Wer sein Testament selbst, d. h. ohne fundierte rechtliche Beratung, verfasst, der läuft Gefahr, dass seine Formulierungen so unpräzise und lückenhaft sind, dass bei Eintritt des Erbfalls Streit über den letzten Willen entsteht und das Testament ausgelegt werden muss. In solchen Fällen kann es durchaus vorkommen, dass dann ein Gericht den letzten Willen in einer Weise auslegt und versteht, der in Wahrheit nie und nimmer mehr dem Willen des Erblassers oder der Erblasserin entsprochen hätte. Davor kann nur eine klare und lückenlose Formulierung schützen. Zu welchen Problemen dies in der Praxis führen kann verdeutlicht ein Fall den das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 21.03.2018 (I-3 Wx 211/17) entschieden und dabei zur Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie zur Testamentsvollstreckung im Wege der Auslegung Stellung bezogen hat.
Ehegattentestamente mit Änderungsbefugnis
In dem entschiedenen Rechtsstreit hatte zunächst die Erblasserin und ihr vorverstorbenen Ehemann zwei gemeinschaftliche Ehegattentestamente errichtet und zwar in den Jahren 1982 und 1989 in denen sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten; ihr Sohn sollte Schlusserbe sein. Weiter wurde ohne nähere Konkretisierung Testamentsvollstreckung angeordnet und dem überlebenden Ehegatten das Recht zur Änderung des Testaments eingeräumt.
Erblasserin macht von Änderungsbefugnis Gebrauch
Nach dem Tod des Ehemanns hat die Erblasserin 2009 ein weiteres Testament errichtet. In diesem hat sie unter anderem verfügt, dass der gemeinsame Sohn Alleinerbe sein soll wobei nach dessen Ableben zwischen den Enkeln „die Hinterlassenschaft aus meinem Erbe aufgeteilt werden“ soll. Auch hier ordnete sie Testamentsvollstreckung an und benannte als Testamentsvollstrecker einen Steuerberater, der für sie lebzeitige tätig war sowie ersatzweise einen Kollegen aus dessen Büro. Als Aufgaben für die Testamentsvollstrecker gab sie an Verwaltung des Nachlasses, Tilgung von Verbindlichkeiten und Zahlung der Erbschaftsteuern sowie „Regelung von Steuerproblemen“.
Streit um Erbenstellung des Sohns sowie die angeordnete Testamentsvollstreckung
Nach Eintritt des Erbfalls nahmen die beiden als Testamentsvollstrecker benannten Steuerberater das Amt nicht an.
Während der Sohn einen Erbschein für sich als Alleinerben beantragte, beantragten die Enkel einen Erbschein für den Vater als nicht befreiten Vorerben, während sie selbst zu je 1/2 Nacherbinnen sein wollten. Zur Begründung führten die Enkel aus, dass der Vater nie über ein geregeltes Einkommen verfügt habe und stets von der Erblasserin unterstützt worden sei. Es hätten sich daher regelmäßig Schulden angehäuft. Auch habe er größere Geldbeträge verspielt. Weiter begehrten die Enkel, dass ein Testamentsvollstrecker bestellt wird. Es sei nämlich der Wille der Erblasserin gewesen, weil der Vater nicht mit Geld umgehen könne, einen solchen vorzuschreiben. Auch, wenn die im Testament namentlich genannten Personen das Amt nicht angenommen hätten, so sei jedenfalls vom Nachlassgericht ein Ersatztestamentsvollstrecker zu bestellen denn bereits aus den beiden Testamenten der Großeltern lassen sich rückschließen, dass stets eine Testamentsvollstreckung gewünscht gewesen sei.
Der Sohn jedoch war der Auffassung, dass seine Mutter nicht generell Testamentsvollstreckung anordnen wollte, sondern sich nur die beiden namentlich benannten Personen, bei denen ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden hatte, als Testamentsvollstrecker haben sollte. Nachdem diese aber die Übernahme des Amts abgelehnt hatten, sei die Regelung hinfällig.
Vater als befreiter Vorerbe ohne Anordnung eine Testamentsvollstreckung
Die Richter am OLG haben zunächst klargestellt, dass maßgeblich für die Verteilung des Nachlasses das Einzeltestament der Erblasserin aus dem Jahr 2009 heranzuziehen sei, weil aufgrund des Änderungsvorbehalts im Ehegattentestament diese keine Bindungswirkung entfaltet hätten.
Befreite Vorerbschaft gewollt
So die Erblasserin formuliert hatte, die Enkel sollten die „Hinterlassenschaft aus meinem Erbe“ erhalten, deutet dies, so die Richter, darauf hin, dass der Sohn befreiter Vorerbe sein sollte. Durch die Verwendung des Wortes „Hinterlassenschaft“ ergebe sich nämlich, dass die Enkel nur das erhalten sollten, was zum Zeitpunkt des Todes des Vaters noch übrig ist. Dies sei der klassische Regelungsinhalt einer Vor- und Nacherbschaft. Gleichzeitig sei ersichtlich, dass der Vater in der Verfügungsbefugnis nicht eingeschränkt worden sein sollte, weil ja den Enkeln nicht ein bestimmtes Vermögen zugewandt werden sollte, sondern nur das, was nach dem Ableben des Vaters noch übrig bleibt.
Kein Ersatztestamentsvollstrecker gewollt
Weiter haben die Richter ausgeführt, dass ein Ersatztestamentsvollstrecker nur dann zu bestimmen sei, wenn dies entweder ausdrücklich im Testament angeordnet wird oder aber ein solcher Wille jedenfalls im Rahmen einer Auslegung erkannt werden kann. Im letztgenannten Fall muss bei Wegfall eines namentlich benannten Testamentsvollstreckers die Gesamtheit des Testaments erkennen lassen, dass eine Testamentsvollstreckung gewünscht war. Dies sei deshalb der Fall, weil die Benennung eines Testamentsvollstreckers regelmäßig aus persönlichen Gründen erfolgt oder aber weil zur benannten Person ein besonderes Vertrauensverhältnis, wie dies auch hier offensichtlich der Fall gewesen war, bestünde. Dass der Sohn der Erblasserin unstreitig spielsüchtig ist, spielte dabei für die Richter keine Rolle, weil die Erblasserin den Aufgabenkreis der Testamentsvollstrecker definiert hatte. Dass diese auch dem Schutz des Nachlasses dienen sollte, war aus Sicht der Richter nicht ersichtlich.
Ob dies tatsächlich der Wille der Erblasserin war, darüber werden die Enkel eine andere Meinung haben. Gleichwohl wird aber das Testament nun so vollzogen, so dass es von der Lebensweise ihres Vaters abhängen wird, ob am Ende bei diesen vom Nachlass ihrer Großmutter noch überhaupt etwas ankommt.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.