr offensichtlich im Rahmen der Vorsprache beim Nachlassgericht betreffend der Testamentseröffnung zur Unterschrift vorgelegt worden ist, jedenfalls nicht als Annahmeerklärung verstanden habe, da ihr dies als ein „automatischer“ Vorgang dargestellt worden sei. Da keiner der Beteiligten Gegenteiliges behauptet und auch das Nachlassgericht, in dessen Bereich sich der Vorgang abgespielt haben muss, keine gegenteiligen Feststellungen getroffen hat, sahen die Richter keinen Anlass für eine weitere Sachverhaltsaufklärung. Der danach festzustellende Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 BGB) trägt die Anfechtung. Diese wirksame Anfechtung gilt als Ausschlagung, § 1957 Abs. 1 BGB.
Anmerkung:
Aufgrund der Haftung des Nachlasses, aber auch der persönlichen Haftung des oder der Erben für Nachlassverbindlichkeiten sollte stets zeitnah geprüft werden, ob der Nachlass werthaltig ist oder aber eine Ausschlagung wirtschaftlich sinnvoll erscheint.
Aber selbst dann, wenn – so wie hier – eine konkludente Annahme erfolgt oder aber die Ausschlagungsfrist versäumt worden ist, gibt es neben einer Anfechtung auch noch weitere Möglichkeiten eine persönliche Haftung des Erben zu vermeiden, wie beispielsweise die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB, die Anordnung einer Nachlassverwaltung oder aber auch ein Antrag auf Nachlassinsolvenzverfahren. Letzteres kann selbst dann sinnvoll sein, wenn der Nachlass nicht einmal ausreicht, die Masse eines solchen Insolvenzverfahrens zu decken und deshalb die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird. Der Negativbescheid des Insolvenzgerichts kann dann nämlich, sollte der Erbe in Anspruch kommen werden, als Beweismittel für die Dürftigkeit des Nachlasses verwendet werden. Meist lassen sich durch Vorlage einer solchen Bescheinigung Gläubiger des Erblassers bereits im Vorfeld davon abhalten Klage einzureichen.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.